Bonzentochter. Michaela Martin

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Bonzentochter - Michaela Martin

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ich bezahle nur eine Ausbildung. Solltest du auf die Idee kommen, das Studium abzubrechen, musst du selber sehen, wie du weiterkommst.“

      Ich weiß zwar nicht, ob er seine Drohung wahr gemacht hätte, aber zuzutrauen wäre es ihm. Dank der motivierenden Arbeit bei Rechtsanwalt Kains muss ich allerdings die Finanzierungsbereitschaft meines Vaters für ein neues Studium und damit auch die Belastbarkeit des Familienfriedens nicht testen.

      Also verdanke ich es Kains, dass ich die Krise überwunden habe und kurz vor dem Examen stehe. Die Juristerei macht mir inzwischen sogar richtig viel Spaß. Nun besteht nur noch die Gefahr, dass ich mehr Zeit in der Kanzlei verbringe als in der Uni.

      Aber jetzt ist endgültig Schluss für heute, schließlich ist es Freitag und schon 17 Uhr.

      Ich habe weder Zeit noch Lust zu warten, bis mein verliebter Arbeitgeber sein Gespräch mit seiner Herzallerliebsten endlich beendet. Das kann bekanntlich dauern. Dieses Mal bin ich nicht bereit, Rücksicht zu nehmen. Aber den Schriftsatz muss ich noch loswerden, damit er weiß, dass ich pünktlich mit allem fertig geworden bin. Ich bin wild entschlossen, innerhalb der nächsten fünf Minuten das Büro zu verlassen. Da hilft nur eines: Unter Missachtung aller Anstandsregeln gehe ich, ohne zu klopfen, in sein Büro und lege den Schriftsatz vor ihn auf den Schreibtisch, allerdings ringe ich mir ein entschuldigendes Lächeln ab.

      Offensichtlich ist Kains viel zu verliebt, um an diesem Tag überhaupt jemandem böse zu sein. Ganz im Gegenteil: Als er feststellt, dass der Schriftsatz in Sachen Völlinger fertig getippt vor ihm liegt, sieht er mich strahlend an und hebt seinen linken Daumen nach oben, was ich eindeutig als Zeichen der Anerkennung deute. In der rechten Hand hält er den Telefonhörer, aus dem eine weibliche Stimme schallt.

      Kains strahlt glücklich. Selbstbewusst bilde ich mir ein, dass dieses Lächeln auf mein Konto geht und in diesem Moment nicht Fräulein Schnell die Ursache für sein Wohlbefinden ist. Wenn der Chef glücklich ist, dann sind es die Angestellten bekanntlich auch. Deshalb lächele ich fröhlich zurück, bevor ich fluchtartig das Büro verlasse. Auf mich wartet ein wunderbares Wochenende. Ich habe mir fest vorgenommen, drei Tage lang nur zu faulenzen.

      Die freien Tage habe ich mir redlich verdient, denn die vergangene Woche war verdammt hart. Anita, die hauptamtliche Sekretärin hat sich eine Woche Urlaub genommen. Sie ist eine wahre Meisterin der Urlaubsplanung. Ihr stehen 30 Tage Urlaub im Jahr zu, aber sie schafft es in manchen Jahren locker aus den sechs Wochen acht Wochen zu machen, indem sie jeden Feiertag optimal für ihre Urlaubsplanung nutzt.

      Obwohl wir anderen Sekretärinnen unter Anitas Urlaubsplanung leiden, gönnen wir ihr die Freizeit. Sie ist eine wirklich tolle Kollegin. Sofern sie an ihrem Arbeitsplatz ist, ist sie sehr fleißig, hilfsbereit und loyal. Anita ist der Profi unter uns im Büro. Sie managt nicht nur ihre Kolleginnen und die Mandanten der Kanzlei, sondern hat auch ihren Chef fest im Griff. Sie tippt wie eine Weltmeisterin und bereitet nebenbei einfache Fälle so vor, dass Kains sie nur noch unterzeichnen muss. Dabei bleibt sie auch im schlimmsten Stress immer hilfsbereit und freundlich. Sie ist die Seele des Büros, alle lieben sie, alle verzeihen ihr die etwas eigensinnige Urlaubsplanung.

      Kains wäre ohne Anita am Anfang seiner Karriere ein armer Hund gewesen, denn von den Abläufen eines Kanzleibetriebs hatte er keine Ahnung. Unser Chef gibt ehrlich zu, dass schon so simple Sachen wie die korrekte Anlage einer Akte, Wiedervorlagesysteme und Formulare für ihn absolutes Neuland waren.

      Anita arbeitet nur 30 Stunden in der Woche, was viel zu wenig ist, um die ganze Arbeit zu schaffen. Deshalb beschäftigt Kains noch zwei Aushilfen, die Anita entlasten. Eine davon bin ich, Ramona heißt die andere. Ramona arbeitet montags und mittwochs und ich arbeite dienstags und donnerstags. Das finde ich sehr angenehm, weil ich so auch einmal in den Genuss eines verlängerten Wochenendes komme.

