Bonzentochter. Michaela Martin
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Michaela Martin
Bonzentochter
Roman
Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
Impressum:
© 2010 Verlag Kern
© Inhaltliche Rechte bei der Autorin
Autorin: Michaela Martin
Verlag u. Herstellung: www.Verlag-Kern.de Layout, Satz: www.winkler-layout.de © Titelbild: Anna Karpowicz-Westner „Vor dem Sturm“ , Öl auf Leinwand, 60x60cm, 2010 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2012 ISBN 9783944224121
Inhalt
Ich widme dieses Buch meinen Eltern,
die mich beide in gleichem Maße gefordert und gefördert haben in großer Dankbarkeit.
Prolog
Das Blatt mit den ausgeschnittenen und fein säuberlich aufgeklebten schwarzen Zeitungsbuchstaben fällt mir sofort in die Hand, als ich die Post durchsehe:
WIR HABEN IHRE TOCHTER ENTFÜHRT! SIE WIRD STERBEN, WENN SIE DIE POLIZEI EINSCHALTEN! WIR MELDEN UNS WIEDER!
Erst nachdem ich die aufgeklebten Worte mehrfach gelesen habe, begreife ich langsam ihren Inhalt. Was soll der Mist?, denke ich mir wütend. Welch makabere Art der Werbung! Ich wende das Papier, um herauszufinden, wer sich diese Art der Reklame hat einfallen lassen. Wer will mir denn mit so einem Unfug etwas verkaufen? Ich suche nach dem Absender, aber die Rückseite ist weiß. Werbung scheidet also aus. Aber was ist es dann? Ein schlechter Scherz? Wer hat solch dämliche Einfälle? Kein normaler Mensch käme auf die Idee, andere mit so einer Drohung zu verunsichern. Ich starre auf die schwarzen Buchstaben, unfähig, das Blatt wegzulegen. Ich muss einen klaren Kopf bewahren, deshalb erst einmal tief durchatmen. Doch meine Gedanken überstürzen sich.
Kapitel 1
Es ist ein heißer Freitag im Juli 1978 und exakt 17 Uhr.
Ich habe es geschafft. Der Schriftsatz in Sachen Völlinger gegen Bauinvest mit 85 Seiten liegt fein säuberlich getippt vor mir auf dem Schreibtisch. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden, ihn von meinem Schreibtisch auf den meines Chefs zu befördern.
Mein Chef heißt Ludwig Kains und geht gerade mal wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Er telefoniert und das kann dauern.
Mir tut das Kreuz weh vom langen Sitzen und ich habe Kopfschmerzen vor Hunger. Ein Marmeladenbrötchen zum Frühstück, mehr habe ich heute noch nicht gegessen. Meine Laune droht zu kippen, wenn ich in den nächsten Minuten nicht etwas zu essen bekomme. Seit 10 Uhr sitze ich an der Schreibmaschine und tippe wie eine Wahnsinnige ohne Pause, damit ich diesen Schriftsatz vor Feierabend noch fertigbekomme. An Tagen wie heute bin ich von meinem eigenen Ehrgeiz überrascht, denn schließlich bin ich nur die Aushilfe in diesem Büro. Im normalen Leben bin ich Jurastudentin im 9. Semester an der Uni in München.
Kains telefoniert schon seit über einer Stunde, ich vermute mit seiner neuen Flamme. Ich drücke ihm und uns die Daumen, dass es die Dame ernst mit ihm meint. Denn ihr verdanken wir einen seit Wochen gutgelaunten Chef. Jeder von uns weiß es inzwischen, Rechtsanwalt Kains ist massiv auf Brautschau. Er ist 33 Jahre alt und seine Kanzlei läuft inzwischen so gut, dass er Frau und Kinder ernähren könnte, wenn er denn die Chance dazu bekäme. Sagt er jedenfalls und zwar auffallend häufig, deshalb haben wir Damen vom Büro den Verdacht, dass er ernsthaft ans Heiraten denkt.
Sybille Schnell heißt die Auserwählte. Sie ist 24 Jahre alt und von Hauptberuf Tochter, so scheint es meinen Kolleginnen und mir zumindest, da wir erstaunlich schnell darüber informiert worden sind, dass die Eltern der Auserwählten eine gut florierende Firma in München mit Niederlassungen in ganz Deutschland haben. Der Vater von Fräulein Schnell scheint eine Nase für neue Technologien zu haben, er ist in der Computerbranche tätig und hat damit sehr viel Geld verdient.
Was wir bereits wissen, ist, dass Rechtsanwalt Kains die klassische Rollenverteilung in der Ehe bevorzugt, das heißt, er ist fürs Geldverdienen zuständig und seine zukünftige Frau Gemahlin für die noch zu zeugenden Kinder und den Haushalt. Unsere weibliche Intuition sagt uns, dass Fräulein Schnell schon sehr schnell auf eine abgeschlossene Universitätsausbildung zugunsten einer zeitnahen Vermählung mit unserem Arbeitgeber verzichten wird. Wenn die Ehe schiefgehen sollte, wofür sämtliche Statistiken der Familiengerichte bundesweit sprechen, ist deshalb heute schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das Scheitern auch dieser so hoffnungsvoll gestarteten Ehe einen Mann sehr viel Geld kosten wird,