Abpfiff. Dominique Manotti

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Abpfiff - Dominique  Manotti

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gerade ein Gläschen Roten, um die guten Beziehungen zur lokalen Bevölkerung zu pflegen, als ein schwarzes Motorrad angerast kommt und mit quietschenden Reifen vor Block C, Aufgang A hält. Zwei Männer, schwarze Montur, schwarzer Helm, steigen ab. Einer von ihnen nimmt eine Maschinenpistole aus der Satteltasche und streckt sie zum Zeichen des Triumphs zweimal zu den Fenstern des Gebäudes hoch, dann stürmen die beiden ins Treppenhaus.

      Die Kontaktbeamten blicken sich an, ein Wink zum Wirt: keine Sorge, sind gleich zurück, sie überqueren die Straße, betreten vorsichtig das Gebäude und folgen den Unbekannten in respektvollem Abstand. Nicht schwer, die lachen und rangeln auf der Treppe, grölen unzusammenhängende Satzfetzen. Ein Stockwerk, zwei, drei, dann ihre Schritte im vierten und eine zuschlagende Tür. Die Kontaktbeamten warten einen Moment, steigen hoch in den Vierten, Hand an der Waffe, gehen mit gespitzten Ohren an den Türen entlang. Wohnung 406, kein Zweifel, die beiden Männer sind dort, man hört sie reden, zwei weitere Stimmen, sehr viel gedämpfter, vermutlich weiblich, dann schlagartig ohrenbetäubende Musik. Heavy Metal, flüstert der jüngere Polizist seinem Kollegen zu, der aufs Geratewohl nickt. Sie machen kehrt, schneller Rückzug ins Café-Tabac, Anruf beim Kommissariat von Argenteuil. Es ist genau 11 : 05 Uhr.

      Der wachhabende Brigadier leitet die Meldung an verschiedene Polizeistellen weiter und landet schließlich bei dem Doppelmord im wenige Kilometer entfernten Levallois.

      Daquin und Lavorel treffen am Tatort ein. Ein breiter Gehweg vor dem Eingang einer Ladenpassage, eigentlich ein ganzes Passagennetz mit Dachgarten, hinter dem drei eher luxuriöse Wohntürme aufragen.

      Der Verkehr wird über eine Fahrbahnhälfte umgeleitet, der Tatort ist abgesperrt. Die Leichen wurden bereits weggebracht, nur zwei plumpe Kreideumrisse sind noch da, passend zu zwei dunklen Flecken, der eine groß, der andere kleiner, wie Spuren der Abwesenheit. Und ein paar versprengte Gegenstände, die ein Mann sorgfältig fotografiert. Ein Schlüsselbund. Vermutlich Romeros. Er muss ihn in der Hand gehabt haben. Sein Wagen parkt noch gut fünfzig Meter weiter auf der anderen Straßenseite. Einige Schritte von den Umrissen entfernt ein Damenarmband, aus Gold, wie es scheint, eine Haarspange aus Horn, eine blutverschmierte Plastiktüte, Kratzer und Löcher im Asphalt sowie großflächig verstreute dicke Scherben. In der Brasserie suchen Experten nach Einschusslöchern.

      Daquin blickt auf, fast erleichtert, Romeros Leiche nicht sehen zu müssen. Mit dem Tod der Meinen bin ich noch nie klargekommen. Rund um den abgesperrten Bereich drängt sich eine kleine Menschenmenge, viele Frauen, vermutlich Angestellte der Ladengalerie, neugierig, fasziniert, entzückt. Es hat sich schon herumgesprochen, dass ein Polizist erschossen wurde. Von irgendwoher aufgetauchte kleine Jungs machen sich einen Spaß daraus, die Absperrgrenze zu übertreten, ein, zwei, drei Schritte, Sprung zurück, dann verschwinden sie lachend. Bloß nicht denken, dieser Abwesenheit keinen Namen geben. Keine Phrasen. Er dreht sich zu Lavorel um, der aufrecht und mit leerem Blick dasteht.

      »Haben Sie eine Ahnung, was Romero hier wollte?«

      Lavorel zuckt zusammen. »Nicht die leiseste, Chef. Er war heute früh nicht im Büro. Er hat uns nichts gesagt.«

      Auf dem Vorplatz sind die Inspektoren und Techniker der Mordkommission mit Bedacht und präzisen Handgriffen am Werk. Daquin und Lavorel gehen zu ihnen.

      »Commissaire Daquin. Ich bin Romeros Chef beim Drogendezernat. Und das ist Inspecteur Lavorel, sein Partner.«

      Händeschütteln, gemurmelte Begrüßung, Beklommenheit. Der Staatsanwalt war da, ist schon wieder weg, er bestellt heute Nachmittag einen Ermittlungsrichter. Den Papieren zufolge, die man bei ihr gefunden hat, heißt das zweite Opfer Nadine Speck, sie ist neunzehn Jahre alt und wohnt in Lisle-sur-Seine, nicht weit von hier. Wie es aussieht, kennt man sie in dieser Ecke von Levallois, laut ersten Zeugenaussagen war sie in der Ladengalerie Stammkundin.

