Abpfiff. Dominique Manotti
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Abpfiff - Dominique Manotti страница 3
Durch die Wand hört man Stimmen und undefinierbaren Lärm.
»Dein Freund«, sagt Lavorel mit einem mehrdeutigen Lächeln. »Wohnhaft?«
»Ich wohne in der Cité Gagarine in Argenteuil, Block C, Aufgang A, Wohnung A 406.«
»Das ist nicht deine Wohnung.«
Larribi fühlt die Blicke wie Nagelbohrer in sein Hirn dringen. Lavorel hockt winzig klein am Ende einer schwarzen Röhre. Immer noch eisige Kälte, unkontrollierbares Zittern.
»Die der Mädchen. Vanessa und Karine.«
»Ihre Nachnamen?«
»Weiß ich nicht. Vorher haben Blondeau und ich in den Kellern der Cité Gagarine gelebt.«
Daquin steht auf, geht ein paar Schritte. »Kürzen Sie ab, Lavorel, wir steuern auf eine zeitgenössische Version von Zwei Waisen im Sturm zu, und daran bin ich nicht interessiert.«
Lavorel fährt fort: »Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?«
Auf der anderen Seite erschüttern zwei dumpfe Schläge die Wand. Larribi fühlt sie in seiner Brust nachhallen.
»Ich arbeite mit einem Automechaniker zusammen.«
»Descloux, ich weiß. Aber worin genau besteht diese Arbeit?«
Larribi befindet sich schlagartig auf vertrautem Terrain, er hört den Lärm der Motoren, atmet den Geruch des verbrannten Öls. »Descloux frisiert Motorräder, und nachts machen wir Rennen im Industriepark Garonor. Da kommt viel Volk, die Leute schließen Wetten ab, und der Sieger kriegt ’nen Anteil. Ich fahr ganz gut damit.«
Lavorel ist riesengroß geworden und schwebt um ihn herum. Nicht wirklich bedrohlich. Wird schon werden.
»Und welche Rolle spielt Blondeau dabei?«
»Er ist mein Leibwächter.«
»Sieh mal an … der pure Luxus.«
»Da sind ’ne Menge Scheine im Umlauf.«
»Und vor dem Rennen Amphetamine?«
»Die helfen …«
»Das Crack, das wir in A 406 in dem Schuhkarton gefunden haben, ist aber nicht für die Rennen. Ist es für den Verkauf?«
Larribi meint, das Knacken des schmelzenden Crackklümpchens zu hören, erschauert unter der sich im ganzen Körper entladenden Lust, lächelt ins Leere. Von wegen Verkauf …
Daquin rückt seinen Stuhl an den Tisch und setzt sich neben Larribi. Eine kleine Ohrfeige, damit er seine fünf Sinne zusammennimmt. »Jetzt reicht’s. Ich erkläre dir die Spielregeln. Das Crack und das übrige Zeug sind uns egal. Du hast zwei Menschen ermordet, einer davon war Polizist.«
»Nicht ich, ich hab nicht geschossen.«
»Das entscheiden wir, später. Und im Gegensatz zu dir ist dein Kumpel nicht vorbestraft. Vorerst kein Anwalt, kein Richter, für die nächsten Stunden keine Drogen. Polizistenmörder, die Wohnung voller Waffen, eine spektakuläre Festnahme, niemand wird sich wundern, dich in Einzelteile zerlegt vorzufinden.« Im Nebenraum eine schnelle Folge dumpfer Schläge, mehrfaches Stöhnen. Daquin lächelt. »So wie deinen Kumpel. Also, du erzählst uns jetzt, wie und warum ihr die beiden getötet habt.«
