Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich страница 18

Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich

Скачать книгу

Speisekarte bereitete Kräftigung vor. Der Kellner näherte sich nach geduldigem Warten und verstand stumme Fingerzeige. Seine Mienen verrieten, daß er die Wahl der Gäste billigte; ein Achselzucken oder hochgezogene Augenbrauen veranlaßten ihn zu zurückhaltender Empfehlung des guten Tropfens, der preiswert war. Wichmann bestellte die erste Flasche.

      Man lehnte sich bequem an und beobachtete ohne Anstrengung oder Interesse die wenigen Gäste, die schon still für sich speisten. Die Suppe war gut; sie entsprach einer traditionsreichen Landschaft und schmeckte mehr nach Hausfrauenart als nach einem Erzeugnis aus riesigen Kesseln. Bei Spätzle und Rehrücken wachte der Urinstinkt des Hungers auf. Die Trübnis ermüdeter Augen verschwand, und die Gläser wurden zum erstenmal gehoben. Den anschließenden Verzehr von Brot und Käse konnte man, ohne Hast, lange Zeit hin fortsetzen. Korts bestellte die zweite Flasche.

      Wichmann schwamm in den Gefühlen eines Schiffers mit gutem Wind und guter Fahrt. Die Nachricht, daß er auf der Liste der zu Ernennenden stehe, hatte sein Selbstgefühl in ein angenehmes Fluten gebracht, und obwohl er sich zum hundertsten Male die Haltlosigkeit des Gerüchts selbst vorhielt, war seine Phantasie doch schon mit der angenehmen Möglichkeit beschäftigt. In reizvollen Zügen ließ sich das Bild von der Überraschung und Bewunderung malen, die rasches Vorwärtskommen bei der Familie, bei den Freunden daheim und bei dem »Alten Herrn«, dem Corpsbruder des Vaters, auslösen mußte, der Wichmann die Berufung in das Ministerium verschafft hatte. Die Anschrift »Herr Regierungsrat Dr. Oskar Wichmann«, die der Füllhalter des niedlichen Tanzstundenfräuleins dann mit den gar nicht zu ihr passenden klobigen Buchstaben auf blaues Papier drückte, der Glückwunschbrief der älteren Schwester, die Freude der jüngeren, der Lieblingsschwester, die ein wenig neidischen Schulkameraden, das alles floß für Wichmanns Vorstellungen zu einer Harmonie zusammen, wie die Masern des Holzes, deren Schlingen und Wege er eben mit den Augen verfolgte. Vielleicht war für Casparius doch auch noch eine Stelle frei. Er jedenfalls mußte zunächst für sich selbst sorgen. Auch brauchte ihm Korts, der zum Oberregierungsrat vorgeschlagen war, nicht mehr als eine Stufe voranzugehen.

      Wichmann fand nichts Arges dabei, in dieser Weise an seine beiden Tischnachbarn zu denken, während er die Zunge mit dem Geschmack des guten Tropfens netzte. Er mochte seine Kameraden gern; die drei waren durch die gemeinsame Arbeit schon zu einer Art »Stallgefährten« geworden, was nicht hinderte, daß sie auf der Rennbahn konkurrierten. Es umschloß sie als Band, für eine wichtige und befriedigende Aufgabe von einem sachlich anspruchsvollen Vorgesetzten ausgewählt zu sein, und sie hatten ihre Fähigkeiten gegenseitig schätzen gelernt; jetzt probten sie aus, ob sie auch abseits des Dienstbetriebes paßten.

      Als Wichmann die dritte Flasche Wein in die Gläser schenkte, kam ihm in dem goldgelben Spiegel auf einmal eine sonderbare Schau. Er sah das Schicksal als einen borstenhaarigen Mann auf einem Schreibtischstuhl, wie es mit ungeschickten Fingern ein Rätselspiel zu lösen versuchte. Die Blättchen in den sinnlosen Formen, die zusammengelegt ein Bild ergeben sollten, paßten noch nicht ineinander, das eine hatte eine Ecke zuviel, das andere war zu rund. Das Schicksal mußte zusammenwerfen und von neuem anfangen. Was man beim Wein so dachte!

      Korts war großzügig; er bestellte bei der vierten Flasche eine teure Marke. Casparius, der drei Kinder hatte, wurde von den Spendeverpflichtungen befreit.

