Zügellos. Dominique Manotti

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Zügellos - Dominique  Manotti

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die begrabenen Hoffnungen vom Tian’anmen-Platz.

      Deluc hakt Agathe und Nicolas unter. »Das Schaulaufen der Verlierer ist immer öde.«

      »An deinen Zynismus kann ich mich nicht gewöhnen.«

      »Lieber Freund, ich bin nicht zynisch. Nur realistisch. Und ich für meinen Teil verwechsle nicht Show mit Politik.« Er zieht sie zu einem Buffet. »Champagner für alle. Diese Parade der Superlative zur Feier unseres ganz persönlichen Jahrestags. Ihr wisst doch noch? Vor genau zwanzig Jahren haben wir Rennes verlassen und sind nach Paris gegangen. Das gehört gefeiert.«

      Agathe blendet zurück zu jenem letzten Abend in Rennes. Deluc floh, sie stürzte, wurde von den Bullen geschnappt, aufs Kommissariat geschleppt, von einem Inspektor gevögelt … Muss man auf diese glorreiche Nacht Champagner trinken? Sie lässt den Blick über die Party schweifen. Was vergangen ist, ist vergangen, und zum Champagnertrinken ist jeder Anlass recht.

      Die Gäste pendeln zwischen Buffets und Fenstern, zwischen erstem und zweitem Stock. In den schallisolierten Hinterzimmern Musik aus einer Hi-Fi-Anlage, einige Paare tanzen.

      Auf der Place de l’Étoile ziehen nach den französischen Provinzen jetzt Amerikaner, Russen, Schotten zum Klang von Drehleiern, Querpfeifen, Dudelsäcken und unter unentwegtem Trommelgedröhn vorbei.

      Agathe hat sich wieder zu Jubelin und seinen italienischen Freunden gesellt. Ballestrino berührt Rentas Arm und sieht ihn an. Stummes Zwiegespräch. Renta verneigt sich förmlich vor Agathe. »Darf ich Sie um einen Tanz bitten?«

      Er ist etwa fünfunddreißig, mittelgroß, dunkles gegeltes Haar. Taillierter grauer Alpakaanzug, blassgraues Seidenhemd und eine sehr farbenfrohe breite Krawatte. Agathe findet ihn eine Spur ganovenhaft und nimmt amüsiert den ihr gebotenen Arm. Sie gehen zu den Hinterzimmern.

      Als sie weg sind, begibt sich Mori mit Ballestrino, Galliano und Jubelin zu einem Buffet in einer wenig frequentierten Ecke. Sie machen sich über die kalten Platten her und reden übers Geschäft. Ein paar Bemerkungen über die zurückliegende Hauptversammlung. Und über die Entwicklungsaussichten der PAMA. Tour d’Horizon. Schnell ist man wieder bei Japan. Die Transaktion mit dem Hôtel des Maréchaux ist ein erster Kontakt mit dem Pazifikraum. Bevor man aber eine Strategie entwickelt, wie man im Fernen Osten mitmischen kann, gehört zunächst das Europa-Geschäft konsolidiert. Mori nickt zustimmend.

      »Übrigens«, sagt Ballestrino, »mein Freund Galliano hat mir von einem hübschen Deal erzählt, der in München zu machen ist.«

      Jubelin an Galliano gewandt: »Worum handelt es sich?«

      »Um die A.A. Bavaria, eine mittelgroße Versicherung, ein gesundes, in der Region gut eingeführtes Familienunternehmen, das Geschäftsbeziehungen zu bestimmten ostdeutschen Kreisen unterhält, und das ist Gold wert jetzt, wo sich im Ostblock langsam etwas bewegt.«

      »Sogar in der DDR?«

      »Viel mehr, als man hierzulande meint. A.A.-Aktien notieren gegenwärtig ziemlich hoch, könnten aber, wenn wir das wollen, in den kommenden Monaten signifikant fallen. Und eine Übernahme leicht und zugleich rentabel machen.« Hintersinniges Lächeln. »Das ist kein Geschäftsangebot, sondern ein Gefallen.«

      »Warum machen Sie es nicht selbst, Mori?«

      »Mein Konzern ist industriell ausgerichtet. Auf dem Versicherungssektor genügt mir meine Beteiligung an der PAMA.«

      Jubelin wendet sich Galliano zu und zückt seinen Terminplaner. »Vereinbaren wir noch ein Treffen vor Ihrer Abreise nach München?«

      Sie kehren an die Fenster zurück. Jubelin grüßt einen engen Mitarbeiter des Finanzministers, der ihm überschwänglich die Hand drückt. Gratulation. Auf einem Wagen von imposanten Ausmaßen eine etwa dreißig Meter lange Dampflokomotive, ringsherum trommeln Les Tambours du Bronx, entfesselt, ohrenbetäubend, ohne dass jemand ihnen Beachtung schenkt.

