Als Gott dem Unternehmensberater R. begegnete. Petra Stödter
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Читать онлайн книгу Als Gott dem Unternehmensberater R. begegnete - Petra Stödter страница 6
„Es hat mich niemand darum gebeten!“
„Was sagst du da? Hätte dich jemand darum gebeten, dann hättest du mir geholfen?“
„Ja - schon möglich, wenn dich jemand sehr gebraucht hätte!“
„Ich glaube das nicht - ich bin empört!“
„Du hast deinem Leben selbst ein Ende gesetzt, weil du mit deinem alternden Körper nicht klargekommen bist. Du wolltest die ewige Jugend. Warum hast du nicht innegehalten, als dir die Luft ausging? Deine Eitelkeit hat dich so weit getrieben, dass du dein Herz überfordert hast. Meine warnende Stimme konntest du nicht hören, weil du nicht an mich geglaubt hast. Es war deine Entscheidung. Was hätte ich tun sollen?“
„Aber du hättest mich doch wieder ins Leben zurückbringen können, als es geschehen war. So eine Art Wunder - das wäre es doch gewesen!“
„Niemand hat dich wirklich gebraucht!“
„Also, das sagte ich doch, ich war zu nichts mehr nütze!“
„Ich sage dir, dein Tod war ganz einfach die natürliche Konsequenz deiner Leichtsinnigkeit. Nimm es bitte so an. Es gibt keinen Weg in dein Leben zurück. Du weißt, dass ich nicht wie ein Zauberkünstler arbeite.“
„Nun, das erwarte ich auch nicht, nachdem ich meine sterbliche Hülle im Sarg gesehen habe. Dieser Anblick hat mir schon einen gehörigen Schreck eingejagt.“
„Du siehst, Rainer, man darf der Materie nicht zu viel Bedeutung beimessen. Sie ist vergänglich. In diesem Bewusstsein solltet ihr Menschen eigentlich leben, damit ihr wirklich jede Sekunde voll auskostet. Aber ihr sträubt euch gegen den Prozess des Alterns und stemmt euch somit gegen den Fluss des Lebens. Wer gegen den Strom schwimmt, macht es sich unnötig schwer. Derjenige muss ständig gegen das Ertrinken ankämpfen. Wer sich aber mit dem Strom treiben lässt, der wird getragen.
Jetzt, mein lieber Rainer, existierst du als wahres Ich - als Bewusstsein ohne jegliche Bindung an einen Körper. Dieser hat ausgedient und löst sich auf.“
„Demnach ist er also austauschbar? Ist das richtig? Könnte ich dann bitte jetzt sofort einen neuen Körper bekommen?“
„So weit sind wir noch nicht. Du bist mal wieder viel zu ungeduldig!“
„Das verstehe ich nicht. Hier vergeude ich doch nur die Zeit. Mit einem neuen Körper könnte ich wieder von Nutzen sein. Ich will dann auch ein wenig anders leben - das verspreche ich dir. Jetzt weiß ich, wie man es besser machen kann.“
„Rainer, Rainer, du bringst mich mal wieder zum Lachen. Hier gibt es keine Zeit. Begreife, dass du in der Schule des Geistes in der ersten Klasse sitzt - und hier haben wir erst angefangen. Du hast gerade die Einschulung hinter dich gebracht.“
„Es freut mich, dass ich dir so viel Spaß bereite. Wenigstens als Hofnarr scheine ich mich zu eignen. Aber sage mir, hört das eigentlich niemals auf mit der Lernerei?“
„Nein, niemals!“
„Das sind ja schöne Aussichten!“
*
Leute, ich sage euch, ich begriff zu diesem Zeitpunkt noch sehr wenig und sehnte mich nach meinem Leben zurück. Das andere Bewusstsein ging mir - wie ihr es sicher schon bemerkt habt - ganz schön auf den Wecker. Obwohl es mir nun wirklich gut gesonnen war und mir in meiner Verlorenheit als Jenseitiger sehr liebevoll und hilfreich zur Seite stand, konnte ich nicht anders, als ihm mit Trotz zu begegnen, weil ich mit meinem Zustand irgendwie nicht zurechtkam. Es war ja auch sonst niemand da, an dem ich hätte meinen Frust ablassen können.
Ich glaube, ihr versteht mich, denn ihr werdet als Lebende die gleichen Fragen und Bedenken haben. Damit es euch nicht langweilig wird, erzähle ich euch am besten mal wieder eine Episode aus meinem irdischen Leben.
