Mein langer Weg von Schlesien nach Gotha 1933–1950. Heinz Scholz
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Später, mit 15 – 16 Jahren, während meiner Lehrzeit, sind wir „Stifter“ manchmal in der Mittagszeit doch flugs im Bober baden gewesen, aber immer mit entsprechendem Abstand zu den berüchtigten, gefährlichen Strudeln in tiefer Strömung.
Wenn wir Alten heute auf besondere Ereignisse in unserem Dorf zu sprechen kommen, dann vergessen wir nicht die „Feuer“, die Reihe von Bränden, zu erwähnen, die während meiner Kindheit um sich griffen und die wir teils an Ort und Stelle miterlebten. Ich weiß noch, wie es bei Altmanns brannte, eines Sonntags bei der Bernern im Hinterdorf und einmal auch in Neuland, als wir gerade bei meinen Großeltern zu Besuch weilten. Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre hatte es mehrmals in unserem Dorf gebrannt, auch in Nachbardörfern. Meistens traf es sehr alte oder noch strohgedeckte Häuser, manchmal durch Blitzschlag. In einem der Fälle munkelte man von Brandstiftung. Man meinte, der verschuldete Besitzer habe sich durch eigenhändige Brandlegung die rettende Versicherungszahlung erschleichen wollen. Eine ganze Serie von Bränden innerhalb kurzer Zeit in unserem Dorf sowie in Neuland/Kunzendorf war auf aufsehenerregende Weise aufgeklärt worden, indem man den Brandstifter, einen bekannten SA-Truppführer aus Kunzendorf, ergriffen und seiner Taten überführt hatte. Sein Geständnis, er habe durch das Abbrennen alter Häuser in der „neuen Zeit des nationalsozialistischen Aufbruchs zur Dorfverschönerung“ beitragen wollen, ging von Mund zu Mund, aber nicht durch die Zeitungen. Die an die Macht gekommenen Nazis übergingen diese fatale Wahrheit.
Apropos Gewitter: Wenn in der Nacht ein schweres Gewitter heranzog oder sich ausbreitete, drängten uns die Eltern eiligst aufzustehen. Wir zogen uns an, stiegen unter krachenden Donnerschlägen ängstlich hinab in die Stube, Vater mit Geld und Aktenmappe inklusive Versicherungspolice, und harrten dort aus bis zum Ende des Gewitters. (Ich meine, wir hätten damals furchtbar heftige Gewitter erlebt.)
Und wenn es eingeschlagen hatte oder aus anderen Gründen ein Feuer ausgebrochen war, dann tutete auch laut der Nachtwächter in sein Horn. Wobei ich beim Gruhn Gustav angelangt wäre, bei unserem Nachtwächter, der nachts mit der Lampe oder auch ohne Lampe durch das Dorf strich. Manchmal unauffällig, manchmal bei ausgedehnten Festlichkeiten, sich selbstverständlich den erleuchteten Fenstern sichtbar näherte, um einen guten Schluck und Bissen abzubekommen. Wir Kinder haben den ruhigen, etwas mürrisch wirkenden Gruhn Gustav für dümmlich gehalten und nicht ernst genommen. Sicher zu Unrecht, oder weil wir uns unter einem Nachtwächter einen treuen, starken, auffallend umsichtigen und tapfer auftretenden Hüter nächtlicher Ordnung vorstellten. Vielleicht maß man ihm unter den Erwachsenen mehr Respekt bei, als wir meinten, denn er muss ja neben detaillierten Ortskenntnissen auch eine ganze Menge über das dörfliche Nachtleben gewusst haben! Jedenfalls achtete unser Vater darauf, dass der Gruhn Gustav, wenn er bei uns auf eine fröhliche Nachtrunde stieß, stets ein reichliches Stück Kuchen in seine Tasche stecken und sich auch mindestens ein Glas Schnaps hinuntergießen durfte.
