Zügellos. Dominique Manotti
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Kompetent. Entspannt. Ein Journalist spricht von »Putsch«. Sie reagiert gereizt.
»Wie kommen Sie dazu, dieses Wort zu benutzen? Das Ganze wurde auf der Aktionärshauptversammlung entschieden, vollkommen transparent. Unser Unternehmen funktioniert beispielhaft demokratisch.«
»Wie man sich erzählt, kennen Sie den neuen Geschäftsführer schon lange …«
Agathe neigt den Oberkörper vor, setzt ein strahlendes Lächeln auf und sagt betont ironisch: »Ich weiß sehr wohl, was man sich in einschlägigen Kreisen erzählt, werter Herr, und es ist mir schnuppe.«
»Brillant, die PR-Chefin«, raunt ein Journalist seinem Nachbarn zu.
Das sehr lockere Gespräch geht noch eine halbe Stunde weiter, das Publikum ist wie gebannt. Mit einem Mal ist es spät. Die Journalisten brechen auf. Lästige Fragen wird es auf der morgigen Pressekonferenz eher nicht geben. Und in den nächsten Tagen keinen einzigen gegen Jubelin gerichteten Artikel.
Agathe tritt an das große Fenster. Es ist vollbracht. Die Spannung löst sich. In ihrer Brust ein fast schmerzhaftes Gefühl von Leere. Die Sonne geht unter. Hier und da Lichtreflexe auf den Büroturmfassaden. Zur Linken Paris, fern, die ersten Lichter leuchten. Rechts die Grande Arche, Scheinwerfer, man arbeitet Tag und Nacht, um die Bauarbeiten bis zum 14. Juli abzuschließen. Dicke Scheiben, nicht ein Laut. Endlich eine gewisse innere Ruhe. In dieser Höhe kann mich nichts mehr treffen.
Montag, 26. Juni 1989
Vollmond über den Stallungen und dem angrenzenden Wald, Kühle entsteigt den Bäumen. Die Pferde schlafen bei offenen Klappen in ihren Boxen, manche liegend, manche im Stehen. Andere kauen ein paar Halme Stroh. Wenig Geräusche, hier und da ein Rascheln. Und Seufzer.
Ein Mann geht eine Boxenreihe entlang, weißer Kittel, grüne, um die Knöchel etwas zu weite Gummistiefel. Er trägt einen schweren Eisenklotz in der einen Hand, dazu zwei Kabelrollen. Vor einer Box bleibt er stehen, setzt seine Last ab, öffnet die Tür. Ein lebhaftes kleines schwarzes Pferd bläht die Nüstern, beschnuppert die Hand. Der Mann streicht ihm über den Nacken, krault den Ohransatz, betrachtet das Tier prüfend. Dann macht er die Tür wieder zu und hantiert an dem Metallklotz. Schließt ein Kabel an eine Steckdose an, zwei weitere Kabel, eins rot, eins blau, sind mit Klemmen verbunden. Mit den Klemmen in der Hand geht er zurück in die Box. Das Pferd hebt den Kopf. Er tätschelt seinen Hals, spricht ihm sanft zu. Vertrauensvoll taucht das Pferd die Nüstern wieder ins Stroh. Eine Klemme ins Innenohr. Das gekitzelte Pferd schüttelt den Kopf.
»Ruhig, mein Feiner, alles ist gut.«
Das Pferd beruhigt sich. Eine Klemme unter den Schwanz, das Pferd zuckt zusammen, dreht irritiert den Kopf zu dem Mann, der den Sitz der Klemme überprüft und hinausgeht. Er drückt einen Schalter am Transformator. Ein gewaltiger Ruck geht durch das Pferd, hebt es vom Boden, irrer Blick, der ganze heillos überstreckte Körper ist schlagartig schweißnass, sackt dann lautlos zusammen, die offenen Augen blicken leer. Der Mann tritt hinzu, überprüft, ob das Pferd tot ist, zieht die Klemmen heraus, wickelt die Kabel ordentlich auf und geht mit seiner Ausrüstung fort.
Sonntag, 9. Juli 1989
Es ist fast 14 Uhr an diesem Sonntag und Romero ist gerade aufgewacht. Mit nacktem Oberkörper und in hautenger schwarz-weißer Unterhose sitzt er auf dem Boden vor dem großen Fenster seiner Wohnung, zwei Zimmer im achten Stock hoch über dem Quai de la Loire, sehr luftig und sehr sonnig, freier Blick auf Montmartre und den nördlichen Pariser Stadtrand. Neben ihm eine junge Frau im Schlabbershirt, das Gesicht hinter buschigen braunen Locken verborgen. Aus großen Gläsern essen sie Mokkaeis in Café frappé und Butterkekse. Von Zeit zu Zeit taucht Romero einen Finger in sein Glas und malt der jungen Frau Mokkaeisstriche aufs Gesicht, die er dann sorgfältig ableckt, was sie zum Lachen bringt.
