Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich страница 17
»Morgen bringen Sie mir dann Ihre Hundert, Herr Wichmann?«
»Ich werde es nicht vergessen.«
»Ein neues Zimmer hab’ ich auch noch nicht. Es ist ekelhaft auf meiner Bude … immer das Gerede, wenn ich nachts baden will … das Kind wacht auf! Ich kann doch baden, wann ich will … Ham Sie was Vernünftiges gefunden, Herr Wichmann? Wo wohnen Sie denn?«
»In der Nähe des Stadtparks.«
»Wo denn da?«
»Kreuderstraße.«
Ein »Oou … uui …« ließ sich aus den Lippen der beiden anderen Herren vernehmen.
»Sie … das is aber gefährlich!«
»Warum? Ich habe noch keine Attentate in der Nähe bemerkt.«
»Nee … aber wegen Grevenhagen. In welchem Teil der Straße wohnen Sie denn?«
»Gleich beim Park.«
»Sie … da nehmen Sie sich in acht. Da würd’ ich ja niemals hinziehen. Da kann der Grevenhagen Sie ja glatt kontrollieren!«
»Von mir aus. Wieso übrigens? Wohnt er etwa in der Nähe?«
»Natürlich, das wissen Sie noch nicht? Na, hören Sie …! Kreuderstraße 3, die Villa hinten im Garten.«
»Ach so.«
»Ham Sie ihn denn noch nicht dort gesehen?«
»Nein. Vielleicht sein Kabriolett …«
»Und seine Frau haben Sie noch nicht gesehen?«
»Nicht mit Bewußtsein. Ich habe überhaupt noch sehr wenig auffallende weibliche Wesen in unserer Straße bemerkt.«
»Das glaub’ ich. Hi … hä … nichts als Geheimrätinnen. Da würd’ ich ja niemals hinziehen, niemals. Aber Grevenhagen soll eine phantastische Frau haben … sehr interessant.«
»Für wen?«
»Wie meinen Sie das? Grevenhagen würde sich ja sofort schießen.«
»Ha no … des ischt ihm also wirklich zuzutraue. Nehme Sie sich nur in acht, Herr Wichmann, daß Sie im Zustand Ihrer Unschuld bleibe und sich net verliebe! Sonscht rutsche Sie eines Tages von dem Lotosblatt ins Wasser, und meine Frau begrüßt ihren Mann als ›Herr Regierungsrat‹…!«
»Was ich Ihrer verehrten Gattin herzlich gönnen würde!«
»Rede Sie net so unvorsichtig, Herr Kollege im Assessorenstand. Sind Sie überhaupt bedacht, vor allem im Umgang mit Frauen. Schauen Sie sich unseren Herrn Ministerialrat Grevenhagen an! Das ist ein patenter Mann, was die Arbeit anbetrifft, aber seine Frau ischt zu schön, und er schaut zu bleich. Das tut nicht gut. Meine Frau hingegen ischt ein Quirl, und ich bin ein ruhiges Wasser. Wenn die Annemaria zornig wird, hopst sie in den stillen Teich meines Gemüts und macht ein paar Wellen, und schon ischt sie müd und wieder z’frieden, eh ich zum überlaufen komm.«
»Ich kann mir das lebhaft vorstellen.«
»Aber der Grevenhagen, das ischt ein edles Pferd, früh und scharf dressiert, der läßt sich hetzen und wird leicht nervös. Was mir zum Beispiel nie passiere kann.«
»Wir werden Sie schon auf die Beine bringen!« drohte Korts. »Im ›Abendland‹ wird bekanntlich gearbeitet …«
»Allah il Allah und Mohammed ischt sein Prophet!«
»Mit Ihrer orientalischen Ruhe ist’s jetzt aus, Herr Casparius, wenn Sie zu uns in den Westflügel herüberkommen. Unser Chef sorgt auch bei Ihnen für Tempo!«
»’s isch ein Jammer. Ja.«
Die Treppe des großen Amtsgebäudes wurde erstiegen. Alle grinsten noch ein wenig, als man sich verabschiedete.