Larribi ist immer noch benebelt. Doch jetzt spürt er die Gefahr. Er muss hier weg. Er versucht aufzustehen, plumpst auf seinen Stuhl zurück, schüttelt den Kopf. »Ich hab nicht geschossen. Ich weiß nichts. Blondeau hat mich als Fahrer bei einem Coup angeheuert, ohne mir irgendwas zu sagen.«
Der Computerdrucker spuckt ein paar Wörter auf ein Blatt, das Daquin überfliegt. »Blondeau behauptet etwas anderes.« Wedelt mit dem Blatt. »Er behauptet sogar das Gegenteil.« Von der anderen Seite der Wand hört man das Geräusch von splitterndem Holz, vielleicht ein Stuhl, gefolgt von einem kurzen Schrei, dann Stille. »Und das könnte seine endgültige Version sein.«
Daquin steht auf, umschließt mit einer Hand Larribis Hals, Finger auf der Schlagader, und hebt ihn samt Stuhl ein paar Zentimeter hoch. Gefesselt, bewegungsunfähig, schreckensstarr, die Augen aufgerissen, spürt Larribi, wie er das Bewusstsein verliert. Daquin lässt ihn los, er sackt in sich zusammen, schnappt mehrmals nach Luft, beginnt wieder mit Zähneklappern. Mit der Kälte ein hohles Gefühl in der Lunge und endlich die glasklare Erkenntnis, dass er in der Falle sitzt. Aus dem Nebenzimmer hört man Füßescharren und vor dem Kommissariat die Sirene eines Polizeifahrzeugs.
»Los jetzt, erzähl.«
»Blondeau wurde bezahlt, damit er das Mädchen umlegt …«, er stockt, scheint abzudriften. Neuerliche Ohrfeige, nicht sehr fest, nur zur Erinnerung an den Ernst des Lebens, »… ein Unbekannter, achtzigtausend Franc in zwei Raten, eine vorher, eine nachher.«
»Das Geld, das in der Wohnung gefunden wurde?«
Larribi nickt.
»Wie hat er euch kontaktiert?«
»Er hat bei den Mädels angerufen, gestern früh … na ja, früh weiß ich nicht, wir haben geschlafen …«
»Wer wusste, dass ihr dort wohnt?«
Verblüffung auf Larribis Gesicht. Stimmt, wer eigentlich?
»Die Mädels.«
»Dummkopf.« Eine Ohrfeige. »Wer noch? Descloux?«
»Ja, der sicher.« Er zuckt verdrossen die Achseln. »Ich weiß nicht mehr.«
»Weiter. Was hat der Kerl am Telefon gesagt?«
»Er wollte uns beide treffen, mit dem Motorrad und den Waffen. Gestern waren wir verabredet, Punkt siebzehn Uhr an der BP-T ankstelle Porte de Paris in Saint-Denis.«
»Na also. Jetzt wird’s interessant, nutz deine Chance und streng dich an.«
»Er kam gleich nach uns. Wir haben das Motorrad vollgetankt, das war so abgemacht. Er hielt an der Zapfsäule daneben, fing an zu tanken. Dann kam er zu uns rüber, er redete mit meinem Kumpel, schaute in die Satteltasche. Ich hab nicht mit ihm geredet. Blondeau hat geredet.«
»Es ist uns egal, wer mit ihm geredet hat. Was er gesagt hat, wollen wir wissen.«
»Er sagte zu Blondeau, ihr müsst ab neun Uhr dreißig in Levallois auf der Avenue du Général-de-Gaulle sein, eine Frau wird mit dem Bus dort ankommen und zu der Brasserie im Einkaufszentrum gehen, jung, um die zwanzig, eins fünfundsechzig, sehr schlank, rückenlanges blondes Haar. Sie ist um zehn dort verabredet, sie darf diese Brasserie nicht betreten. Wir hielten uns mit dem Motorrad auf dem Parkplatz versteckt, wir haben sie ankommen sehen. Bis wir die Maschine in Gang hatten, war ein Mann bei ihr. Blondeau hat geschossen.«
»Ihr solltet lediglich die Frau töten?«
»Ja.«