Planetenschleuder. Matthias Falke

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Planetenschleuder - Matthias Falke

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Beinahe-Kontakte erklärten immerhin die gequälten Bewegungen der MARQUIS DE LAPLACE. Das Schiff, geblendet und mit Schlagseite im Raum dümpelnd, hatte sich mit letzter Kraft zwischen dem Bombardement hindurchgewunden. Allerdings paßte zu dieser Theorie nicht, was Jennifer noch aus den Reports herauslas.

      »Die letzten beiden Asteroiden wurden erst registriert, nachdem sie an uns vorbeigepfiffen waren.«

      Das war bedenklich, und die Erklärung, die Frankel dafür bereit hatte, vermochte nicht, das ungute Gefühl zu zerstreuen, das sich in meiner Magengrube anstaute.

      »Wie ich bereits sagte«, säuselte er in den Monitor, »ist unser zentrales Steuermodul durch den Treffer vollständig zerstört worden. Wir sind vollkommen blind und auf einem Ohr ertaubt. Der Schlag war außerordentlich präzise geführt. Man könnte schon fast an Perfidie denken, wenn das gegenüber einem natürlichen Objekt nicht albern wäre. Ein Großteil der automatischen Hauptsteuerung ist ausgefallen. Wir arbeiten momentan daran, die Trimmung des Schiffes über die Quantenrechner der Planetarischen Abteilung zu koordinieren, um es zu stabilisieren und zu verhindern, dass es wie ein Bambusrohr auseinanderbricht.«

      Er machte das anschaulich vor, in dem er einen imaginären Stab zwischen den Händen bog und dann ruckartig zerknickte, dass wir es förmlich dabei krachen hörten.

      »Die Intelligenz«, führte er weiter aus, »der Hauptsteuerung ist glücklicherweise holistisch organisiert. Sie kann sich frei über ihre kybernetischen Substrate bewegen. Deshalb sind wir dabei, die übrigen Rechnerkapazitäten, mit denen unsere gute alte MARQUIS DE LAPLACE zum Glück nicht allzu sparsam ausgestattet ist, zu einem virtuellen Ersatz zusammenzuschalten.«

      Er blinzelte. So unterschiedlich er und Rogers vom Temperament her waren, so glichen sie sich doch in ihrer Vorliebe für lange Vorlesungen. Sie hörten sich beide einfach zu gern reden.

      »Schwieriger«, fiel ihm gerade noch ein, »sieht es da allerdings mit den zerstörten Sensoren aus. Auch wenn es unseren zerebralen Narzißmus kränken mag: Ein defekter Hirnlappen ist weniger schwer zu ersetzen als ein kaputtes Auge ...«

      Die Frage, die mich beschäftigte, war dabei noch nicht einmal angeschnitten worden. Ich richtete mich auf und sah mich in der Runde um. Jennifer tippte wieder an der Konsole. Sie hatte auf Frankels letzte Ausführungen nicht mehr achtgegeben. Jill stand, krampfhaft an einen Rechnerschrank gekrallt, neben mir und starrte mit erloschenem Blick vor sich hin. Reynolds hatte das Kinn in die Faust gestützt und eine Pose angestrengten Nachdenkens eingenommen.

      Das Schiff war jetzt ruhig. Lautlos lag die MARQUIS DE LAPLACE auf ihrer Bahn im Neptun-Orbit. Die Feldgeneratoren summten leise vor sich hin. Alles war friedlich. Die Situation schien unter Kontrolle.

      Eines hatten Frankels weitschweifige Erklärungen nicht erklärt: Wie hatte der Treffer selbst, der uns in diese missliche Lage gebracht hatte, passieren können. Wieso war der Anflug des ersten Asteroiden von den damals unzerstörten Instrumenten nicht gemeldet worden?

      Ich sah Reynolds an. Er legte mir die Hand auf die Schulter und schob sich dicht an mich heran.

      »Es gäbe eine Erklärung für All das«, knurrte er hinter vorgehaltener Hand. »Sie mag unwahrscheinlich klingen, und sie wäre in der Tat wenig erbaulich, aber ...«

      Ich brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. Wir haben uns nicht immer gut verstanden. Bis jetzt haben wir uns noch bei jeder Mission zusammengerauft, und ich weiß, dass ich mich, wenn es hart auf hart kommt, zu einhundert Prozent auf ihn verlassen kann. Andererseits nervt sein Getue, sein Bescheidwissertum, seine Marotte des »Jetzt erkläre ich euch mal schnell die Welt«. Ich würgte das ab. Unsere Aufmerksamkeit wurde von Jennifer auf sich gezogen, die sich mit einem Ruck aufrichtete und mit der flachen Hand auf die Konsole schlug. Schwer zu sagen, ob das eine Geste der Resignation oder des Triumphes war.

