Planetenschleuder. Matthias Falke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Planetenschleuder - Matthias Falke страница 4
Jennifer trommelte mit den Fingern auf der Konsole, vor der sie nervös von einem Bein aufs andere trat. Jill stand abseits, die Hände ineinander verkrallt und schnitt ein Gesicht wie ein Baby, das sich gerade in die Hose macht.
Endlich erschien auf dem Hauptschirm der Gefechtsstand der MARQUIS DE LAPLACE. Im Profil erkannten wir Dr. Rogers, der mit blaurotem Kopf gerade drei WO's zusammenstauchte, die ihn um zwei Haupteslängen überragten und wie begossene Pudel vor ihm standen. Leider dauerte es ein paar Sekunden zu lang, bis auch der Audio-Kanal aufgebaut war, als dass wir seine Gardinenpredigt hätten verstehen können. Unmittelbar vor dem Schirm, der das Bild übermittelte und unsere Konterfeis auf die andere Seite überspielte, erkannten wir Dr. Frankel, der wie immer seinen weißen Laborkittel trug. Er wirkte wie ein Oberarzt, der gerade aus der Visite abberufen wurde. Zu Rogers' cholerischem Wesen bildete er einen angenehmen Gegenpol. Ich atmete auf, als ich ihn sah. Er wandte sich verwundert um, als wir auf seinem Schirm sichtbar wurden.
»Was, bitteschön, wird das?«, fragte er in seiner korrekten Aussprache, die so britisch wirkte, dabei aber nur neuenglisch war. Selbst jetzt, da unser Schiff von unerklärlichen Kräften fast zerrissen wurde, ließ er sich nichts anmerken, sondern verströmte die Coolness und Langeweile eines Gentleman auf einer englischen Gartenparty.
»Wir wollten uns selbst ein Bild von der Lage machen«, blaffte Jennifer.
»Die Lage ist beschissen«, brüllte Rogers über Frankels Schulter hinweg. Er hatte die WO's, die wie gemaßregelte Internatszöglinge abgezogen waren, weggeschickt und wandte sich nun einem Techniker zu, der ölverschmiert auf die Brücke gewankt kam und vor ihm Meldung machte. Leider konnten wir den Bericht, den der Mechaniker schwer atmend vorbrachte, nicht verstehen, da im gleichen Augenblick Frankel wieder das Wort ergriff.
»Sie können online auf den Statusbericht gehen«, sagte er freundlich, als handele es sich um Wahlprognosen oder Footballergebnisse. »Wir haben im Augenblick noch zuwenig Informationen. Momentan sind wir damit befasst ...«
Ich versuchte ihm mit rudernden Armbewegungen zu verstehen zu geben, dass er das Sichtfeld freigeben sollte. Dann brüllte ich in den Schirm hinein.
»Rogers! Hier ist Norton. Gibt es irgendetwas, das wir tun können?«
Ein neuerliches Beben lief durch das Schiff. Wir sahen auf dem Monitor, wie die Besatzung der Brücke schwankte und mit dem Gleichgewicht kämpfte. Dann erst hörten wir das ferne Stöhnen. Abermals etliche Augenblicke später hatte die Bewegung uns erreicht und brachte uns zum Taumeln. In dem großen Maschinenblock jenseits der Konsolen jaulte der Feldgenerator auf. Mir wurde wieder bewusst, wie riesig das Schiff war und wie es sich entlang seiner Längsachse verwinden musste. Wie ein nasses Handtuch, aus dem jemand das Wasser herauswringt, schien es in gegensätzliche Richtungen verdreht zu werden.
Während wir uns noch an den Rechnerschränken festkrallten, hatten sie auf der Brücke schon das Gleichgewicht wiedererlangt.
»Sie können mich am Arsch lecken«, tobte Rogers. »Sehen Sie nicht, dass wir zu tun haben?!«
Der Mechaniker salutierte zackig, wirbelte auf dem Absatz herum und stapfte mit schweren Seemannsschritten davon. Rogers stand da, die Fäuste in die Seite gestemmt, und blickte wutschnaubend um sich. Eigentlich sah er nicht aus wie jemand, der gerade besonders viel zu tun hat. Eher schien er Ausschau zu halten, wen er als Nächstes zusammenstauchen könnte.
Jennifer hatte unterdessen wild auf ihrer Konsole herumgetippt.
»Ich hab's«, verkündete sie.
