Zügellos. Dominique Manotti

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Zügellos - Dominique  Manotti

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Helfern, die ihm der Chef des Kommissariats zugeteilt hat.

      »Lassen Sie die Tür offen, die jungen Damen möchten dem Schauspiel beiwohnen.«

      Ein Polizist an der Schreibmaschine. Der andere sitzt auf der Schreibtischkante, Daquin steht.

      »Dein Name?«

      »Ich verbiete Ihnen, mich zu duzen.«

      Daquin fegt ihm die Beine weg, drückt ihm eine Hand ins Genick. Der Junge landet auf den Knien, Daquin schlägt seine Stirn nicht allzu kräftig auf die Schreibtischkante. Die Haut reißt auf. Blutstropfen zerplatzen auf dem Fußboden.

      »Hör zu, Idiot«, mit einer Hand hält er den Kopf zu Boden gedrückt, »du kapierst nicht, was Sache ist. Du hast nicht Catherine Deneuve gebumst. Du hast keine Milliarden geklaut. Du hast Transvestiten im Bois de Boulogne Briefchen mit gestrecktem Kokain verkauft, vermutlich gegen ein paar Gratisnummern. Papa kann nichts für dich tun, deine Geschichte ist zu schmuddelig, als dass er sie in den Salons des Élysée erzählen könnte. Klar?«

      Daquin packt ihn am Kragen, stellt ihn wieder aufrecht hin und tritt ein Stück zurück. »Und jetzt dein Name.«

      »Olivier Deluc.« Blut rinnt aus der Nase, berührt den Mundwinkel, er fährt mit der Zunge darüber, um es zu schmecken.

      »Geburtsdatum und -ort, Adresse.«

      Er gibt die gewünschten Auskünfte.

      »Zieh dich aus.«

      Der andere sieht ihn mit offenem Mund an.

      Daquin geht auf ihn zu. »Bist du taub?«

      Mit zögerlichen Bewegungen beginnt er sich auszuziehen. Den Geschmack von Blut im Mund.

      »Schneller. Auch die Unterhose.«

      Er ist jetzt nackt. Daquin zu dem Polizisten auf der Schreibtischkante: »Leibesvisitation, ziehen Sie die Handschuhe an.« Zu dem Jungen: »Mund auf.«

      »Das können Sie nicht machen.«

      »Nein?«

      Daquin stellt sich hinter ihn, drückt ihm von beiden Seiten aufs Kiefergelenk und hält gleichzeitig seinen Kopf in Position. Durchdringender Schmerz in Ober- und Unterkiefer, der Mund geht auf. Der Polizist fährt mit einem Finger zwischen Zahnfleisch und Lippen und unter der Zunge entlang. Nichts.

      Daquin löst den Griff und diktiert dem Polizisten hinter der Schreibmaschine: »Wir haben eine Leibesvisitation durchgeführt …« Zu dem Jungen: »Jetzt beug dich vor, Hände auf den Schreibtisch, Beine auseinander.« Derselbe Polizist, immer noch mit Handschuhen, untersucht den After. »Huste. Bestens.« Zum Polizisten an der Schreibmaschine: »… und nichts gefunden. Der Verdächtige war also bei seiner Festnahme im Besitz von sechs Briefchen Kokain.«

      Das Blut läuft den Hals hinab, auf die Schulter. Mit tränennassen Augen streckt der Junge die Hand nach seiner Hose aus. Daquin fährt schroff dazwischen.

      »Du ziehst dich an, wenn ich es dir sage. Vorher verrätst du mir den Namen deines Lieferanten. Sagst du ihn mir, betrachte ich dich als Konsumenten. Andernfalls als Dealer. Sechs Briefchen sind dafür mehr als genug. Soll ich dir den Unterschied erklären?« Der Junge schüttelt schniefend den Kopf. »Außerdem bereitet es eine gewisse Lust, jemanden bei den Bullen zu verpfeifen, es wird dir gefallen. Los jetzt, wir hören.«

      Er murmelt etwas.

