Abpfiff. Dominique Manotti
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Abpfiff - Dominique Manotti страница 4
»Kommen wir auf den Unbekannten an der Tankstelle zurück. Was für ein Wagen?«
»Ein weißer Clio. Das Kennzeichen hab ich mir nicht gemerkt.«
»Du tätest gut daran, sachdienlichere Angaben über den Kerl zu machen.«
Larribi konzentriert sich angestrengt. Lavorel befreit ihn von den Handschellen, er reibt sich energisch das Gesicht. »Um die fünfzig. Ziemlich groß, etwas größer als ich, schlank. Kantiges Gesicht«, er malt es mit beiden Händen in die Luft, »sehr kurzes schwarzes Haar, an der Stirn spitz zulaufend … Gerade …«, er malt erneut, »… schwarze Brauen.«
Daquin wendet sich Lavorel zu: »Bestellen Sie Dumont her, er ist der beste Phantombildzeichner, er soll mit ihm arbeiten. Geben sie ihm inzwischen ein paar kleine Glückspillen, die ihm helfen, seine intellektuellen Fähigkeiten zu reaktivieren.« Zu Larribi: »Wenn das Phantombild, das du von deinem Auftraggeber machst, uns hilft, ihn aufzuspüren, ziehen wir die Möglichkeit in Betracht, dass nicht du geschossen hast. Wenn nicht, belasten wir den einzigen Mann, der uns bleibt.«
Das Büro von Commissaire Gonzalès, Leiter des Kommissariats von Levallois, ist überfüllt und verqualmt, die Atmosphäre angespannt. Zwei Brigadiers stehen etwas verlegen am Fenster. Die beiden mit dem Doppelmord vom Morgen betrauten Inspektoren der Mordkommission, Auberger und Denoël, haben sich an einen Tisch gesetzt, vor sich eine Akte, in der sie tuschelnd blättern, während Gonzalès hinter seinem Schreibtisch lauert und auf einen Block kritzelt. Sie alle sind mit der bisherigen Ermittlungsführung recht zufrieden, aber das vor den Kollegen vom Pariser Drogendezernat zu bekunden – ausgeschlossen. Die stehen gesammelt in einer Ecke des Raums, Daquin und Lavorel nebeneinander, ein Stück dahinter Le Dem, der soeben von der Präfektur am Quai des Orfèvres 36 eingetroffene Dritte im Team.
Gonzalès räuspert sich. »Lagebericht, meine Herren.«
Inspecteur Auberger wendet sich Daquin zu und beginnt: »Die beiden Festgenommenen sind die Mörder, daran besteht kein Zweifel. Die in der Wohnung gefundene Maschinenpistole ist die Tatwaffe. In der Wohnung wurde zudem ein brauner Umschlag gefunden, vierzigtausend Franc in gebrauchten Scheinen, die von dem Auftrag stammen könnten. Außerdem sind beide geständig. Sie schieben sich gegenseitig die Hauptverantwortung zu, erzählen aber im Kern annähernd dieselbe Geschichte. Und wollen kooperieren. Die Beschreibungen des mutmaßlichen Auftraggebers hingegen stimmen nicht überein. Sie variieren zwischen dreißig bis fünfunddreißig und fünfzig Jahre, groß und schlank beziehungsweise mittelgroß ohne weitere Details, kantiges beziehungsweise eher fülliges Gesicht. Die einzigen halbwegs verlässlichen Angaben: pechschwarze Haare und Augenbrauen. Und selbst hier: Der Haaransatz ist nicht derselbe. Für Blondeau hatte der Typ einen ausländischen Akzent, aber Genaueres über die Herkunft war ihm nicht zu entlocken. Der andere weiß nicht. Ein sehr vages Phantombild also, und wenn man ihnen zum jetzigen Zeitpunkt einen Verdächtigen vorführt, droht die Identifizierung ein reines Glücksspiel zu werden. Bei zwei Junkies kaum verwunderlich. Die ersten Überprüfungen an der Tankstelle Porte de Paris haben noch nichts erbracht, weil der Angestellte, der gestern um siebzehn Uhr dort war, inzwischen gegangen ist und erst morgen um vierzehn Uhr wiederkommt. Bis dahin ist er nicht erreichbar.«
»Es stellt sich allerdings eine ernste Frage«, fährt Denoël, der zweite Inspektor, fort. »Das war keine Profiarbeit. Die Ausführenden haben für gewöhnlich nie direkten Kontakt mit dem Auftraggeber. Ist es wirklich denkbar, dass jemand solchen Armleuchtern einen Mordauftrag erteilt?«
»Stimmt schon, das Ganze wirkt etwas stümperhaft«, sagt Daquin. »Das müssen wir im Hinterkopf behalten. Folgt man aber ihrer Version, war kein Polizistenmord geplant. Und der Auftraggeber musste rasch handeln. Nadine Speck hat Romero vor zwei Tagen in der Präfektur angerufen. Wir haben in Romeros Unterlagen den Hinweis auf ein Telefonat mit ihr gefunden, unter den Initialen N.S., vergangenen Dienstag um neun Uhr dreißig. Und auf die Verabredung heute Morgen um zehn in Levallois. Kaum zwei Tage, um den Mord zu organisieren.«
Lavorel und Le Dem betrachten angelegentlich die vor ihnen liegenden Akten. Gewiss, man hat den Hinweis auf Nadine Specks Anruf und die Verabredung gefunden, allerdings in Romeros privatem Terminkalender bei ihm zu Hause, nicht im Dezernat. Und beim Datum vom letzten Dienstag hat er notiert: 9 : 30 N. S. tel. (Martinon). Und der Name Martinon ist sämtlichen Teammitgliedern gänzlich unbekannt. Aber man gibt sich keine Blöße.