Selbstverständlich hatten wir nicht zu allen Zeiten immer reichlich Kuchen im Haus gehabt. So soll hier noch etwas über das Kuchenbacken gesagt sein: Generell wurde Kuchen in größerem Umfang nur zu den großen Feiertagen gebacken. Also zu Ostern, Pfingsten, zur Kirmes und zu Weihnachten. Das heißt, die Blechkuchen unterschiedlicher Art wurden zu Hause von unserer Mutter hergerichtet und dann zu vereinbarter Zeit zum Backen zum Bäcker getragen. Nie fehlte der schlesische Streuselkuchen mit den schönen, großen schmackhaften Butterstreuseln, wie es ihn anderswo nie gibt! Aber auch Apfelkuchen, Pflaumenkuchen und Mohnkuchen waren oberhalb mit einer Streuseldecke veredelt! Und es war für uns Jungen, wenn wir mit unserer „Raber“, der hölzernen Schubkarre, den frisch duftenden Kuchen nach Hause holen mussten, unerträglich schwer, uns nicht an den verlockenden Streuseln zu vergreifen. Nun dauerte so eine Raber-Fahrt mit den drei, vier Kuchen schon eine ganze Weile. Und das durchzuhalten bis nach Hause – ohne Versuchung, das gelang nie. Also klaubten wir da und dort doch einige der größten und schönsten Streusel herunter, möglichst geschickt bemüht, die betroffene Stelle unkenntlich zu machen. Aber Mutters sicherem Auge entging die Vertuschung der leeren Streuselstelle nicht. Beim Abendessen dann wurde unser Vergehen zum Thema gemacht.
Ich glaube, ich habe schon gesagt, dass wochentags jeden Abend Bratkartoffeln in der Pfanne auf den Tisch kamen. Dazu gab es Buttermilch, oder saure Gurken, irgendeinen Salat oder „Eingemachtes“, dann und wann einen halben Bückling. Freitags aber, an Vaters Lohntag, wenn Vater gewöhnlich einen Ring „Warme“ mitgebracht hatte, bekam jeder ein Viertel warme Wurst dazu.
Fleisch gab es nur Sonntag mittag, und Wurst-Aufschnitt am Abend. Was übrig blieb, bekam Vater am Montag auf seine Butterbrote. Manchmal wir auch. Aber ansonsten bestand unser Brotbelag für die Schule aus Butter, selbstgemachtem Quark oder Käse und vor allem aus Schmalz mit Grieben, was ich am liebsten aß.
Mittags kochte Mutter einfache Gerichte mit Kartoffeln und Gemüse oder von Milch und Eiern, alles mit Speck oder Butter zubereitet. Nudeln und Reis waren selten. Mindestens zweimal in der Woche gab es Eintopfessen., wovon mir Kartoffelsuppe und „Großkraut“ am besten schmeckten. Zeitweilig aßen wir auch unter der Woche etwas Fleisch, z. B. wenn wir ein Zickel, ein Huhn oder ein Karnickel geschlachtet hatten. Es kam auch vor, dass Vater einen billig gekauften Schweinskopf in seinem Rucksack heimbrachte. Daran war mir nicht gelegen. Das heraus gelöste Knorpelfleisch war mir ein Graus, und die daraus gefertigte Sülze nahm kein Ende. Ich aß dagegen viel lieber Hering, den Mutter sehr schmackhaft zu marinieren wusste, oder einfach nur Bratheringe, die wir im Henkeltopf beim Bäcker oder bei der „Rungen“ holten und zu Pellkartoffeln aßen. Insgesamt war unser Essen, wie unser gesamtes dörfliches Leben, einfach und anspruchslos. Natürlich hatten wir Jungen auch Hunger, aber wir hungerten nicht. Mutter und Vater sorgten für uns, so gut sie konnten, und wir kamen nicht auf den Gedanken, mehr zu wollen, als möglich war. Ringsum, bei den einfachen Leuten des Dorfes, war es nicht anders, fast überall schwere körperliche Arbeit und ein dürftiges Leben mit sparsamen Freuden.
Das Rathaus von Löwenberg. Foto: Herm. Rehnert, Sammlung Heinz Scholz (aus dem Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien)
Blick auf Löwenberg um 1930, heute polnisch: Lwowek
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