Plus zwei Grad. Helga Kromp-Kolb

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Plus zwei Grad - Helga Kromp-Kolb

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auf die Wasserführung alpiner Flüsse kommt überwiegend von den Gletscherzungen. Diese schmelzen aber rasch ab, weil sie sich in Regionen mit höheren Temperaturen befinden. Vom unteren Teil der Gletscherzunge der Pasterze, dem größten Gletscher der Ostalpen, schmelzen zum Beispiel pro Sommer bis zu zehn Meter Eis ab. In zehn bis 20 Jahren werden die Gletscherzungen der Ostalpen verschwunden sein und die Zungen der Westalpen werden bald danach folgen. Das sommerliche Tauwasser bleibt dann aus. Diese gravierende Folge des Gletscherrückgangs im Alpenraum wird eintreten, lange bevor die Gletscher vollkommen verschwunden sind. Dafür braucht es auch kaum mehr einen Temperaturanstieg, nur den Rückzug der Gletscher auf ihr derzeitiges Gleichgewichtsniveau. Die Wirkung der niedrigen Wasserführung im Hochsommer bleibt dabei nicht auf die Alpenregion beschränkt. Durch die großen alpinen Flüsse Donau, Po, Rhein und Rhone sind mehr als 100 Millionen Menschen direkt von den Auswirkungen des alpinen Gletscherrückgangs betroffen, wobei hier die Energie- und Trinkwasserversorgung im Sommer sicherlich die größten Probleme darstellen werden.

      Weltweit kann man einen Rückgang der Gletscher beobachten, der sich in den letzten Jahren deutlich beschleunigt hat. Nur wenige Ausnahmen – etwa die Gletscher in Skandinavien – zeigen keinen Rückgang. In diesen Regionen wird ein Anstieg des Niederschlags beobachtet, der den Effekt der Erwärmung kompensieren kann. Mit weiterem Fortschreiten der Erwärmung werden aber auch diese Gletscher zurückgehen.

       Nicht jede Migration kann durch Grenzzäune verhindert werden!

      Eine häufig von der Bevölkerung bemerkte Veränderung stellt die Einwanderung neuer Pflanzen und Tierarten bei uns dar. Dabei ist es natürlich nicht neu, dass – beabsichtigt durch Import oder unbeabsichtigt als blinde Passagiere in Frachtcontainern, Lkw, im Ballastwasser von Schiffen oder im Laderaum von Flugzeugen – hier nicht heimische Pflanzen und Tiere zu uns kommen. Durch den Klimawandel gelingt es verschiedenen Arten aber immer häufiger, sich langfristig zu etablieren, weil sie auch die Wintermonate überstehen und sich sukzessive ausbreiten können.

      Die wohl bekannteste neu eingewanderte Pflanze ist die Ambrosia, auch als Ragweed bekannt. Diese Pflanze stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde bereits im 19. Jahrhundert durch verunreinigtes Saatgut nach Europa importiert. Da die Ambrosia eine wärmeliebende Pflanze ist, konnte sie sich ursprünglich nur im mediterranen Raum etablieren. Durch die Erwärmung im 20. Jahrhundert und speziell in den letzten Jahrzehnten breitete sie sich von Südosteuropa kommend in Richtung Mitteleuropa aus. Österreich erreichte sie um die Jahrtausendwende und hat inzwischen schon alle Flachlandregionen und auch einige alpine Täler besiedelt. Die Ambrosia bleibt nicht unbemerkt, da viele Menschen durch ihr Vorkommen beeinträchtigt werden: Sie ist eine hoch allergene Pflanze. Aufgrund ihrer Wärmeliebe blüht sie auch sehr spät, meist im August. Damit sind nicht nur viele Menschen betroffen, es geschieht auch zu einer Zeit, in der Pollenallergiker in der Regel bereits das Schlimmste überstanden haben. Dass auch die Bauern sich über dieses neue Unkraut nicht freuen, versteht sich.

      Andere bekannte neue Pflanzenarten sind der Riesenbärenklau und die Robinie. Der Riesenbärenklau ist aus dem Kaukasus eingewandert und kam ursprünglich als Zierpflanze zu uns. Diese bis zu drei Meter große Pflanze verursacht bei Hautkontakt verbrennungsähnliche Reizungen und kann besonders für Kinder gefährlich werden. Auch muss bei der Bekämpfung Hautkontakt unbedingt vermieden und daher Schutzkleidung getragen werden. Die Robinie oder auch falsche Akazie stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde in Europa als Bienenfütterung in Parkanlagen angepflanzt. Durch die Fähigkeit der Robinie, Luftstickstoff zu binden, kann sie sich auf mageren und trockenen Standorten gut etablieren und ganze Wälder bilden. Dies ist aber meist unerwünscht, da in Mitteleuropa viele seltene Arten nur auf diesen Trockenrasenstandorten vorkommen und durch die Robinie verdrängt werden.

