Das Finanzkapital. Joseph Murray Patrick

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Das Finanzkapital - Joseph Murray Patrick

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das Finanzkapital sich die Verfügungsmacht über fremdes Geld kauft, verschafft es sich die Fähigkeit, auf eigene Rechnung Geld als Kapital zu verkaufen; durch den Verkauf dieser Ware und im Vertrauen darauf, dass aus der Potenz des Geldes wirkliche Erlöse werden, befähigt es sich dazu, sich die Verfügungsmacht über fremdes Geld anzueignen.

      Das zweiseitige Geschäft der Kreditvergabe und Kreditaufnahme besteht also nicht darin, dass die Banken bloß sammeln und verfügbar machen, was ihre Kundschaft an verdientem Geld gerade übrig hat und ihnen zwecks besserer Verwendung anvertraut. Mit der Macht, die ihr absoluter, vom Gelingen der finanzierten Geschäfte abgelöster Rechtsanspruch auf Bedienung vergebener Kredite ihnen verleiht, werden sie in produktiver Weise aktiv. Auf hoher Stufe und in allgemeiner Form nutzen sie die Errungenschaft, die schon den kommerziellen Kredit zwischen Kaufleuten wachstumswirksam macht, nämlich im Vertrauen auf die Kontinuität und die beständige Zunahme der finanzierten Geschäfte mit Zahlungsversprechen zu wirtschaften, also die Macht des Geldes von seinem Vorhandensein zu trennen und in Geschäften wirken zu lassen, die das versprochene Geld schaffen. In der Sicherheit, dass es mit ihren Finanzgeschäften immer weitergeht, ‚schöpfen‘ die Banken Kredit, finanzieren Geschäfte nach Maßgabe ihrer Spekulation auf den kapitalistischen Geschäftserfolg, den sie damit in die Wege leiten; was die Geschäftswelt an Überschüssen erwirtschaftet, löst ein, was sie an Vorschuss in die Welt gesetzt haben. Der Prozess der Kapitalverwertung ist in der Ökonomie des Kreditgewerbes, das ihn mit der von ihm verwalteten Macht des Geldes in Gang setzt und hält, die Rechtfertigung ihrer Spekulation und die materielle Bestätigung der Potenz des Geldes, die sie wirken lassen.

      So betätigt sich das Finanzkapital als Antreiber des Wachstums, des eigenen und darin eingeschlossen des allgemeinen. Es ist nicht befangen in der Rolle des Vermittlers, der mit all seiner Macht per Saldo doch nur umverteilt, was die Unternehmen im Grunde schon von sich aus geschaffen und an Geldmitteln ‚ausgeschwitzt‘ haben. Es fungiert vielmehr als der Wachstum generierende Ausgangs-, Ziel- und Endpunkt der Kapitalakkumulation in der modernen Marktwirtschaft. Diese Dienstleistung hat Konsequenzen nicht nur für den Umfang der Geschäfte, mit denen die Unternehmenswelt Geld verdient. Der Geschäftstätigkeit in Industrie und Handel ist damit auch ein verbindliches Ziel und anspruchsvolles Erfolgskriterium gesetzt: Sie haben die Schulden, mit denen das Finanzgewerbe wirtschaftet und sein Wachstum betreibt, in akkumulierendes Kapital zu verwandeln und so das Recht der von den Banken verliehenen Zahlungsversprechen auf Realisierung in einer gewachsenen Geldsumme einzulösen. Andernfalls versiegt mit der verselbständigten Macht des Geldes der Vorschuss, von dem eine Marktwirtschaft lebt.

      Der gewöhnliche marktwirtschaftliche Sachverstand interpretiert das Bankgeschäft gern als eine Art Überlaufbecken für momentan nicht gebrauchtes Geld, das daraus ab- und zu Marktteilnehmern mit akutem Geldbedarf hinfließt; er hält sich mit seinem Verständnis also an die Bedürfnisse, die das Kreditgewerbe bedient und die ihm ganz vernünftig vorkommen, und verzichtet darauf, sich mit dem Subjekt und dem durch dessen Zugriff auf den Kapitalkreislauf definierten ökonomischen Inhalt dieses Geschäfts zu befassen. Einem Teil der kundigen Öffentlichkeit ist darüber hinaus die Kennzeichnung des Bankgeschäfts als ‚Kreditschöpfung‘ bekannt; und mit Bewunderung oder Skepsis, je nachdem, wird den Kreditinstituten die Kunst nachgesagt, ‚aus nichts‘ ganz buchstäblich Geld zu ‚schöpfen‘, womit allerdings mehr ein Rätsel gekennzeichnet als der Gebrauch erklärt ist, den das Gewerbe von seiner Stellung als universeller Schuldner der Gesellschaft und universeller Gläubiger der Geschäftswelt macht. Tatsächlich ‚schöpfen‘ die Banken den Kredit, den ihre Kundschaft braucht, also den Vorschuss, mit dem sie ‚die Wirtschaft‘ ausstatten und zu kontinuierlichem konkurrenztüchtigem Wachstum befähigen, nicht einfach ‚aus nichts‘, sondern aus ihrer Verfügungsmacht über die Gelderträge der gelaufenen und laufenden kreditierten Geschäfte und im auf dieser Macht beruhenden Vorgriff auf zukünftiges Geschäft, das diesen Vorschuss samt Überschuss erst wirklich produziert, also den geleisteten Vorgriff ökonomisch rechtfertigt. Was die Banken ‚schöpfen‘, ist denn auch nicht einfach ‚Geld‘, sondern – wie, dazu gleich mehr in Abschnitt b – in Gestalt von ‚Buchgeld‘ eine Zahlungsfähigkeit, die den gesellschaftlichen Kapitalvorschuss vergrößert, um dadurch das Bankgeschäft wachsen zu lassen, also die Macht der Banken zur Kreditschöpfung weiter zu steigern. Sie bedienen die kapitalistische Geschäftswelt mit Kapital, das seine eigene erfolgreiche Verwendung vorwegnimmt, nehmen die Geschäftswelt in Haftung für die wirkliche Reproduktion dieses Kapitals. Zu dieser ‚Schöpfung‘ von Kapitalvorschuss sind sie imstande, weil – und soweit – die bei ihnen deponierten und einlaufenden Gelderträge ökonomisch rechtfertigen, was sie – sich – damit leisten.