»Ich komme gleich zu Ihnen hinüber, Herr Regierungsrat Korts, damit wir anfangen können.«
»Ich auch, Herr Korts!«
»Ja schön … über meinen einen Klubsessel müssen sich die Herren dann eben einigen.«
Als Wichmann das Zimmer des Kollegen betrat, fiel ihm sofort der größere Raum und die gediegenere Ausstattung auf, die dieses Dienstzimmer von dem seinen unterschieden. Der Blick ging auch in den Hof, aber der Sammetbezug der Stühle und des einen Sessels, der kleine Teppich, der riesige Schreibtisch verrieten die ehrgeizige Lebenstüchtigkeit des Insassen. Korts hatte seinen Schreibtischsitz mit den Armstützen gedreht; er legte die Ellbogen auf die Lehnen und faltete die Hände vor dem Leib wie Boschhofer, nur daß er zur Zeit noch schlank genug war, um die Finger ineinander zu stecken. Seine kleine, stramme Figur, der kurze Hals mit dem stiermäßig starken Nacken, die große Stirn, die gebogene Nase versuchten Wichmann, Korts im stillen »den Korsen« zu nennen.
Für Casparius war der Klubsessel frei geblieben, und der »Orientale« versank mit unverhohlenem Behagen darin.
»Oh … der Ehre …«
Keiner horchte mehr mit Aufmerksamkeit auf die einleitenden Witze. Man war bald in der Arbeit, und Korts führte unbestritten die Diskussion. Alle empfanden wohltuend, daß sie an Intelligenz einander auf gleicher Ebene begegneten und kein schlechtes Pferd in dem Dreigespann war. Die gemeinsame Aufgabe wurde geteilt, um jedem die größtmögliche Selbständigkeit zu lassen. Wichmann bewarb sich um den schwierigsten und vielseitigsten Teil der gemeinsamen Arbeit und erhielt ihn von Korts schnell zugesagt. Später stellte sich heraus, daß der Korse sich hier überrumpelt fühlte, und Wichmann bot den Verzicht an, den der Regierungsrat aber mit rotem Kopf strikt ablehnte. »Nein, bitte, behalten Sie nur. Behalten Sie nur!«
Kein Mitglied des Trios hatte das Hinstreichen der Zeit bemerkt, als der Herbstabend schon dunkelte und Korts die Schreiblampe auf den runden Tisch hinüberbringen mußte.
Die Reinemachefrau öffnete zum zweiten Mal »aus Versehen« die Tür, da entschlossen die Herren sich endlich, für heute abzubrechen. Als sie beim gemeinsamen Weg zum Abendessen vom Königsplatz aus noch einmal die Front des Ministeriums hinaufblickten, waren die Fenster Grevenhagens schon dunkel; im Vorzimmer aber brannte noch immer die helle Hängekugel.
Wichmann lud in die kleine Weinstube ein, die den beiden Kollegen noch unbekannt war.
Der Kellner empfing den zum zweiten Mal Erscheinenden als künftigen Stammgast und war aufmerksam. Der Tisch, den Wichmann am ersten Abend innegehabt hatte, war auch heute frei und fand die Billigung von Korts und Casparius. Man legte ohne Eile ab und gruppierte sich auf Wandbank und geschnitzten Stühlen um die gescheuerte Platte. Die Unruhe der Straße und das freche Licht der Bogenlampen und flimmernden Reklamen waren durch dichte Fensterbehänge ganz ausgeschlossen. Ungestört leuchtete der Holzleuchter mit matten Birnen im Raum. Die braune Holzverkleidung der Wände, die dunkelbraunen Dielen, das helle Holz der Tischlampen und die getäfelte Decke gaben die unauffällige Farbstimmung, in der sich Menschen gern zur Erholung niederließen. Wie der Anblick eines Steines das Gefühl der Kälte hervorrufen kann, so gab die Umgebung des Holzes den Nerven die entgegengesetzte Schwingung sanfter Wärme. Das bedächtige Erzeugnis alter Wälder, das die Temperatur nur langsam wechselte und ihre Ausschreitungen