»Zieh dein T-Shirt aus.«
Das Mädchen kommt der Aufforderung nach. Romero malt mit Eis zwei Kreise um die Warzenhöfe, beugt sich über die kühlen, harten Brustwarzen. Das Telefon klingelt. Er steht murrend auf.
Eine Frauenstimme mit leichtem spanischem Akzent. »Inspecteur Romero?«
Romero verzieht das Gesicht und dreht dem Mädchen den Rücken zu, um sich auf seine Gesprächspartnerin zu konzentrieren. »Ja, Paola, ich bin’s. Was gibt’s?«
»Inspecteur, kommen Sie her, ich muss Ihnen jemanden zeigen, es ist wichtig.« Im Hintergrund hört Romero den Lärm einer Menschenmenge. »Ich bin auf der Rennbahn von Longchamp, in der Wetthalle, Schalter 10.«
»Ich bin in einer halben Stunde da.«
»Machen Sie schnell. Es eilt.«
Er legt auf, dreht sich um. Die junge Frau sitzt immer noch auf dem Boden, an die Wand gelehnt, und rollt ihre Brustwarzen spielerisch zwischen den Fingern. »So einfach kommst du mir nicht davon.«
Er geht auf alle viere und trinkt die salzigen und nach Lavendel duftenden Schweißtropfen, die zwischen ihren Brüsten hinabperlen. »Diese Brüste gehören mir.«
Er drückt die junge Frau auf den Teppich, keine Zeit für Raffinessen, und außerdem mag er’s so, erst packt einen die Leidenschaft, und danach dieses totale Wohlgefühl.
Schnell duschen, kämmen, er zögert, blickt zur Uhr, schon Viertel vor drei, dann eben unrasiert. T-Shirt, Jeans, Turnschuhe. Revolver und Papiere nicht vergessen. Dünne Jacke. Blick in den Spiegel: groß, schlank, dunkler Typ, gutaussehend, zufrieden mit sich, alles bestens.
Das Mädchen hat sich nicht gerührt. Sie liegt vor dem Fenster in einem Fleck Sonne auf dem Bauch und döst vor sich hin. Er streichelt ihre Lenden.
»Ich brauch nicht lang. Wartest du auf mich?«
Keine Antwort.
Romero betritt die große Wetthalle der Rennbahn von Longchamp. Halb vier. Beton, Tristesse, auf dem Boden Zettel. Im Moment ist wenig los, das Publikum lärmt auf den Tribünen. Ein paar einzelne Besucher drücken sich lieber vor den Fernsehschirmen herum, wechseln enttäuscht ein paar Worte. Bei Schalter 10 ist niemand.
Das Rennen ist vorbei, das Publikum flutet die Halle, eilt zu den Schaltern. Stimmengewirr, zerknitterte Zeitungen, Flaschen- und Gläserklirren an der Bar. Romero erkennt den Hintergrundlärm wieder, der sich vorhin bei Paolas Anruf in der Leitung breitmachte.
Aber immer noch keine Paola bei Schalter 10. Von einer unbestimmten Unruhe erfüllt, geht er in der Halle umher. Eine Falle? Unwahrscheinlich. Lehnt sich trotzdem an eine Wand zwecks Absicherung nach hinten, lässt die Jacke offen und den Blick kreisen. Klingeln, Ende der Wettannahme. Die Menge strömt zurück auf die Tribünen, immer noch niemand bei Schalter 10. Rückblende auf das Gesicht mit den Mokkaeisstrichen, die aufgerichteten, leuchtend rosa Brustwarzen. Und ein mulmiges Gefühl. Blick auf die Uhr, 15 Uhr 40. Genau in diesem Moment kommt am anderen Hallenende eine Frau schreiend aus der Toilette gerannt.
Commissaire Daquin betrachtet den Leichnam der jungen Frau, der auf dem Klo sitzt, leicht nach links geneigt am Wasserkasten lehnt. Ihr wurde die Kehle durchgeschnitten. Halsschlagader durchtrennt, klaffende frischrote Wunde, Luftröhre gekappt, Knorpel zersplittert, weißlich auf Tiefrot, ein Goldkettchen mit Kreuz auf dem Wundrand. Das Blut