      Bei den neu zugewanderten Tierarten ist die rote Spanische Wegschnecke am bekanntesten und am unbeliebtesten. Ihr Ursprungsgebiet liegt vermutlich an der Atlantikküste. Durch die wärmer gewordenen Winter in Mitteleuropa konnte sie sich aber auch hier stark ausbreiten und verursacht Gartenliebhabern jedes Jahr Kopfzerbrechen, wie man ihrer Herr werden kann. Auch den Asiatischen Marienkäfer kann man im Garten finden. Diese Marienkäferart wurde ursprünglich als Schädlingsbekämpfer in Glashäusern eingesetzt und hat sich von dort aus verbreitet. Er ist durch seine hohe Geburtenrate und Gefräßigkeit nicht nur für die heimischen Marienkäferarten eine Gefahr, sondern auch für Schweb- und Florfliegenarten. In Österreich wurde der Asiatische Marienkäfer erstmals 2006 im Freiland nachgewiesen; inzwischen ist er schon einer der häufigsten Käferarten überhaupt geworden.

      Besonders bei den Insekten gibt es eine Vielzahl an Arten, die durch die Erwärmung bei uns heimisch geworden sind. Diese Arten wandern einerseits aus dem südosteuropäischen Raum ein, wo sie an heiße trockene Sommer angepasst sind, andererseits auch aus den Atlantischen Küstenregionen. Diese Arten wiederum profitieren von den wärmer gewordenen Wintern. Am bekanntesten ist sicherlich die Verbreitung der Gottesanbeterin. Diese bis zu 7,5 cm große Fangschrecke stammt ursprünglich aus Afrika und hat sich über den Mittelmeerraum und Südosteuropa bis in die wärmsten Regionen Mitteleuropas ausgebreitet. Auch die Dornfingerspinne erlangte eine gewisse Berühmtheit, da sie eine der wenigen Spinnenarten ist, deren Biss durch die menschliche Haut geht und dadurch Schmerzen verursachen kann.

      Problematischer als diese beiden Arten ist die Ausbreitung diverser Stechmückenarten und des Maiswurzelbohrers. Einige Stechmücken sind in der Lage, gefährliche Krankheiten zu übertragen. Am bekanntesten ist die asiatische Tigermücke, aber auch Sandmücken spielen hierbei eine Rolle. Durch die gute medizinische Versorgung in Mitteleuropa ist jedoch die Gefahr, die von diesen Mückenarten ausgeht, deutlich geringer als in ihren Ursprungsgebieten. Für die Verbreitung der meist viralen oder bakteriellen Erkrankungen müssen Mücken mit dem infizierten Blut erkrankter Wirtstiere beziehungsweise erkrankter Menschen in Kontakt kommen. Diese werden bei uns jedoch sofort behandelt und bei Bedarf auch isoliert, wodurch eine Verbreitung unterbunden wird.

      Der Maiswurzelbohrer wurde im Rahmen des Balkankrieges in den 1990er-Jahren durch US-Militärmaschinen nach Serbien eingeschleppt und seither verbreitet er sich von dort Richtung Mitteleuropa. In Österreich wurde er erstmals im Jahr 2002 nachgewiesen. Die Larven des Maiswurzelbohrers fressen die Wurzeln der Maispflanze und können große Schäden anrichten. Besonders anfällig sind hierbei Maismonokulturen, wenn über mehrere Jahre hinweg auf denselben Flächen ausschließlich Mais angebaut wird.

      Die Rückkehr der großen Säugetiere in den Alpenraum wie Bär, Wolf, Luchs und Biber hat hingegen nichts mit dem beobachteten Klimawandel zu tun. Diese profitieren einerseits von aktiven Wiederansiedelungsversuchen, andererseits von der Extensivierung der Landwirtschaft in vielen Gebirgsregionen der Alpen.

      Neben dem Zuzug neuer Tier- und Pflanzenarten beobachten wir auch ein geändertes Verhalten heimischer Arten. Die Verschiebung der phänologischen Phasen bei den Pflanzen wurde schon am Beispiel der Apfelblüte aufgezeigt (siehe Abbildung 2-2). Aber auch Tiere sind von den Veränderungen betroffen. Am besten beobachtet ist das Verhalten der Zugvögel. Immer häufiger kommt es vor, dass Zugvögel nicht mehr oder nicht mehr so weit in den Süden ziehen wie in der Vergangenheit. Immer mehr Amseln und Stare überwintern in Mitteleuropa. Auch Kraniche warten häufig die Witterungsentwicklung des Winters ab und machen sich nur bei sehr kalten Temperaturen auf den Weg.

      Neben den Zugvögeln gibt es auch andere Tiere, die ihr Winterverhalten verändern. Bei einigen Tierarten, die in einen Winterschlaf oder in die Winterruhe fallen, konnte in den letzten Jahren eine Tendenz zu einem kürzeren Winterschlaf beobachtet werden, und die Winterruhe wurde bei längeren Warmphasen im Winter öfter unterbrochen als früher. Auch bei Tieren, die einen Farbwechsel bei ihrem Fell vornehmen, wie etwa Schneehasen, verschiedenen Wieselarten und dem Polarfuchs, wird bei Populationen, die in nun schneelosen Regionen leben, die Weißfärbung im Winter seltener.

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