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Ich zeigte niemals, daß ich physisch verletzt war. Ich tat so, als ob nichts wäre, egal wie schlimm der Schmerz war, teilweise, weil ich es als erniedrigend empfand, physische Schmerzen zu haben. Dies ließ mich all die zusätzlichen Schmerzen aushalten, als ich mich dann chronisch unwohl in meinem physischen Körper fühlte.
Es war nicht einfach, in einem physischen Körper zu leben, der immer müde wurde, der jeden Tag schlafen gelegt werden mußte, ob ich es wollte oder nicht. An Gegenstände anzustoßen war schmerzvoll, die Haut zu ritzen war gefährlich und alle Arten von Bakterien attackierten ständig den Körper. Was für ein miserabler Ort diese physische Welt ist, dachte ich oft. Baden, Waschen, Haarekämmen, Zähneputzen, all diese Pflichtaufgaben waren eine Bürde, die ich akzeptieren mußte.
Kaltes Wetter verabscheute ich besonders; es machte mir den physischen Körper und all seine Schmerzen bewußter. Die Beschwerden und Schmerzen des Körpers sind für mich zu einer ganz neuen Dimension des Seins geworden.
Ich war mir dessen zu jener Zeit noch nicht bewußt, aber die sechste Klasse war mein letztes Schuljahr. Wie gewöhnlich wurden uns alle Arten von Dingen beigebracht, die mich nicht interessierten, trotzdem bekam ich meistens sehr gute Noten. Am liebsten mochte ich Kunst, Sport und Theateraufführungen.
Geschichtsunterricht ärgerte mich. Wie konnten so viele Leute stolz auf die Kriege sein, die für die Freiheit geführt worden waren? Kindern wurde die Idee eingeimpft, daß Gewalt und Aufruhr ein sicherer Weg waren, Ziele durchzusetzen. Ich dachte immer, es sollte auch gelehrt werden, daß es andere Wege gibt, Unstimmigkeiten zu überwinden.
Das letzte Schuljahr. Omnec ist 14 Jahre alt.
Während dieses Jahres keimte mein Interesse an Jungen auf. Bis dahin war Großmutter immer hinter mir her, um herauszubekommen, ob ich Interesse am anderen Geschlecht zeigte. Schließlich bekam ich selbst Interesse daran.
Meine Cousine Janice und ich liebten es, uns zurechtzumachen, wenn ich die Nacht bei ihr verbrachte. Wir trugen lange Kleider, hochhackige Schuhe und Lippenstift und promenierten so die Straße auf und ab. Großmutter hätte mich umgebracht, wenn sie das rausbekommen hätte.
Meine Freundin Mary war hauptsächlich für mein wachsendes Interesse an Jungen, Herumtreibern und Elvis Presley verantwortlich. Die Musik liebte ich nicht eigentlich, doch sie war ein Bestandteil unseres Beisammenseins.
Marys ältere Schwester Lilly beeinflußte uns stark in Sachen Jungen, Makeup und Erwachsenenwelt. Sie war 16. Mary und Lilly trieben ein verrücktes Spiel miteinander, so jedenfalls empfand ich das zu dieser Zeit. Das war nichts für mich. Lilly spielte einen Jungen, Mary das Mädchen, und dann liebten sie sich.
Es war fast August, als Donna uns wieder schrieb. Alles hatte sich zum Besseren gewendet. Sie und C.L. tranken und stritten nicht mehr und führten nun ein vergnügliches Leben auf der Insel Sanibel an der Küste von Florida bei Fort Meyers. Sie leiteten das Sandcastles Motel. Der Postkarte nach, die sie schickten, schien es ein Paradies zu sein, und ich träumte von dem kilometerlangen Sandstrand und der üppigen tropischen Vegetation.
„Wäre es in Ordnung“, fragten sie, „wenn Sheila ein paar Wochen bei uns bliebe?“
Ich wünschte mir sehnsüchtig, noch am selben Tag loszufahren, aber Großmutter war sich nicht sicher. Ich bettelte und flehte, und wir diskutierten das Pro und Contra tagelang.
Endlich kam der Wendepunkt. Großmutter sagte: „Ich weiß, du liebst deine Mutter und du weinst die ganze Zeit nach ihr, ich denke also, du kannst fahren und sie eine Zeitlang sehen.“
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, so glücklich und aufgeregt war ich. Hurra! Endlich kam ich an einen anderen Ort außerhalb von Tennessee!
Am Tag, an dem Onkel Bob mich zum Busbahnhof fuhr, fühlte ich mich erwachsener als je zuvor. Den ganzen Sommer lang hatte Großmutter Kleider für mich genäht, und heute zog ich mein Lieblingsdress an. Es war ein weißes Kleid, bedruckt mit Blumen in warmem Rot, Orange und Gelb. Es war tailliert, hatte einen ausgestellten Rock und einen tiefen Rückenausschnitt. Und ich trug die schwarzen Lacklederpumps und Strümpfe, die Mami mir geschickt hatte.
Als ich den Bus bestieg, steckte mir meine Cousine Andrea hinter Großmutters Rücken einen Lippenstift zu. Großmutter schniefte und sagte Aufwiedersehen. Ich sah sie an. Ja, sicherlich würde ich diese Frau vermissen, die trotz unserer Armut dafür gesorgt hatte, daß ich alles hatte, was ich brauchte. Ich drückte und küßte sie. Ich liebte sie wirklich.
Der Bus verließ Chattanooga. Ich fuhr allein an einen unbekannten Ort. Ich hoffe, ich sehe diese Gegend nie wieder, dachte ich. Ich fühlte mich sehr erwachsen und selbständig und ich trug roten Lippenstift. Was ich nicht wußte, war, daß mein Leben während dieser ersten Erdenjahre sehr behütet gewesen war. Doch die schlimmste Kraftprobe mit dem Karma stand mir noch bevor ...
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