Abpfiff. Dominique Manotti

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Abpfiff - Dominique  Manotti

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sich Nachrichten, Pläne, Adressen, Notizzettel, Termine drängen. Neben dem Schreibtisch der Tisch, die vier Stühle, zweckmäßig und nullachtfünfzehn, Hunderte von Besprechungen mit seinen Inspektoren. Verstörter Blick auf diese vertraute Umgebung.

      Daquin steht schwerfällig auf, macht sich einen pechschwarzen Espresso. Stille. Das Büro liegt einsam am Ende eines Flurs im obersten Stock des großen Gebäudes, und sein Fenster geht zum Hof. Allein. Keine Lust, heute Abend allein in das efeuüberwucherte stille Häuschen in der Villa des Artistes zurückzukehren. Blick auf die Armbanduhr. 20 : 30 Uhr. Sam muss noch in der Redaktion sein, er hat Bereitschaft. Anruf.

      »Sam, ich brauch dich heute Nacht. Sehen wir uns nachher bei mir?«

      Noch ein Espresso. Daquin schaltet den Computer ein, er muss für das Treffen mit dem Richter morgen Nachmittag einen Bericht anfertigen. Mit zu viel Promille und dem Kopf voller Bilder von Sams dargebotenem nacktem Körper. Erstes Ziel, die Ermittlung unbedingt im Drogendezernat behalten. Romero wurde bei einem Treffen mit einem Spitzel erschossen, im Rahmen einer Ermittlung, mit der ich ihn betraut hatte … Welche Ermittlung? Kokain, Levallois … ich brauche einen Anknüpfungspunkt. Eine Folgerecherche im PAMA-Fall vom letzten November, ein Kokainring im Umfeld der Bürotürme von La Défense. Der Doppelmord beweist die Existenz dieses Rings und seine Macht. In Zusammenarbeit mit dem kriminaltechnischen Labor konzentriert sich unsere Ermittlung auf die Waffen und das Geld aus dem Auftrag. Und auf die Identifizierung des Auftraggebers, indem wir uns Romeros Akten noch einmal vornehmen. Was nur wir tun können.

      Aufblitzen der kräftigen Schenkel, der Blässe des Hinterns, rund, muskulös.

      Auch wenn nichts richtig ins Bild passt, weder die beiden Armleuchter von Mördern noch Romeros fehlende Vorsichtsmaßnahmen noch letztlich das Vorhandensein von zwanzig bis dreißig Gramm Kokain am Tatort. Aber mit solchen Details wird sich der Richter nicht aufhalten. Ich werde ihm sagen, dass in dieser Sache Eile geboten ist. Spuren lassen sich leicht beseitigen, und die Verbindung zwischen den beiden Fällen ist schon jetzt so dürftig … Und natürlich kein Wort über besagten Martinon, solange wir nichts über ihn wissen.

      Schluss für heute Abend. Es ist fast elf. Nur noch ein obsessiver Gedanke: Sam nehmen, jetzt. Pralles Geschlecht und surrender Kopf.

      Als Daquin heimkommt, liegt der große Raum im Parterre im Dunkeln, doch im Zwischengeschoss brennt Licht. Er steigt die Treppe hoch, Stufe für Stufe, als sei dies die letzte Überlebenschance, als ginge direkt hinter ihm die Welt unter, mit jedem Schritt ein Stück mehr. Sam schläft, liegt nackt auf dem Bauch, die Arme gekreuzt, schwach beleuchtet von einer Lampe auf dem Boden. Seine Silhouette ist irreal, leblos, tot … Leben! Rausch – Begehren, Wut, Alkohol. Tief sitzende Aggression. Daquin dringt gewaltsam in den Körper ein, der sich widersetzt, ersticktes Wimmern ins Kopfkissen, der Leib windet sich, um zu entkommen. Daquin, so viel schwerer, so viel breiter, stemmt sich mit seinem vollen Gewicht gegen ihn. Und der andere gibt plötzlich nach. Da, endlich, der Orgasmus, strahlend hell, gewaltig.

      Schlaf nicht ein. Dieser reglose Körper, die Arme um den Kopf gewinkelt, ohne Gesicht und ohne Stimme unter deinem Gewicht. Schlaf nicht ein. Diesen Mann voller Wärme, deinen Geliebten, verlierst du, wenn du einschläfst. Leise flüsternd: Sam, hilf mir da raus.

      Eiskalte Dusche, Bademantel. Daquin geht hinunter in die Küche, Espresso machen. Steigt mit einer vollen Kanne und zwei Tassen wieder nach oben, kniet sich neben das Bett, füllt beide Tassen. Sam sitzt an die Wand gelehnt im Schneidersitz auf dem Bett, schmales Gesicht, das feuchte schwarze Haar klebt an der Stirn, wachsamer blauer Blick, Kraft und ein Schuss Angst. Eine unendlich verführerische Mischung. Er nimmt seine Tasse, trinkt kleine Schlucke.

      Langes, träges, intimes Gespräch über die Dinge des Lebens, dann: »Wenn ich mich recht erinnere, hast du vor deinem Aufenthalt in den Staaten beim FC Lisle-sur-Seine gespielt, oder?«

      »Ja. So vor sechs, sieben Jahren. Da war das längst nicht der Verein, der es heute ist. Damals war es ein Amateurclub. Ich erhielt hier und da Spielerprämien, war aber kein richtiger Profi. Als er in die zweite Liga aufstieg, bin ich nicht geblieben, ich war nicht gut genug.«

      »Ich fahre morgen dorthin.«

      »Aha, wieso?«

      In dem blauen Blick überwiegt schlagartig die Angst. Merkwürdig. »Hat sich so ergeben. Heute wurde bei einer Abrechnung unter Dealern eine junge Frau erschossen, und sie ist die Schwester des Stadionwarts. Ich will mit ihm reden.«

      »Ich fahre morgen Abend für die Zeitung hin. Ein wichtiges, womöglich entscheidendes Spiel um die Meisterschaft.«

      Sam stellt seine Tasse auf den Boden, zwei Falten auf dem flachen Bauch. Daquin streicht leicht über den Nacken, den das etwas zu lange schwarze Haar verdeckt, fährt die Schulterlinie entlang, berührt die pochende Vene am Halsansatz, streift die Brustwarze, stützt sich auf die flache Hüfte, gleitet zum Rücken, über die weiche, warme Haut im Kreuz, Aufwallung von Zärtlichkeit.

      »Lass mich dich lieben, Sam, ganz respektvoll, ganz langsam, und dich befriedigen. Und dann lass mich neben dir einschlafen.«

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