      »Sie trug ihre Papiere in der Jacke bei sich. Und in ihrer Jackentasche waren außerdem zwei Tütchen, laut Aufschrift Aspégic. Das müssen wir natürlich vom Labor bestätigen lassen. Etwa zwei Mal zehn Gramm.«

      Romero trifft sich mit einer Dealerin, die etwas bei sich trägt, das sehr nach Drogenproben aussieht, ohne dass irgendwer im Team davon weiß. Und er wird von Profis erschossen.

      Ein Streifenwagen nähert sich, heulende Sirenen, Vollbremsung. Die Mörder wurden geortet, in einer Wohnblocksiedlung in Argenteuil.

      Es ist 11 : 43 Uhr. Romero ist seit einer Stunde und vierzig Minuten tot.

      Eine Stunde später ist Aufgang A von Block C der Cité Gagarine von Polizeikräften umstellt.

      Die Polizisten riegeln sämtliche Gebäudezugänge ab, die Telefonleitungen werden gekappt, das gesamte Treppenhaus A und der Aufstieg zum Dach besetzt, die angrenzenden Wohnungen geräumt. Und man wartet. Die ganze Siedlung wartet. Kein Mensch, keine Regung auf den Freiflächen rings um die Wohnblocks. Niemand an den Fenstern, die die Polizisten von unten überwachen, um jeden Kommunikationsversuch mit den Belagerten zu unterbinden. Und die voll aufgedrehte Musik aus A 406 schallt weiter durch die Siedlung, ein dünner Lärmfilm über einer Stille zum Schneiden.

      Daquin und Lavorel, die an der Operation nicht beteiligt sind, setzen sich im menschenleeren Café-Tabac ganz hinten auf eine gepolsterte Eckbank mit rissigem rotem Plastikbezug. Daquin ist eine imposante Erscheinung. Über eins fünfundachtzig kompakte Muskeln, massige Statur, Rugbynacken (er trug lange die Nummer 8), kantiges, glattes, undurchdringliches Gesicht. Mehr als zehn Jahre arbeitet Romero schon unter ihm. Und jetzt dieser brutale und bedrohliche Tod. Gleich wird man etwas mehr wissen. Er überbrückt das Warten mit Cognactrinken. Lavorel, blonder Brillenträger im blauen Blazer, seit fast sechs Jahren Romeros Teampartner, hält sich an Mineralwasser. Mit Romero verbindet ihn eine Kultur, die der Banlieues der Siebziger, immerwährende Verschworenheit, liebevolle Bewunderung für den brillanten Verführer, der er selbst nie war. In Schweigen versunken, hat Lavorel auf Autopilot geschaltet. Obwohl er nicht übel Lust dazu hätte, wagt der Wirt kein Gespräch anzufangen, sondern macht sich hinter seinem Tresen zu schaffen.

      Um 14 : 15 Uhr rückt die Elite-Eingreiftruppe RAID an. Jetzt geht alles sehr schnell. Informationsabgleich mit den Verantwortlichen für die Treppenhausabriegelung. Männer aufs Dach, Männer in den Flur im vierten Stock. Akrobatisches Anbringen von zwei kleinen Wanzen an den Fensterscheiben zwecks exakter Lokalisierung der in der Wohnung befindlichen Personen. Alle im hinteren Zimmer. Von der dröhnenden Musik überlagerte diffuse Laute, sie vögeln, sagt jemand. Letzte Feinabstimmung. Eine kurze Explosion, die die Musik kaum übertönt, die Tür von A 406 liegt in Trümmern. In den folgenden zwei Sekunden springen drei Männer durch die Fenster in die Wohnung, fünf weitere drängen durch die klaffende Türöffnung, stürmen allesamt das hintere Zimmer, die Pistolen auf zwei Jungen und zwei Mädchen gerichtet, sehr jung, nackt auf einer Matratze ohne Laken. Sie werden brutal zu Boden gedrückt. Diverse Waffen, darunter die Maschinenpistole, liegen im Nebenzimmer auf dem Tisch. Ein Polizist reagiert sich ab, indem er die Hi-Fi-Anlage umtritt.

      Es ist 14 : 30 Uhr. Romero ist seit etwas mehr als vier Stunden tot.

      In einem winzigen düsteren Büro im Kommissariat von Levallois auf einer Tischseite Lavorel, auf der anderen einer der jungen Mörder, mit Handschellen an den Stuhl gefesselt. Daquin hat sich rittlings in den Hintergrund gesetzt. Für den Jungen war der Druckabbau brutal: die Explosion, die Bullen mit vorgehaltenen Waffen, der Hagel von Schlägen und Tritten, der ultraschnelle Abgang durchs Treppenhaus, splitternackt, eine Idee der RAID-Männer, die Anziehszene im Mannschaftswagen, umringt von einem Dutzend Bullen, die ihre Angst vergessen wollen. Er zittert vor Kälte und klappert unkontrolliert mit den Zähnen, ohne dass es ihm gelingt, auf Lavorel zu fokussieren, der seinerseits langsam einem fast fünfstündigen Blackout entsteigt und sehr beamtenmäßig beginnt.

      »Name, Geburtsdatum?«

      Angestrengtes

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