      »Was ist los?«, fragte ich.

      Selbst Frankel auf der anderen Seite des Schirms zog interessiert die Brauen hoch. Dann tippte er etwas auf einem seiner Monitore.

      »Das Deepfield-Radar kommt wieder«, rief Jennifer aus. »Die Automatik hat die Scanner der hinteren Segmente synchronisiert. Außerdem greift sie auf die Kapazitäten der vier Enthymesis-Explorer zu.«

      »Die«, schmunzelte ich, »verdutzt in ihren Hangars im Großen Drohnendeck stehen und sich fragen, was das hier in der Etappe für eine Unruhe ist.«

      »Reichweite und Auflösung entsprechen nicht ganz dem Deepfield, wie wir es gewohnt sind«, sagte Jennifer, die mir fröhlich zulächelte und mit einem Auge weiter die herunterratternden Anzeigen mitlas, »aber wir haben doch wieder ein halbwegs scharfes Sensorium.«

      Auch Frankel wirkte sehr zufrieden. Er beugte sich über einen seiner Rechner und verschwand dadurch aus dem Bild. Nur noch sein gekrümmter Rücken und seine rechte Schulter waren als weiße Hügellandschaft am unteren Rand des Monitors zu sehen. Im Hintergrund ging Rogers erregt hin und her und sprach wie wild auf den Kommunikator ein.

      »Tolle Leistung«, rief ich übermütig in den Schirm. »Gratulation an Ihre Truppe!«

      Er hielt für einen Moment auf seiner Wanderung inne, starrte mit stechendem Blick herüber und hob die Hand zu einer Geste, die genauso gut »Keine Ursache« wie »Leck mich!« heißen konnte. Dann redete er auf dem geschlossenen Kanal weiter.

      »So weit so gut«, strahlte Jennifer. »Jetzt haben wir immerhin wieder einen gewissen Überblick. Das ist in einer Situation wie dieser gar nicht zu ver ...«

      Sie stockte mitten im Wort. Ihr Blick wurde starr und sonderbar saugend. Als sei ein physischer Kontakt zwischen ihrem Auge und dem Monitor geknüpft, der nun langsam verstärkt wurde, neigte sie sich an die Konsole heran.

      »Wie es aussieht, haben wir wieder ein Bild«, sagte ich.

      Auch Reynolds, der die Daten an einem anderen Schirm mitverfolgte, bekam plötzlich ganz spitze Lippen und eine hohe Stirn.

      »Was ist denn los?«, wimmerte Jill. »Ihr kuckt auf einmal so wie ...«

      Die Suche nach dem passenden Wort wurde ihr abgenommen.

      »Wieder was im Anflug«, brummte Jennifer.

      »Verdammte Scheiße«, hörten wir einen von Dr. Frankel ungewohnten Fluch, ohne dass wir den stellvertretenden Leiter der Planetarischen gesehen hätten.

      »Was?«, fragte ich.

      Ich sah nur Zahlenkolonnen über die Konsolen rasen.

      »Moment.« Jennifer klang, als würde sie gleichzeitig rauchen und Nägel kauen. »Die Daten kommen verzögert rein. Sie müssen erst compiliert werden.«

      »Und warum dauert das so lange?«, entfuhr es mir. »Die Kapazitäten eines ganzen Schiffes! Da wäre Onkel Lu mit seinem Abakus schneller!«

      Auf dem großen Schirm wurde Frankel sichtbar, der sich abrupt aufrichtete und sich verstört nach Dr. Rogers umsah. Der hatte jetzt ebenfalls mitbekommen, dass etwas nicht stimmte. Er feuerte den Kommunikator auf eine der Konsolen und kam mit einschüchternden Schritten auf seinen Stellvertreter zugestiefelt. In seinem Blick, den er durch den Schirm auf uns abfeuerte, lag etwas wie »Das habt ihr jetzt davon«. Dann tauchte auch er unter den Bildausschnitt hinab, als er sich neben Frankel über dessen Bedienplatz beugte.

      »Was ist denn jetzt?!«, brüllte

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