Daquin fährt fort: »Achtundvierzig Stunden, um einen Mord zu planen, das ist kurz, wenn man keine Erfahrung hat und auf keine Organisationsstruktur zurückgreifen kann. Und eins müssen wir wohl zugeben: Wir wären den beiden Armleuchtern nie auf die Spur gekommen, wenn sie nicht dummerweise zwei fabelhaften Kontaktbeamten über den Weg gelaufen wären, die während der Dienstzeit einen gehoben haben. Eine recht außergewöhnliche Sachlage, nicht wahr, Commissaire?«
»Waschlappen wie die brüsten sich am Ende immer mit ihren Heldentaten, und über die Junkieszene kommt uns das irgendwann zu Ohren.«
»Sicher, aber zu spät. Außerdem sind Vorstadtpflanzen zarte Gewächse, ein Motorradunfall, eine Abrechnung, eine Überdosis … Nein, ich finde die Durchführung nicht schlecht. Wir werden nämlich noch viel Glück brauchen, um die Spur bis zum Auftraggeber zurückzuverfolgen.« Glück. Wie oft hat er zu Romero gesagt, er sei ein guter, weil vom Glück verwöhnter Polizist?
»Lassen Sie uns jetzt über das Mädchen sprechen«, sagt Gonzalès, den Blick auf eine aufgeschlagene Akte gerichtet. »Nadine Speck war neunzehn Jahre alt, sie wohnte in Lisle-sur-Seine, zusammen mit ihrem Bruder, der dort Stadionwart ist. Ein hochanständiger Typ, dem Commissaire von Lisle-sur-Seine zufolge, der ihn gut kennt, sie treffen sich regelmäßig, um Sicherheitsfragen rund um die Spiele zu besprechen. Ein Arbeitstier, nie auffällig geworden. Das Mädchen scheint keiner nennenswerten Tätigkeit nachgegangen zu sein, strafrechtlich liegt aber nichts gegen sie vor. Der Commissaire von Lislesur-Seine hat Speck persönlich vom Tod seiner Schwester unterrichtet, die er zuvor in der Leichenhalle identifiziert hatte, ohne jedoch zu sehr ins Detail zu gehen. Tatsächlich hat er ihm erzählt, dass sie wahrscheinlich zufällig getötet wurde, bei einer Abrechnung zwischen rivalisierenden Banden …«
Daquin verzieht das Gesicht. Das gefällt mir nicht. Ein Moment Schweigen. Dann sagt er mit undurchdringlicher Miene: »Wir greifen das alles morgen noch einmal auf.« An die beiden Inspektoren der Mordkommission gewandt: »Wir haben um fünfzehn Uhr einen Termin im Büro von Richter Bertrand in Nanterre. Wir werden ihn bitten, uns mit diesem Fall zu betrauen, in Zusammenarbeit mit Ihnen.«
Es ist 19 : 40 Uhr. Romero ist seit fast zehn Stunden tot.
Lavorel fährt auf direktem Weg heim nach Saint-Denis, nicht weit von Levallois. Eine Vierzimmerwohnung in einem Sozialwohnungsbau im Stadtzentrum, neben der Basilika. Seine Frau Francine ist Grundschullehrerin und Stadträtin. Als er zur Tür hereinkommt, sind sie und seine beiden vier- und sechsjährigen Töchter gerade in der Küche und essen unter fröhlichem Gelächter Crêpes, die die Ältere nach Bedarf frisch bäckt. Die Jüngere hat eine Zuckerschnute. Der Clan der Frauen.
»Wir haben nicht so früh mit dir gerechnet, du hast nicht angerufen, dass du zum Essen zu Hause bist …«, sagt Francine und stockt. »Geht’s dir nicht gut?«
Sie lässt die Mädchen in der Küche allein, schließt die Tür, zieht ihn ins Schlafzimmer. Sie ist ein solcher Halt. Es ist nicht sicher, dass er nicht geweint hat. Eine Stunde später schläft er traumlos, vollgestopft mit Schlafmitteln.
Daquin ist ins Drogendezernat am Quai des Orfèvres 36 zurückgefahren. Er lehnt in seinem Sessel, die Füße auf dem Schreibtisch, der Geist träge. Wie viele Cognacs seit heute früh? Mindestens ein Dutzend … Romero auf offener Straße erschossen, dazu eine Unbekannte und Kokain. Hört sich zu Gonzalès sagen: Ein