      Agathe tanzt mit Renta. Viel südamerikanische Rhythmen und West-Coast-Klänge. Er tanzt gut und macht ihr anstandshalber ein bisschen den Hof. Seine Krawatte trägt den Schriftzug Yves Saint-Laurent. Also doch mehr Langweiler als Ganove. Eine flinke Drehung, ein Lächeln und weg ist sie, Abstecher zu den Toiletten, eine kleine Line, dann zurück zu den Fenstern und dem Spektakel.

      Sie trifft auf Deluc, der sich, Zigarette im Mundwinkel – eine dieser stinkenden kleinen indischen Zigaretten, die er seit seinem Beirut-Aufenthalt gewohnheitsmäßig raucht –, mit einem Abgeordneten der Opposition angeregt über den Höhenflug der Pariser Börse und der Immobilienpreise unterhält. Der Abgeordnete küsst feierlich Agathes Hand und beginnt ihr die jüngsten Ereignisse bei der PAMA zu erklären. Er hat ganz offenkundig einen in der Krone. Deluc nutzt die Gelegenheit und verdrückt sich, der Hund.

      Vor einem der Fernseher sehen Jubelin, Nicolas und Ballestrino zu, wie Jessye Norman auf der Place de la Concorde die Marseillaise anstimmt. Nicolas wendet sich Ballestrino zu.

      »Ich habe gehört, Sie besitzen in der Nähe von Mailand ein Gestüt.«

      Hocherfreut: »Das stimmt. Einige Siegerpferde bei Flachrennen kommen aus meiner Zucht. Zwei meiner Fohlen sind letzten Sonntag in Longchamp gelaufen.«

      Jubelin hakt ein: »Wie sich das trifft. Pferde sind meine Leidenschaft. Ich habe mehrere im Training.«

      »Bei wem?«

      »Meirens, in Chantilly.«

      »Kenne ich. Wenn Sie gelegentlich in Mailand sind, wäre es mir eine Freude, Sie durch meinen Zuchtbetrieb zu führen.«

      Nachdem Agathe sich nicht ohne Mühe des beschwipsten Abgeordneten entledigt hat, erspäht sie Nicolas und Jubelin, die etwas abseits vom Trubel in einer Ecke hitzig diskutieren. Als sie sich nähert, verstummt das Gespräch. Nervös sagt Jubelin zu Nicolas: »Wir reden in meinem Büro weiter.«

      Nicolas nimmt Agathes Arm. »Gehen wir hoch in den zweiten und sehen uns das Ende der Parade an.«

      Das ist jetzt der Clou des Spektakels. Frauen stehen auf hoch aufragenden Sockeln, die mechanisch vorrücken und sich im Walzertakt drehen. Sie thronen in sehr großer Höhe über dem Boden, tragen Hüte mit überdimensionierten Krempen, Krinolinen in Form meterbreiter, bis zur Erde reichender Blütenkelche und halten ein Kleinkind im Arm. Agathe betrachtet diese priesterlichen Riesinnen, die sie als bedrohlich empfindet. Unerklärliches Unbehagen.

      Der Festzug nähert sich dem Ende. Perrot geht von Gruppe zu Gruppe. Für Männer ohne Begleitung ist in seinem Restaurant, gleich um die Ecke in der Rue Balzac, ein Abschluss des Abends in galanter Gesellschaft geplant. Nicolas sagt zu, Jubelin ist klug und lehnt die Einladung ab.

      Kurz vor Mitternacht, schmale Mondsichel, Wolken, viel Wind, in den Ställen ist es dunkel, fast hundert Boxen im Karree um einen großen Hof zwischen Ebene und Wald. Die Bäume ächzen bei jeder Bö, die Gebäude knarren, die Pferde regen sich, hin und wieder ein Hufschlag. Auf einer der Karreeseiten haben die Stallburschen direkt über den Boxen ihre Zimmer. Zwei Fenster sind noch erleuchtet.

      Den Zimmern gegenüber in einem dunklen Winkel eine leise Explosion, kaum mehr als ein Knallfrosch, ein Funkenregen, dann eine leuchtend gelbe Flamme, ein kleines Feuer züngelt am Eingang einer Box, breitet sich aus, klettert knisternd die Tür empor. Die Pferde werden unruhig. Bei den Stallburschen gehen ein paar Lichter an. Angstvolles Wiehern,

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