Plus zwei Grad. Helga Kromp-Kolb

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Plus zwei Grad - Helga Kromp-Kolb

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sie zu den ersten Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten, Indien und China. Aus diesen entwickelten sich die griechische und römische Kultur sowie die großen Weltreligionen, die bis in die heutige Zeit nachwirken.

       Die historische Entwicklung – eine Folge von Klimaschwankungen?

      Klimatische Veränderungen haben die Menschheit also von Beginn an begleitet und geprägt. Durch das Sesshaftwerden und die Umstellung auf Ackerbau und Viehzucht wurde die Abhängigkeit der Menschen vom Wetter und den damit verbundenen Schwankungen bei den Ernteerträgen aber verstärkt. Man konnte nicht mehr einfach den Tierherden folgen, sondern musste mit den Witterungsschwankungen fertig werden. Dies führte zur Entwicklung der Lagerhaltung, aber auch des überregionalen Warenaustausches. Damit konnten zwar Missernten von einem oder wenigen Jahren abgemildert werden – man denke an die sieben fetten und sieben mageren Jahre aus der Bibel –, längerfristige klimatische Schwankungen konnten aber mit dieser kulturellen und technischen Entwicklung nicht überbrückt werden.

      Eine deutliche Abkühlung in Europa war mitverantwortlich für den Zusammenbruch des Römischen Reiches und die daran anschließende Völkerwanderung. Diese Abkühlung setzte etwa 400 n. Chr. ein und reichte bis etwa 750. Um 535 n. Chr. gab es zudem eine weltweit spürbare Abkühlung, welche durch einen Vulkanausbruch (Rabaul auf Papua- Neuguinea) verursacht wurde. In Europa wurden speziell die Winter kälter und feuchter, sodass sich im Alpenraum die Gletscher stark ausdehnten und eine ähnliche Ausdehnung wie während des letzten Höchststandes am Ende der Kleinen Eiszeit erreichten.

      Die Vergletscherung der Alpen hat aber bereits in der letzten Phase des Klimaoptimums eingesetzt. Wir wissen dies aufgrund des Fundes eines eingefrorenen Steinzeitmenschen am Similaun-Gletscher im Ötztal im Jahre 1991. Dieser Mensch, liebevoll „Ötzi“ genannt, verstarb vor rund 5.000 Jahren und liefert Historikern wertvolle Einblicke in die Lebenswelten seiner Zeit, da sowohl seine Gerätschaften als auch seine Kleidung und sein Körper sehr gut erhalten sind. Dies liegt daran, dass die Leiche sofort eingeschneit wurde, sich dieser Schnee in Eis verwandelte und der Körper erst wieder im Jahr 1991 auftaute.

      Die Temperaturen waren während der Völkerwanderungszeit in Europa etwa 1 bis 1,5 Grad kühler als Ende des 20. Jahrhunderts. Global gemittelt war diese Temperaturanomalie deutlich geringer. Dennoch reichte dies aus, um die Lebensgrundlage ganzer Völker dermaßen zu verschlechtern, dass riesige Wanderbewegungen ausgelöst wurden. Natürlich waren die klimatischen Veränderungen nicht allein der Grund für den Untergang des Römischen Reiches und die Migrationsbewegungen während der Völkerwanderungszeit. Ein wesentlicher Faktor waren auch die Hunnen, die in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts von Asien kommend in Europa eindrangen. Warum die Hunnen gerade zu dieser Zeit ihre Heimat verließen und gegen Westen zogen, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es könnten aber letztlich auch hierbei klimatische Faktoren eine Rolle gespielt haben.

      Um 750 n. Chr. endet die Kaltphase der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters. Bei der nächsten größeren Klimaanomalie handelt es sich um eine Warmphase, um die sich viele Mythen ranken: Die mittelalterliche Warmzeit. Bei vielen Diskussionen vertreten Menschen die Meinung, dass es während der mittelalterlichen Warmzeit deutlich wärmer gewesen sei als heute. Als Argument wird dann gerne verwendet, dass es im Alpenraum viele Flurnamen gibt, die darauf hinweisen, dass dort im Mittelalter Wein angebaut wurde. Weiters wurde zu der Zeit ja auch Grönland von den Wikingern besiedelt und manchmal wird gar behauptet, dass Grönland zu dieser Zeit vollkommen eisfrei gewesen sei.

      Das ist so nicht korrekt. Das grönländische Eisschild ist im Mittel 1.500 Meter dick. Der Jahresniederschlag beträgt an der grönländischen Küste in etwa 750 Liter pro Quadratmeter und im Landesinneren weniger als 500. Selbst wenn der ganze Jahresniederschlag zu Eis würde, ergäbe dieser eine Eisschicht mit weniger als einem halben Meter Dicke pro Jahr. Es würde daher mehr als 3.000 Jahre dauern, um den grönländischen Eisschild auf das heutige Ausmaß anwachsen zu lassen. Die Wikinger siedelten nur an der Südspitze sowie an der südlichen Westküste von Grönland und diese Gebiete sind auch heute eisfrei. Es stimmt aber, dass einige der Wikingergräber im heutigen Permafrostboden liegen. Es wäre für die Wikinger unmöglich gewesen, diese Gräber im Permafrost anzulegen. Daher kann dieser Boden im Mittelalter nicht gefroren gewesen sein. Zumindest in diesem Teil Grönlands war es im Mittelalter also wärmer als heute.

