Die Dracheninsel. Irmela Nau
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Читать онлайн книгу Die Dracheninsel - Irmela Nau страница 3
Ihre Mutter stand liebevoll lächelnd vor einem fremden Pferd, und ihr Vater stand neben ihr und hielt ein längliches Paket in Händen.
Mit runden Augen starrte Emily ihre Eltern an.
»Du hast wohl geglaubt, wir hätten deinen Geburtstag vergessen, wie?«, lachte ihr Vater. »Schaut nur mal, Maude. Eure Tochter scheint ein wenig durcheinander zu sein.«
»Ach, nu lasst doch den Unsinn, Horace.« Emilys Mutter, eine kleine rundliche Frau, stieß ihrem Mann, der sie um gut anderthalb Köpfe überragte, den Ellenbogen in die Seite und kicherte. »Ihr verwirrt sie ja noch mehr. Komm, Emily«, sie ging auf Emily zu, nahm ihre Hand und zog sie zu dem Pferd.
»Hier ist dein Geburtstagsgeschenk. Dein Vater und ich dachten, du bist alt genug, um ein eigenes Pferd zu haben.«
Emily bestaunte die Fuchsstute, die vor ihr stand. Sie war größer und kräftiger als jede andere Stute, die sie jemals gesehen hatte, und doch hatte sie einen eleganten Körperbau. Temperamentvoll warf die Stute den Kopf hoch und schnaubte, wie zur Begrüßung. Emily lachte begeistert auf.
»So ein wunderschönes Tier. Womit hab ich das bloß verdient?«
Glückselig umarmte sie ihre Eltern und das Pferd.
»Warte«, unterbrach Horace ihre Dankbarkeitsbekundungen.
»Das ist noch nicht alles.« Er streckte ihr das Paket entgegen.
»Hier ist noch etwas. Es ist an der Zeit, dass du es endlich bekommst.«
Durch die seltsamen Worte ihres Vaters neugierig geworden, nahm Emily das Paket an sich und war erstaunt über das Gewicht, das sie plötzlich in Händen hielt. Sie legte es vor sich auf den Boden, riss das Papier auf und schlug das Tuch, welches darunter zum Vorschein gekommen war, vorsichtig zurück. Vor ihr lag ein Schwert. Dass es sehr wertvoll war, erkannte Emily sofort. Der Knauf bestand aus Gold, in das ein tiefroter Rubin in Form eines Drachens eingelegt war. Auf der Klinge war eine mysteriöse Inschrift in einer ihr unbekannten Sprache eingraviert. Sprachlos blickte Emily auf die Kostbarkeit in ihren Händen und dann zu ihren Eltern. Sie wusste, dass ihre Eltern nicht reich waren und sich niemals solch wertvolle Geschenke leisten konnten.
»Was soll das alles?«, stammelte sie. »Das ist doch viel zu kostbar für mich.«
»Nein, Emily. Das ist es nicht.« Horace zog seine Tochter vom Boden und hielt sie an den Händen fest. »Wir haben nur die Stute gekauft. Das Schwert gehört dir sowieso. Wie du weißt, haben wir dich als Baby im Wald gefunden. Nicht weit von der Lichtung, auf der du so gerne deine Zeit verbringst. Du warst in die Decke gewickelt, die du in deinem Zimmer aufbewahrst, und hast jämmerlich geweint, sonst hätten wir dich vermutlich gar nicht gefunden, und dieses Schwert lag neben dir. Deine Mutter und ich haben es vor dir versteckt, weil wir nicht sicher waren, was wir damit machen sollten. Aber jetzt haben wir uns dazu entschlossen, es dir zu geben und dich deine eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Es ist das Einzige, was dir helfen kann, etwas über deine Herkunft herauszufinden, und wir wissen, dass es dich sehr betrübt, nicht zu wissen, wer du wirklich bist.«
In Emilys Augen schwammen Tränen, als sie ihrem Vater um den Hals fiel. »Ich bin eure Tochter, das ist alles, was ich wissen muss.«
Verstohlen wischte sich Horace ebenfalls eine Träne aus den Augen und klopfte ihr beruhigend auf den Rücken.
»Ist ja gut, mein Kind.« Er schluckte den Kloß in seinem Hals herunter und räusperte sich. »So, und jetzt gehe mit deiner Mutter rüber in die Stube und decke den Kaffeetisch. Ich freue mich schon den ganzen Tag auf den Kuchen, den deine Mutter vor mir versteckt hat.«
Emily lachte unter Tränen. Hand in Hand mit ihrer Mutter eilte sie ins Haus, um dem Wunsch des Vaters nachzukommen, während er noch im Stall blieb.
