Bärenfang. C. Verhein

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Bärenfang - C. Verhein

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wurden die Kommandos laut und deutlich gegeben, so dass sich Großmutter bald von unten meldete und fragte: „Habt ihr noch immer kaine Ruhe nich jefunden? Jetzt wird schleinichst jeschlafen.“

      Großvater war in Vorpommern geboren und aufgewachsen, daher sprach er weitgehend neutral ohne ausgeprägten Dialekt. Wenn jemand die napoleonische Besetzung von 1812 erwähnte, konnte Großvater interessante Geschichten erzählen, die er wiederum von seinen Eltern gehört hatte. Jedes Mal unterbrach dann Großmutter: „Aber wir im Memelland waren die asten in Preißen, die sich jegen Napoleon erhoben haben. Denk an General York.“

      „War ja auch nicht schwer, Napoleon hatte das Memelland gar nicht besetzt“, entgegnete dann Großvater und fuhr fort: „Wenn die Franzosen in der Gastwirtschaft ‚Omelett o Konfitüre‘ bestellten, mussten das bei uns Eierkuchen mit Blaubeeren sein.

      Unter den Kiefern an der Küste von Vorpommern bis ins Memelland konnte man die Blaubeeren damals eimerweise pflücken. Die Marjelchen, die in der Wirtschaft bedienten, verstanden aber kein Französisch und deuteten das Wort ‚Omelett‘ als Mädchennamen. Den Rest übersetzten sie frei nach Gehör, ähnlich klingend: ‚Komm mit vor die Tür!‘“

      Bei Großvaters Geschichten wusste man nie so recht, wie viel er ohne „Spinnrad“ gesponnen hat. Richtig spannend wurde es, wenn er von der Kontinentalsperre erzählte. Napoleon hatte nahezu ganz Europa besetzt, um den Handel mit England zu unterbinden. Die Engländer wiederum waren auf diesen Handel angewiesen. Deshalb versuchten sie unbemerkt, meistens nachts, mit ihren Schiffen an die Küsten der von Napoleon besetzten Länder zu kommen, um Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte gegen Waren wie englische Tuche, Rum oder andere begehrte Erzeugnisse aus ihren Kolonien einzutauschen.

      Meistens haben Fischer mit ihren kleinen Booten die Fracht zu den auf Reede liegenden englischen Blockadebrechern gebracht.

      „Auch euer Ururgroßvater hat an solchen Schmuggelfahrten teilgenommen. Die an Land stationierten französischen Soldaten haben scharf geschossen, wenn die Boote bei Zuruf nicht umkehrten.

      Einmal ist euer Ururgroßvater, dort hängt sein Bild, in eine wilde Schießerei geraten. Nur die mit Getreide prall gefüllten Säcke boten Schutz vor den französischen Kugeln. In solchen Fällen gaben die Engländer Feuerschutz, wenn es sein musste, auch mit Zehnpfündern aus ihren Kanonen.

      Ohne Schaden zu nehmen haben die Fischer noch einmal das englische Kriegsschiff erreicht, aber wie sollten sie wieder zurückkommen? Die Franzosen waren jetzt alarmiert und warteten auf die Rückkehrer. Es blieb nichts anderes übrig, als bei den Engländern an Bord zu bleiben, bis die Franzosen die Verfolgung aufgaben.

      Über lange Weile halfen nur große Mengen Rum, davon hatten die Engländer genug. Erst nach zwei Tagen kehrte der Ururgroßvater mit den anderen an einer anderen Stelle des Strandes bei Nacht und Nebel mit seinen eingetauschten Waren zurück. Dort haben sie alles erst einmal in den Dünen versteckt, um es später, wenn die Luft rein war, abzuholen.“

      Dafür konnte sich der Großvater noch nach zirka einhundert dreißig Jahren begeistern.

      Nimmersatt war für uns die große Freiheit. Hier konnten wir von früh morgens bis zum späten Abend fast alles machen, was wir wollten. Nur wenn wir baden gingen, mussten wir den Großeltern Bescheid sagen und wenn die Wellen zu hoch waren, kam ein strenges Verbot.

      In der Blaubeerzeit zogen wir mit Wassereimern bewaffnet in die Wälder, immer nach dem Motto, eins ins Töpfchen, eins ins Kröpfchen. Wassereimer benötigten wir schon, denn es gab mehr als genug von den Blaubeeren. Ähnlich war es zur Pilzzeit, denn es gab auch Pfifferlinge in Überfluss. Um alles nach Hause zu bekommen, wurde ein Fahrrad mitgenommen, an das wir die Eimer hängen konnten.