Ich beugte mich über die Anzeigen, während Jill und Reynolds sich den Statusbericht auf einen zweiten Schirm holten.
»Sieht böse aus«, zischte sie zwischen den Zähnen, als sie in Windeseile die Reports der letzten Minuten herunterscrollte.
Ich wandte mich wieder dem großen Monitor zu. Im Hintergrund sah ich Rogers davonstapfen. Er ging an einen der Nebenbedienplätze und klemmte einen Kommunikator ans Ohr. Ich vermutete, dass er auf einem geschlossenen Kanal mit den Reparaturtrupps vor Ort Kontakt aufnehmen wollte.
In Krisensituationen hatte ich ihn auch schon souveräner erlebt. Vor Persephone hatte er es als Kommandant eines zusammengewürfelten Kampfverbandes mit einer ganzen sinesischen Flotte aufgenommen. Der siegreiche Ausgang der Schlacht für die Unionstruppen hatte den Krieg entschieden und die sinesischen Ambitionen ein für alle Mal beendet. Aber heute hatte er es mit einer Sache zu tun, die nicht unbedingt größer, aber unheimlicher war. Er wusste nicht, wer oder was ihm gegenüberstand, das machte ihn nervös. Und dass man ihn dabei ertappte, machte ihn noch viel nervöser.
»Wir haben einen Treffer in Segment I erhalten«, begann Frankel. »Das zentrale Steuermodul. Wie es aussieht, wurde es vollständig zerstört.«
»Was für ein Objekt?«, fragte Reynolds, noch ehe Frankel den letzten Satz beendet hatte. Der WO der Enthymesis hatte die Daten vor sich auf dem Schirm, aber er schien davon auszugehen, dass der stellvertretende Leiter der Planetarischen Abteilung über aktuellere Informationen verfügte. Ich fand es typisch für einen Techniker, dass er der Technik mißtraute und sich im Zweifel lieber an eine menschliche Person wandte.
»Masse circa eine Tonne«, sagte Frankel. »Wurde natürlich vollständig pulverisiert. Wir können nur den Impuls rekonstruieren, den die Feldgeneratoren der vorderen Segmente nach dem Einschlag kompensiert haben. Nicht sehr groß, Medizinball-Format ungefähr.«
Er malte mit den Händen den Umfang einer Wassermelone in die Luft.
»Also sehr schwer«, fuhr er fort. »Hohes spezifisches Gewicht.«
»Ein Artefakt«, entfuhr es mir. »Am Ende ein Torpedo?«
»Das wohl nicht«, lächelte Frankel wie der Moderator eine Rateshow, der leider einen weiteren Kandidaten nach Hause schicken muss. »Wir denken an einen Eisenmeteoriten oder an einen kleinen, sehr dichten Asteroiden.«
Ich versuchte diese Information unterzubringen, fand aber keine Schublade, in der ich sie hätte verstauen können.
»Wir glauben mit dieser Annahme relativ sichergehen zu können«, sagte Frankel, aber Jennifer setzte die Ausführung an seiner statt fort:
»Weil wir seither von zwei weiteren Körpern dieser Art beinahe gestreift worden wären«, rief sie.
Sie sah von ihrer Konsole auf. Ihr Gesicht nahm einen fleckigen Rotton an, von dem sich der blonde Flaum ihrer Wangen weiß abhob. »Einer in tausend, einer in nur hundertzwanzig Metern Abstand. Beide waren über dreißigtausend Kilometer schnell und hatten Massen von mehreren Tonnen.«
Ich spürte, wie in mir etwas wegsackte. Es war wie auf der Akademie, wo wir mit Handgranatenattrappen hantiert hatten und erst hinterher erfuhren, dass sie scharf gewesen waren. Ich versuchte mir auszumalen, was geschähe, wenn ein solcher Trümmer in eines der Wohn- oder Wissenschaftssegmente raste. Dann schob ich die Vorstellung beiseite.
Ich blickte auf die Uhr. Seit dem Einschlag war keine Viertelstunde vergangen. Wenn in dieser Zeit drei der rätselhaften Objekte unsere Bahn gekreuzt hatten ... Ich führte auch diesen Gedanken nicht zu Ende.
»Wir sind in ein Trümmerfeld geraten«, jammerte Lambert. »Ein Asteroidensturm. Wir werden von Meteoritenhagel zersiebt!«
Ich fragte mich wieder einmal, wie diese Frau, die eine großartige Pilotin war, aber ein