Seufzend ließ Horace sich auf einen Ballen Heu sinken und starrte trübe auf seine Füße. Er und Maude hatten oft und lange darüber geredet, ob Emily das Schwert bekommen sollte. Die beiden hatten es bewusst vermieden, Nachforschungen darüber anzustellen, wer Emily ausgesetzt hatte. Sie hatten beide viel zu viel Angst davor, dass sie ihre Tochter verlieren könnten. Doch sie wussten auch, wie unglücklich Emily war, weil sie nichts über ihre Herkunft wusste und wenn ihr das Schwert dabei helfen konnte etwas herauszufinden, dann wollten sie ihr diese Chance nicht länger verwehren. Emily hatte ein Recht auf ihr Erbe und zu wissen, wer sie war. Deshalb hatten die beiden schweren Herzens entschieden, ihr das Schwert zu geben, wohl wissend, das sich Emily sehr wahrscheinlich aufmachen würde, um ihre Wurzeln aufzuspüren. Noch einmal seufzte er, schlug sich auf die Oberschenkel und stand auf, um den beiden Frauen ins Haus zu folgen. Köstlicher Duft von frischem Apfelkuchen und aufgebrühtem Kräutertee stieg ihm in die Nase und nachdem er sich an den nun festlich gedeckten Tisch gesetzt hatte, ließen sie es sich gut schmecken.
Emilys Blick fiel immer wieder auf das Schwert, das neben ihr auf der Bank lag. Verstohlen strich sie mit der Hand darüber, um sich davon zu überzeugen, dass es wirklich echt war. Doch als sie merkte, dass ihr Vater sie dabei beobachtete, ließ sie es sein. Aber ihre Gedanken kreisten unablässig um diesen wertvollen Gegenstand. Nicht nur wertvoll, weil er aus Gold und Edelsteinen bestand – nein – wertvoll vor allem, weil sie endlich etwas hatte, was sie mit einer bisher ungreifbaren Vergangenheit verband und ihr vielleicht helfen würde, etwas über sich herauszufinden.
Nach der gemütlichen Runde half Emily ihrer Mutter bei der Zubereitung des Nachtmahls. Zur Feier des Tages sollte ein Kaninchen gebraten werden, ein seltener Genuss, den Maude nur an ganz besonderen Tagen auf den Tisch brachte. Gegen Abend bat sie Emily frisches Wasser am Dorfbrunnen zu holen und so machte sie sich mit dem Wasserkübel auf den Weg zum Dorfplatz, wo der alte Brunnen stand.
Gedankenverloren füllte Emily ihren Eimer mit Wasser und wollte gerade wieder gehen, als sie aus der Gaststube lautes Gelächter hörte. ›Das ist wohl Elrics Fest‹, dachte sie und wollte weiter. Doch sie war trotz allem ein wenig neugierig und schließlich konnte es auch nicht schaden, einen kurzen Blick auf Elric zu werfen. Natürlich nur, um zu erfahren, wie der Feind nun aussah. Sie schlich zu einem der hell erleuchteten Fenster und blickte verstohlen in den Gastraum. Am Schanktisch stand ein großer, kräftiger, junger Mann mit einem Krug Ale in der Hand und schien seinen begeisterten Zuhörern eine tolle Geschichte zu erzählen, denn alle hingen wie gebannt an seinen Lippen.
›Oh Gott … war das … konnte es sein, dass … ‹ Emily schluckte schwer und presste sich dicht an die Mauer zwischen zwei Fenstern. Wenn dieser Berg von einem Mann wirklich Elric war, dann hatten ihn die letzten fünf Jahre völlig verändert. Nichts erinnerte noch an den dünnen, flaumbehaarten linkischen Jüngling, den sie im Gedächtnis hatte. Sie warf erneut einen vorsichtigen Blick durchs Fenster. Ein helles Leinenhemd umspannte einen mächtigen Brustkorb, breite Schultern und muskelbepackte Arme. Die kräftigen Beine steckten in engen rehfarbenen Hosen und hohen schwarzen Stiefeln. Sein kastanienbraunes Haar fiel ihm bis auf die Schultern und Bartstoppeln malten dunkle Schatten auf sein markantes Gesicht. Die Augen strahlten eine Härte aus, die sie früher nicht hatten. Seine gesamte Statur zeugte von Kraft und ihn umgab eine Aura von Gefahr, die Emily schaudern ließ. Sollte er es sich in den Kopf gesetzt haben, sie wirklich noch einmal zu bedrängen, hätte sie nichts dagegenzusetzen. Über ihren Dolch würde er wahrscheinlich nur noch lächeln. Während sie ihn weiter anstarrte, drang lautes Gegröle aus der leicht geöffneten Tür der Gaststube. Sie spitzte die Ohren und wurde blass, als sie ihren Namen hörte. Elric prahlte damit, dass er sie am nächsten Tag besuchen wolle und sich dann mehr als nur einen Kuss holen würde.
Emily hatte mehr als genug gehört. Voll Entsetzen schnappte sie sich den Wassereimer