      Abends gab es Eierkuchen mit Blaubeeren oder Pfifferlinge mit Rührei, bevor wir vor Müdigkeit ins Bett fielen.

      Im Wald waren wir nicht die Einzigen, die Russen nannten die Pilze Grippe, die Polen suchten Gschippi und die Litauer … Ich weiß es nicht mehr.

      Zu den gewissen Zeiten fanden richtige Kampagnen statt, denn die Leute waren auf diesen Zuverdienst angewiesen. Wenn auch nicht auf den Feldern mit den sandigen Böden, aber in den Wäldern wuchs der „Reichtum“.

      Die Sommerferien gingen dem Ende zu und am 1. September 1944 sollte die Schule wieder beginnen. An diesem Wochenende wollten die Eltern kommen und uns wieder nach Hause mitnehmen.

      Dann saß Frank vorne zwischen Mutter und Vater und ich hinten auf dem „Milchkasten“ unseres Dogcarts. Aber soweit sollte es nicht kommen. Als die Eltern um die Kaffeezeit eintrafen, stürmten wir ihnen schon von weitem entgegen.

      Endlich stand das Gespann still und Vater eröffnete seine „Neusten Nachrichten“: „Ich habe zwei Botschaften, für euch, die Gute zu erst. Ihr könnt noch bei den Großeltern bleiben. Die Schule bleibt geschlossen und wird Lazarett.“

      Unser Jubel war nicht zu überhören und die Großeltern eilten herbei, um von der freudige Nachricht zu hören.

      „Aber nun die schlechte Nachricht“, drängte die Mutter.

      „Ja“, sagte Vater. „Ich muss mich schon morgen auf dem Wehrmeldeamt in Memel melden. Ich werde im Kessel von Libau gebraucht.“

      „Das kann ich nicht verstehen“, meldete ich mich zu Wort. „Ich denke die Marine holt alle Soldaten aus dem Kessel.“

      „Ja, aber bis das geschafft ist, kommen immer wieder neue Verwundete hinzu und es gibt nicht genug Ärzte für die Versorgung“, entgegnete Vater.

      Jetzt blieben alle still und Großmutter standen die Tränen in den Augen. Vater war immer Optimist und auch jetzt versuchte er uns zu beruhigen: „Der Krieg wird nicht mehr lange dauern.“

      Großvater fügte hinzu: „Auch das Kurhaus hier wurde Lazarett, ein Zeichen dafür, dass die Front immer näher kommt.“

      Die Eltern nutzten den Nachmittag für einen ausgiebigen Strandspaziergang mit der ganzen Familie. Nach dem Abendbrot wurde es Zeit für die Heimfahrt, obwohl es zu dieser Jahreszeit noch lange hell war. Wir Jungs konnten zu unserer Freude bei den Großeltern bleiben und nach einem herzlichen Abschied, setzte sich der Dogcart in Bewegung. Niemand ahnte, dass dies ein Abschied für viele schmerzliche Jahre und für die Großeltern ein Abschied für immer werden sollte.

      Schon am Nachmittag hörte man in der Ferne Geschützdonner, als wenn ein Gewitter aufzieht, auch aus diesem Grunde drängten die Eltern zum zeitigen Aufbruch.

      „An der Front tut sich was“, meinte Großvater besorgt. Hoffentlich nicht zu unseren Ungunsten.

      Mir fiel schon heute am Tage auf, dass verstärkt Sankas zum hiesigen Lazarett fuhren.

      Die Eltern waren keine zwanzig Minuten unterwegs, als plötzlich verstärkt Artilleriefeuer einsetzte. Neben ihnen auf dem Feld schlug eine Granate ein. Das Pferd scheute und bäumte sich auf. Um sie herum war flaches Ackerland, deshalb verließ der Arzt kurz entschlossen den Weg und lenkte das Pferd zum nahen Wald, um Schutz unter den Bäumen zu finden.

      „Wollen wir eine Pause machen?“, fragte er seine verängstigte Frau.

      Ohne ihre Antwort abzuwarten, trieb er das Pferd zur Eile an. Sie machten einen großen Umweg, um den Wald nicht mehr verlassen zu müssen und kamen wohlbehalten spät abends zu Hause in Krettingen an.

      Etwaige

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