      »Lauter, ich hab nichts verstanden, und die jungen Damen, die dir zusehen, auch nicht.«

      »Senanche. Er ist Stallbursche bei Meirens, einem Rennstall in Chantilly.«

      »Wie finde ich ihn?«

      »Ein runzliger kleiner Alter, der sich jeden Morgen gegen sechs, wenn die Jockeys kommen, vor den Ställen rumtreibt.«

      »Hat er viele Kunden?«

      Blick nach links, Blick nach rechts, immer noch nackt, es hinter sich bringen. »Etwa ein Dutzend, denke ich.«

      »Wie hast du ihn kennengelernt?«

      »Manchmal reite ich morgens Pferde zum Training.«

      »Du kannst dich wieder anziehen. Unterschreib deine Aussage, bevor du gehst. Und lass dich hier im Viertel nicht mehr blicken.«

      Daquin zieht beim Hinausgehen die Bürotür hinter sich zu. Die Transvestiten applaudieren ihm stürmisch. Eine hinreißend schöne, muskulöse Schultern und schwindelerregendes Dekolleté, lange Beine auf hohen Absätzen: »Wenn Sie zu mir kommen, Commissaire, mach ich’s Ihnen gratis.«

      Daquin streicht auf Höhe ihres Gesichts mit der Hand übers Gitter und lächelt sie an. »Bist ’ne viel zu schöne Frau für mich.«

      In dem Wagen, der ihn nach Hause fährt, lässt er die Gedanken schweifen. Rennpferde, Kokain, auf einer Rennbahn wurde im Juli Paola Jimenez ermordet. Zufall? Vielleicht nicht. Eine Gelegenheit, den Faden wieder aufzunehmen … Wer weiß? Ich werde darauf zurückkommen. Dann plötzlich: »Fahren Sie über Montrouge, ich kenne da eine Bäckerei, die sonntags um diese Zeit geöffnet hat, ich will Croissants kaufen.«

      Die automatischen Schiebetüren öffnen sich quietschend. Daquin betritt die vertraute Welt des Krankenhauses. Lenglet wurde wieder eingeliefert. Und diesmal, sagt er, zum letzten Mal. Lenglet, der unverbrüchliche Freund seit Jugendtagen. Die gleiche Auflehnung gegen die Familie, die gleichen sexuellen Erfahrungen, die gleichen intellektuellen Vorlieben, das gleiche Studium. Danach Diplomaten- und Geheimdienstlaufbahn, während Daquin sich für die Polizei entschied. Aus den gleichen Gründen. Bei ihren zufälligen Begegnungen stets Komplizenschaft und Kooperation, ein ständiger Drahtseilakt zwar, weil die Interessen eben nicht die gleichen waren, aber auch klug, anregend, unverzichtbar. Verurteilt zu einem Leben ohne dich, mein Doppelgänger, mein Zwilling.

      Beim Gang durch den Flur kurzer Austausch mit der Krankenschwester: So schlimm diesmal? Sie nickt. Daquin erinnert sich an seinen Lachanfall, als er das erste Mal vom »Schwulenkrebs« hörte. Schnell gefolgt vom Wissenwollen und dem unverrückbaren Entschluss, sich in der Lust niemals vom Tod faszinieren zu lassen. Aus purer Provokation am Leben zu bleiben. Er betritt das Krankenzimmer. Lenglet liegt da, verloren im Weiß, Augen geschlossen, eingefallenes, entstelltes Gesicht. Daquin hat wieder seine Kindheit vor Augen, seine Mutter, langsamer systematischer Selbstmord durch Alkohol und Medikamente. Sein Vater sieht ihr dabei zu. Eiskalt. Erleichtert. Ein vorprogrammierter, in Kauf genommener Tod. Ich, niemals. Daquin beugt sich übers Bett. Ich verzeih dir nicht, dass du stirbst. Und dass du dir diesen Tod ausgesucht hast.

      Lenglet öffnet die Augen, sieht ihn an. Er spricht mit atemloser Stimme, mit einem wackligen Lächeln, einer gewissen Selbstironie. »Angst, Théo?«

      Daquin betrachtet die fast durchscheinenden eleganten Hände. Natürlich habe ich Angst. Du machst mir Angst. Thema wechseln.

      »Ich bin müde. Der Druck auf das Drogendezernat ist groß. Amerikanische wie französische Politiker halten hysterische Reden, in denen sie die Drogenhändler als Staatsfeind Nr. 1 unserer Zivilisation ausmachen …«

      »Es muss doch ein Ersatz für die kommunistische Bedrohung

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