      Die mittelalterliche Warmzeit begann um 900 und endete um 1350, wobei man nicht von einer einheitlich warmen Phase sprechen kann. Die Erwärmung war im Nordatlantik besonders stark ausgeprägt, was um 900 zur Besiedlung Islands durch die Wikinger führte. Um 1100 erreichen sie die Südspitze Grönlands. In Europa war es zwar auch deutlich wärmer als in der Zeit davor und danach, jedoch wurde das heutige Temperaturniveau nur punktuell, nicht über einen längeren Zeitraum (30 Jahre) erreicht. In den wärmsten Phasen war es etwa so warm wie am Ende des 20. Jahrhunderts, wobei diese Warmphasen regional unterschiedlich auftraten und auch immer wieder sehr kalte Jahre dazwischen vorkamen.

      Die Ursachen für diese Warmphase liegen in den Atlantischen Meeresströmungen und deren Wechselwirkung mit der Atmosphäre. Daher ist die Erwärmung auch in den Küstenregionen des Nordatlantiks am stärksten ausgeprägt. Global zeigen viele Regionen, speziell die Tropen, in dieser Periode keine Temperaturanomalie, sodass die globale Mitteltemperatur deutlich kälter war als heute.

      Was den Weinanbau in vielen Alpenregionen betrifft, stimmt es, dass dieser im Mittelalter weit verbreitet war. Hintergrund dafür ist aber nicht, dass der Wein so gut gewachsen ist und eine so hohe Qualität hatte. Schon ab der Römerzeit erfolgte die Christianisierung des Alpenraums. Für die Abhaltung der Gottesdienste wurde unbedingt Wein benötigt. Da das Straßennetz im Mittelalter wesentlich schlechter war als zur Römerzeit, war der Transport von Wein extrem teuer. Daher versuchte man überall, wo christliche Kirchen errichtet wurden, auch einen Weingarten anzulegen. Hierfür wurden die sonnigsten und wärmsten Plätze ausgewählt und man investierte sehr viel Arbeit in die Pflege und den Schutz der Weingärten. Zudem war die Qualität des Weines nachrangig. Es war nur wichtig, dass der Traubensaft so viel Zucker produzierte, dass es für eine alkoholische Gärung reichte. Mit dem heutigen Standard der Weinqualität hatte dieses Getränk nichts zu tun.

      Im 14. Jahrhundert begann sich das Klima wieder abzukühlen. Diese Kaltphase reichte mit einigen zeitlichen und räumlichen Unterschieden bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts und wird auch als „Kleine Eiszeit“ bezeichnet. Die Kleine Eiszeit kann weltweit nachgewiesen werden. Aus Temperaturrekonstruktionen für die Nordhalbkugel aus Eisbohrkernen, Baumringanalysen und mit anderen Methoden konnte gezeigt werden, dass die Temperatur um etwa 0,5 bis 0,8 Grad kälter wurde als in der mittelalterlichen Warmzeit. In Europa wurden speziell die Winter kälter. Wir kennen aus dieser Zeit Gemälde von den zugefrorenen Grachten in Holland, auf denen die Menschen eislaufen, oder von der zugefrorenen Themse in London.

      Im Alpenraum kam es zu einem Anwachsen der Gletscher; diese erreichten zur Mitte des 17. und des 19. Jahrhunderts neue Maximalstände. Die Gletscher drangen auch in von Menschen genutzte Regionen vor, wie etwa die „übergossene Alm“ am Hochkönig. Um 1850 erreichte der Gletscher des Hochkönigs eine Fläche von 5,5 Quadratkilometern und bedeckte damit auch zuvor für die Viehhaltung genutzte Almflächen. Inzwischen hat sich der Gletscher wieder weit zurückgezogen und ist in kleine Eisflecken zerfallen.

      In Europa kam es während der Kleinen Eiszeit immer wieder zu Missernten und dadurch ausgelöste Hungersnöte. Ein Beispiel dafür ist die große Hungersnot in Irland von 1845 bis 1852. Die irische Bevölkerung ernährte sich im 19. Jahrhundert überwiegend von Kartoffeln. Durch die feucht-kühle Witterung am letzten Höhepunkt der Kleinen Eiszeit wurde die Ausbreitung der Kartoffelfäule, einer Krankheit, die aus den USA eingeschleppt wurde, begünstigt und die Ernten brachen ein. Schätzungen gehen davon aus, dass während dieser Hungersnot etwa eine Million Iren gestorben sind und 1,5 Millionen auswanderten, vor allem nach Nordamerika.

      Die

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