      Wenn Anita allerdings Urlaub nimmt, arbeite ich voll, meist 40 Stunden und mehr in der Woche. Ramona hilft, wo sie kann. Leider hat sie selten mehr Zeit als drei Tage in der Woche. Sie studiert Zahnmedizin, was zeitaufwendiger zu sein scheint als Jura. Hinzu kommt natürlich, dass Ramona und ich keine Profis sind und deshalb für die Erledigung der meisten Angelegenheiten deutlich länger brauchen als unsere pfiffige Kollegin Anita. Außerdem müssen wir Kains auch viel häufiger um Rat fragen. Das ist für uns alle lästig. Auf dem Weg zur U-Bahn bin ich wie erlöst. Die Verantwortung für das Büro hat in der letzten Woche doch sehr an meinen Nerven gezerrt. Ich freue mich, ja es macht mich sogar ein bisschen stolz, dass ich alles so gut geschafft habe. Anita kann wirklich nicht meckern. Es ist nichts liegengeblieben. Am Montag findet sie ein aufgeräumtes Büro vor, genau so, wie sie es verlassen hat.

      Ich habe Glück: Meine Bahn, die U6, fährt gerade in den Bahnhof ein. Ein paar Sitzplätze sind noch frei, ich habe die Wahl. Eine fünfjährige, leidvolle Beziehung zur Münchner U-Bahn hat mich gelehrt, mir die Fahrgäste erst einmal genau anzusehen, bevor ich mich neben sie setze. Es ist Sommer und heute ist es sehr heiß, mindestens 30 Grad im Schatten, in der U-Bahn gefühlte 35. Die Bahn hat keine Klimaanlage, die Menschen schwitzen alle still vor sich hin. Meine überempfindliche Nase zwingt mich zu einer sorgfältigen Auswahl meines Sitznachbarn, wenn ich die nächsten 30 Minuten ohne innere Qualen überleben will. Meine Laune kann in Sekundenschnelle auf den absoluten Tiefpunkt sinken, wenn meine Nase den Geruch von Schweiß, Zigaretten oder Knoblauch ertragen muss. Bin ich dann erst einmal schlecht gelaunt, kann nichts und niemand meine Stimmung mehr heben. Für den Rest des Tages leide ich dann unter einer undefinierbaren Abneigung gegen alle Menschen, unter der auch meine Familie zu leiden hat. Dieses Risiko will ich heute auf keinen Fall eingehen.

      Mit dem Blick einer routinierten U-Bahn-Fahrerin suche ich mir einen gepflegten Mann um die 40 Jahre aus. Im schlimmsten Fall dringt in den nächsten Minuten ein Hauch von Aftershave in meine Nase, aber damit kann ich leben. Auch von gegenüber droht keine Gefahr. Dort sitzen zwei Damen um die siebzig, herausgeputzt in gepflegten bayerischen Loden, offensichtlich auf dem Weg zum nächsten Damenkränzchen. Gegen Lavendel und Kölnisch Wasser habe ich nichts.

      Ich setze mich und nehme einen vorsichtigen Atemzug. Ich hatte recht, der junge Mann schwitzt nicht und riecht auch nicht nach Knoblauch oder kaltem Zigarettenrauch, nicht einmal eine Welle von Aftershave erreicht meine gequälte Nase. Ich habe also allen Grund zu entspannen und mich auf das kommende Wochenende zu freuen.Starten werde ich mit einer Badewannenorgie. Ich werde mir ein lauwarmes Schaumbad gönnen, ein Glas Weißwein und die Zeitung werden die einzigen Zeugen meiner Entspannung sein. Kein Freund und auch keine kleine Schwester werden mich heute um mein Vergnügen bringen. Beide haben angekündigt, dass sie nicht vor acht Uhr abends zu Hause sein werden. Die kleine Schwester ist beim Sport, mein Freund arbeitet länger und will danach in der Stadt einkaufen gehen. Er ist nicht nur für unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln zuständig, sondern auch der Koch der Familie. Er kocht sehr gerne und meistens auch gut. Jedenfalls besser, als ich es kann, deshalb hat er von Beginn unserer Beziehung an diese ehrenvolle Aufgabe übernommen. Freiwillig, wohlgemerkt.

      Die U-Bahn setzt sich in Gang und schon ein paar Sekunden später fahren wir in die Tunnelröhre ein. Es gibt nichts mehr zu sehen außer der langweiligen, hässlichen Tunnelwand. Die Fahrgäste sind gezwungen, ihren eigenen Gedanken nachzugehen. Meine Gedanken kreisen noch immer um den Prozess Völlinger gegen die Firma Bauinvest. Die dreißigminütige Heimfahrt von der Kanzlei quer durch die Stadt nach Hause in den Münchner Norden tut mir meist gut. Ich kann dabei sehr gut abschalten. Bis ich zu Hause ankomme, ist der Kopf frei für die Familie, das bekommt allen gut. Heute gelingt mir das allerdings nicht wirklich.

      Der Fall Völlinger beschäftigt die Kanzlei schon seit Monaten und liegt mir fast genauso lange auf der Seele. Einmal abgesehen davon, dass alle Schriftsätze in dieser Sache geradezu unverschämt lang sind, wie die 85 Seiten von heute wieder einmal bewiesen haben, ist der Fall auch noch tragisch, denn es geht im wahrsten Sinne des Wortes um das wirtschaftliche Überleben einer jungen Familie. Wir vertreten die Gegenseite, den Bauinvestor, was die Sache nicht leichter für mich macht. Seit Wochen drückt

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