Ihr erinnert euch gewiss noch an Röschen, meine gutherzige Sekretärin, die auf meiner Beerdigung aufrechte Tränen der Trauer vergoss. Ich sage euch, es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden, wie abscheulich ich mit Röschen umgegangen bin, so dass ich mich noch als Jenseitiger dafür schämen muss. Wahrscheinlich habe ich damals den größten Fehler meines Lebens begangen, weil ich viel zu sehr auf mich selbst ausgerichtet war.
Na ja, ihr wisst ja bereits, dass ich zu meinen Lebzeiten kein Sängerknabe war, so dass ich euch wahrscheinlich mit nichts mehr schocken kann. Es ist wichtig, dass ihr aus meinen Geschichten lernt, damit ihr nicht die gleichen Fehler begeht.
Nun bin ich der Letzte, der euch belehren kann. Hierzu eigne ich mich wirklich nicht. Aber als leuchtendes Beispiel, wie man es besser nicht machen sollte, bin ich perfekt.
Unsere Weihnachtsfeier im Jahr 2011 sollte der krönende Abschluss eines äußerst erfolgreichen Jahres werden. Werner und ich hatten hierfür ein Restaurant der Extraklasse ausgewählt. Die gesamte Belegschaft hatte sich schwer in Schale geworfen, zumal nach dem Speisen noch der Besuch einer Edeldisco auf dem Programm stand. Aber Röschen übertraf sie an diesem Abend alle. Bei ihrem Erscheinen blieb uns allen die Spucke weg. Sie hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. Röschen musste wohl offensichtlich bei einem Stylisten gewesen sein. Ihr Outfit war atemberaubend. Sie trug ein schlichtes kleines Schwarzes, das ihre mollige Figur fast schlank erscheinen ließ. Ihre bequemen Leisetreter, die kein Männerherz höherschlagen ließen, hatte sie treffsicher, passend zum Kleid, gegen aufregende Highheels eingetauscht, die das kleine Persönchen mindestens zehn Zentimeter größer erscheinen ließen. Ihr liebes Gesicht strahlte jetzt eine vornehme Schönheit aus. Es war raffiniert, aber dennoch dezent geschminkt. Auch das lange blonde Haar, das Röschen im Alltag stets einfallslos zusammengebunden trug, fiel ihr heute in weichen Wellen über die Schultern. Ich konnte meinen Blick gar nicht von ihr wenden und überschüttete sie mit Komplimenten, die sie einerseits sehr genoss, ihr aber andererseits auch sichtlich peinlich waren, so dass sie hierbei öfter errötete und verschämt zur Seite blickte.
Röschen war nun einmal ein sehr bescheidener, zurückhaltender Mensch, der nicht gern im Mittelpunkt stand. Jedenfalls wich ich an diesem Abend nicht von ihrer Seite. Für mich stand fest, dass ich mit diesem scheuen Aschenputtel die Nacht verbringen würde. Hierzu musste ich meine Beute erst einmal enthemmen. In der Disco flößte ich Röschen dann einen Cocktail nach dem anderen ein. Nachdem sie schon ziemlich angeheitert war, ging ich über zum Balztanz. Das war so meine Vorgehensweise, die eigentlich immer zum Erfolg führte. Eng umschlungen schwebte ich nun mit Röschen zu schwülstiger Schmusemusik über die Tanzfläche und flüsterte ihr Worte meiner Begierde ins Ohr. Ich sage euch, das haut die standfesteste Maid aus den Schuhen. Es dauerte auch nicht lange, bis ich spürte, dass Röschen am ganzen Körper vor Erregung zitterte und zu Wachs in meinen Händen wurde. Jetzt wurde es höchste Zeit, die Örtlichkeit zu verlassen, damit mir mein Opfer letztendlich nicht noch entwischte, weil es nach dem reichlichen Alkoholgenuss von plötzlicher Müdigkeit übermannt wurde. Das konnte alles passieren und mir einen Strich durch die Rechnung machen.
Werner schüttelte den Kopf, als ich mit Röschen verschwinden wollte. „Du wirst doch wohl nicht mit Röschen!“
„Halte dich da gefälligst raus, mein Alter, schließlich ist sie meine Sekretärin“, entgegnete ich genervt.
Ziemlich empört rief er mir nach: „Du gehst über Leichen, Rainer, das ist wirklich zum Kotzen!“
Werners Moralpredigten waren mir völlig egal. Er war nun einmal der Bessere, aber auch der Langweiligere von uns beiden. „Kein Wunder, dass er sich so schwer tut mit den Frauen“, dachte ich