Plus zwei Grad. Helga Kromp-Kolb

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die Einführung der Katalysatoren für Autos konnten die Emissionen im amerikanisch-europäischen Raum bis in die 1990er-Jahre drastisch reduziert werden. Da die Sulfat- und Nitrat-Aerosole durch Regen aus der Atmosphäre ausgewaschen werden, sind auch die Konzentrationen sofort stark gesunken. Dies führte einerseits zum Rückgang des Waldsterbens, andererseits auch zu einem Anstieg der Sonneneinstrahlung. Derzeit ist die Sonneneinstrahlung in Österreich um rund 10 Prozent höher als in den 1970er-Jahren. Dieser Anstieg ist eine Summenwirkung aus dem häufigeren Auftreten von stabilen Schönwetterlagen im Frühsommer und der Reduktion der Schwefeldioxidemissionen. Damit ist aber auch die Hitzebelastung stark gestiegen.

      Länger anhaltende Schönwetterperioden und wärmere Temperaturen sind für viele Freizeitaktivitäten durchaus positiv. Es bedeutet, dass sowohl die Gastgärten als auch die Bäder früher den Betrieb aufnehmen. Auch die Wandersaison im Gebirge im Herbst profitiert davon. Dennoch haben auch Hitzewellen ihre Schattenseiten. Erstmals augenfällig wurde dies im Sommer 2003. Dieser sogenannte „Jahrtausendsommer“ brachte in ganz Europa ungewöhnlich lang anhaltende Schönwetterperioden. Das Zentrum dieses Hitzesommers lag in Frankreich. Dort traten auch außergewöhnlich hohe Temperaturen auf und verbreitet wurden neue Hitzerekorde erreicht. Schätzungen gehen davon aus, dass einige Zehntausend Personen an den direkten Folgen der Hitze und teilweise durch eine kombinierte Wirkung mit hohen Ozonkonzentrationen gestorben sind. Die meisten davon in Frankreich, aber auch in Italien und in Mitteleuropa konnten Todesfälle nachgewiesen werden.

      In Österreich war 2003 auch außergewöhnlich. Erstmals wurden mehr als 40 Hitzetage, das sind Tage mit einem Temperaturmaximum von mehr als 30 °C, erreicht. Davor lagen die Maxima bei knapp 30 Hitzetagen. Betrachtet man die Entwicklung der Hitzetage pro Jahr seit Beginn des 20. Jahrhunderts an der Station Wien Hohe Warte (siehe Abbildung 2-3), so sieht man, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem heißen Jahr etwa zehn Hitzetage erreicht wurden und häufig Jahre ohne einen einzigen Hitzetag vorgekommen sind. Danach stieg die Anzahl an Hitzetagen sukzessive an und erreichte 2003 einen ersten Höhepunkt. Seither steigt die mittlere Häufigkeit weiter an (siehe Linie in Abbildung 2-3) und auch der Extremwert aus dem „Jahrtausendsommer“ 2003 wurde 2015, 2017 und 2018 beinahe erreicht beziehungsweise sogar überschritten.

      Besonders belastend ist Hitze in städtischen Gebieten. Zwar sind in den Städten die Temperaturmaxima nicht oder kaum höher als in ländlichen Regionen, durch die Verbauung wird jedoch die nächtliche Abkühlung stark reduziert. Dieser städtische Wärmeinseleffekt führt dazu, dass innerstädtisch die nächtlichen Minimumtemperaturen um bis zu 7 Grad wärmer sind als im Umland. In der Wiener Innenstadt wurde bereits mehrmals eine nächtliche Minimumtemperatur von 25 °C nicht unterschritten und am 2. August 2017 sank das Thermometer nicht unter 26,9 °C. Bei derart hohen Temperaturen kann man die Wohnräume kaum mehr durch nächtliches Lüften abkühlen und die Hitzebelastung hält Tag und Nacht an.

      Abbildung 2-3: Hitzetage (Temperaturmaximum größer als 30 °C) pro Jahr in Wien seit 1900. Rekordwerte mit 40 Tagen wurden erstmals im Jahrtausendsommer 2003 erreicht, aber auch 2015, 2017 und 2018 kamen ähnlich viele Hitzetage vor. 4

       Die Gletscher schmelzen dahin

      Besonders deutlich vor Augen geführt bekommt man den Klimawandel, wenn man im Hochgebirge der Alpen unterwegs ist. Wer regelmäßig in den Gletscherregionen wandert, konnte in den letzten Jahrzehnten den starken Rückgang der alpinen Gletscher und den Zerfall der Gletscherzungen beobachten. Gletscher sind ein gutes Maß für den Klimawandel, weil sie aufgrund ihrer Trägheit nur auf längerfristige Veränderungen reagieren. Ihre Trägheit hängt von der Größe der Gletscher ab: je größer, desto langsamer reagieren sie. Die großen alpinen Gletscher mit einigen zehn Quadratkilometern Eisfläche brauchen mehrere Jahrzehnte, bis sie sich auf veränderte klimatische Verhältnisse eingestellt haben.