      Ihr zirkuläres Kreditgeschäft haben die Banken konsequent und effektiv mit ihrer Dienstleistung als Agentur des geschäftlichen – mittlerweile beinahe des gesamten gesellschaftlichen – Zahlungsverkehrs verbunden. Den wickeln sie ‚bargeldlos‘ ab, durch wechselseitige Verrechnung von auf Bankkonten lautenden Zahlungsanweisungen. Dieses Verfahren haben die Geldhäuser schon früher dazu genutzt, das bei ihnen deponierte Geld für die Vergabe von Krediten zu verwenden und Zahlungen im Auftrag des Eigentümers des Depositums in Form von Buchungsakten im eigenen Haus bzw. per Austausch von Geldanweisungen zu leisten. Ganz konsequent sind sie dazu übergegangen, den Kreditkunden das ausgeliehene Geld gleichfalls in Form von Geldzeichen, als Banknote oder als abrufbares Guthaben auf einem Konto, verfügbar zu machen und die Verwendung dieser Summe durch den Kreditnehmer wiederum mit internen Umbuchungen bzw. im Kreisverkehr mit den Banken der Zahlungsempfänger, per ‚Giralgeld‘, zu bewerkstelligen. Die Zahlungsströme, die sie mit ihrer Kreditvergabe auslösen, bewältigen sie mit ‚Buchgeld‘: Zahlungsanweisungen, die sie untereinander zirkulieren lassen. Damit haben die Banken sich das Mittel geschaffen, ihr Kreditgeschäft in einer Weise zu gestalten und auszudehnen, die ihrer Position, ihrer Macht und ihrer Freiheit als Finanzier und Nutznießer des kapitalistischen Wachstums insgesamt, gemäß ist: Die Zahlungsmittel, mit denen sie ihre Kreditkunden ausstatten, bestehen aus eigenen Zahlungsversprechen. Was an Depositen bei ihnen einläuft, sind im Wesentlichen von vornherein von Kreditinstituten in Verkehr gebrachte Geldanweisungen, die die Zirkulation des ‚geschöpften‘ Kredits repräsentieren; was sie an Zahlungen leisten, besteht aus – so gut wie – nichts als eben solchen Zahlungsversprechen, die eben dasselbe repräsentieren: Kredit auf den verschiedenen Stufen seiner Verwendung, vom Kauf von Produktionsmitteln bis zum Eingang von Verkaufserlösen, von der Zahlung von Löhnen und Gehältern bis zum ‚bargeldlosen‘ Kaufakt des Endverbrauchers. Was in der Gesellschaft als Kauf- und Zahlungsmittel zirkuliert, das sind im Wesentlichen von den Banken verantwortete Geldzeichen; und die sind ihrer ökonomischen Natur nach das Derivat, ihrem Entstehungsgrund nach das Zirkulationsmittel des Kreditgeschäfts, das Kapitalwachstum in Gang setzt und durch dessen Erfolg ökonomisch gerechtfertigt wird: Kreditzeichen. Mit diesem Instrument verallgemeinern die Banken die Errungenschaft des Wechselgeschäfts, versprochene Zahlung als Zahlungsmittel zu verwenden, und machen so praktisch wahr, was die Logik ihres Geschäfts erfordert: eine Kreditvergabe, die die Ausstattung des Kapitals mit Vorschuss im Einzelnen und im Allgemeinen von der schon realisierten Kapitalverwertung relativ unabhängig, vielmehr von den Ergebnissen des Kapitalwachstums abhängig macht, das die Banken mit ihren Vorschüssen angestoßen und in ihren Umsätzen registriert haben und in der festen Erwartung weiterer Wachstumserfolge neu inszenieren.

      In dieser Errungenschaft eingeschlossen ist die Emanzipation des von den Banken abgewickelten gesellschaftlichen Zahlungsverkehrs von einem Geld, das ebenso sehr Produkt gesellschaftlicher Arbeit ist wie die Waren, die damit bezahlt werden. Ein wirkliches Geld, auf das sich das ‚Buchgeld‘ der Banken bezieht, das deren Geldzeichen bezeichnen, bleibt dabei freilich vorausgesetzt und die Verfügung über ein Quantum davon auch nötig, damit die Buchungsakte der Banken zuverlässig als Mittel für den Händewechsel von Eigentum fungieren. Es braucht ein zwingend vorgegebenes Maß des ‚abstrakten Reichtums‘, nämlich der Verfügungsmacht des Privateigentums über Güter aller Art. Und als Sicherheit dafür, dass bloße Buchungsakte, die bloß private

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