      Gletscher stellen ein „Förderband“ dar, das Winterschnee aus jenen Bereichen des Gletschers, wo der Schnee aus dem Winterhalbjahr im Sommer nicht vollständig abschmilzt (Nährgebiet) und zu Eis wird, in tiefere Lagen transportiert, wo es im Sommer schmilzt (Zehrgebiet). Ein Gletscher ist im Gleichgewicht (die Massenbilanz ist ausgewogen), wenn während des Sommers im Mittel gleich viel Eis schmilzt, wie neuer Schnee im Nährgebiet liegen bleibt. Damit hängt die Entwicklung eines Gletschers nicht nur von der Temperatur ab, sondern auch von den Niederschlagsverhältnissen. Dies erklärt auch die teilweise unterschiedliche Reaktion von Gletschern in bestimmten Regionen der Erde. Im Alpenraum ist der wichtigste Faktor für die Gletscherentwicklung die Temperatur im Sommer während der Abschmelzperiode, und diese hat sich in den letzten Jahrzehnten stark erhöht. Seit Mitte der 1980er-Jahre sind die Massenbilanzen der alpinen Gletscher negativ und das hat die Eisreserven stark reduziert. Dadurch sinkt die Fließgeschwindigkeit der Gletscher und der Nachschub für die Gletscherzungen fehlt. Man kann derzeit von Jahr zu Jahr zusehen, wie die Gletscherzungen zerfallen und wegschmelzen.

      Gletscher sind nicht nur ein optischer Aufputz für unsere Alpengipfel. Ihr Rückgang hat auch vielfältige Auswirkungen auf die Natur und uns Menschen. Wo sie sich zurückziehen, bleiben Schotterflächen zurück. Dieses lockere Geröll wird durch Niederschläge mobilisiert und erhöht den Geschiebeanteil (feiner Sand und Steine) im Abfluss. Dies führt zu mehr Materialeintrag in hochalpine Speicherseen und damit zu Mehrkosten für häufigeres Ausbaggern. Bei extremen Starkniederschlägen kann es auch vermehrt zu Murenabgängen kommen.

      Ebenso wie die Gletscher verschwinden auch die Permafrostböden. Das sind Böden, die das ganze Jahr über gefroren bleiben. Wenn sie auftauen, führt dies häufig zum Abgang von lockerem Geröll. Es kann aber auch vorkommen, dass das Eis des Permafrostes der einzige Stabilisator für ganze Hänge ist, die dann beim Auftauen instabil werden. Der erhöhte Steinschlag führt bereits zu Behinderungen und Gefährdungen. Zahlreiche klassische Kletter- und Wanderrouten im Alpenraum mussten deswegen schon geschlossen oder umgeleitet werden. Laufende Kontrolle auf lockere Gesteinsmassen hin und deren Entfernung ist kostenintensiv.

      Aber nicht nur die Gebiete direkt rund um die Gletscher sind von deren Rückgang betroffen. Gletscher spielen auch eine wesentliche Rolle für die Stabilisierung des Abflussverhaltens alpiner Flüsse. Gletscher geben ihr Wasser überwiegend während hochsommerlicher Hitzewellen frei. Der ganze Jahresniederschlag am Gletscher wird faktisch in diesen wenigen Wochen an die Flüsse abgegeben. Dies findet gerade dann statt, wenn andere Wasserquellen abnehmen oder ganz versiegen. Damit verhindern Gletscher, dass im Sommer der Wasserstand der Flüsse zu stark absinkt. Dies hat vielfältige Auswirkungen auf die Lebewesen im Wasser, aber auch auf die Trinkwasserversorgung, die touristische Nutzung der Flüsse, die Wasserkraftproduktion und für die Bereitstellung von Kühlwasser für industrielle Prozesse sowie kalorischer Kraftwerke.

      Im Sommer 2003 konnte man in Tirol ein interessantes Phänomen beobachten: Aufgrund der heißen Temperaturen und des nicht vorhandenen Niederschlags im August trockneten die nördlichen Zubringer des Inns, die aus den nicht vergletscherten Kalkalpen kommen, faktisch ganz aus. Urlauber verwechselten die Bäche teilweise mit Wanderwegen. Die südlichen Zubringer vom vergletscherten Alpenhauptkamm hingegen führten teilweise sogar so viel Wasser wie bei einem Hochwasserereignis, das im Mittel einmal im Jahr erreicht wird. Und dies nur durch das starke Abschmelzen! In Summe führte dies dazu, dass der Inn keinen außergewöhnlich niedrigen Wasserstand aufwies. Dramatischer war die Situation beim Po in Italien. Dort reichte die Gletscherschmelze nicht mehr aus, um einen starken Rückgang der Wasserführung zu verhindern und einige Kraftwerke mussten zu einer Zeit vom Netz genommen werden, als der Strombedarf für Kühlung maximal war. In Frankreich trat ein dramatischer Energieengpass auf, weil das Kühlwasser für die Kohle- und Kernkraftwerke fehlte. Strom musste teuer von

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