      »Drei, Herr Casparius? Sie haben sich aber beeilt.«

      »Ha nei, Herr Regierungsrat in spe, des hab’ ich also gar net nötig ghabt, mich zu beeile. Ich hab’ allerdings gheiratet in einem Alter, in dem Sie erscht der Fräulein Hüsch eine Krokodilledertasche aufhebe und dabei noch rot werde! Infolge der Anstrengung des Bückens und der Senkung des Kopfes, die Ihnen einen näheren Ausblick auf seidenbestrumpfte Knie gestattet! Aber als ich in den Hafe gfahre war, der gegenwärtig infolge dreifacher Bemühung ein ziemlich wohlriechender geworde ischt, da hab’ ich ein paar Jährle in aller Geduld gwartet, und dann hat meine Frau das auf ein Hieb … oder Sitz, oder wie man passenderweise sagt, gemacht und hat mir Drillinge beschert.«

      »Drei Mädchen?«

      »Ha, natürlich. Woher wisse Sie denn des? Das kann nur mir passiere, Herr Assessor, oder dem Inspektor Baier könnt’s auch passiere, wenn er eine Frau hätt’ – aber vorsichtigerweis hat er noch keine.«

      Die Herren tranken langsam weiter und aßen Käse. Korts hatte einen guten Zug.

      »Wie heißen denn Sie mit dem Vornamen?« wollte Wichmann von ihm wissen.

      »Wie kann ich wohl heißen? Das sollten Sie raten. Aber ich will Sie heute nicht mehr überanstrengen. Robert heiße ich, und wenn Sie nicht mich, sondern bei mir daheim gefragt hätten, so wüßten Sie es noch genauer: Robert der Teufel.«

      »Darauf sind Sie stolz?«

      »Selbstverständlich.«

      »Fräulein Hüsch würde Sie dann Rob nennen, oder wenn sie zärtlich ist, Robby.«

      »Meinen Sie?«

      »Das weiß ich.«

      Der Wein duftete sonnensüß.

      »Wie ist die Lotte eigentlich?« fragte Wichmann. »Eine Blume ist sie nicht mehr … eine Frucht … oder schon ein wenig gegoren?«

      Korts lachte betroffen und ohne aufzusehen.

      Wichmann bot Zigaretten an. Die blauen Wölkchen schienen die Luft sichtbar zu machen und entfernten die Gegenstände und die fremden Gäste. Oskar Wichmann empfand ein steigendes Wohlgefühl nach den Erregungen des Tages. Sein Blut lief schneller, sein Selbstvertrauen wurde sicherer.

      Casparius hatte eine Kunstfigur in die Luft geblasen.

      Ein schönes Fragezeichen.

      »Wichmann löst es«, sagte Korts.

      Wichmann blies gegen den Dunst; er wandelte sich in andere Gestalten.

      »Nix als Rätsel«, sagte Casparius.

      Man ließ den Rauch nachdenklich seine Bahnen ziehen.

      Korts wurde zutraulich. »Wichmann – im Vertrauen – im tiefen Vertrauen … Sie stehen auf dem Lotos … sitzen in der Liste … schscht … sagen Sie nichts, es ist wahr. Ihr Vater ist Christlicher Gewerkschaftsführer von Boschhofers Partei. Sie haben das Fragezeichen gelöst, und Sie werden jetzt Regierungsrat. Wichmann, ich bestelle auf Ihre Kosten eine Flasche! Seien Sie still, Wichmann, ich weiß alles.«

      »Korts, Sie sollen Ihre Flasche haben, aber dann halten Sie auch den Mund, es ist ja alles gar nicht wahr.«

      »Geben Sie mir die Flasche, Wichmann, und lassen Sie mir die Lotte Hüsch.«

      »Geschenkt, Korts.«

      »Sie sind ein Frauenjäger, Wichmann. Aber lassen Sie mir die Lotte Hüsch, Herr Regierungsrat in spe, und bleiben Sie bei Ihrem Fragezeichen!«

      Wichmann wußte nicht recht, ob Korts besoffen war oder sich so stellte. Er lachte.

      Eine staubige Flasche kam und wurde geöffnet. Korts schämte sich nicht, sie allein zu trinken. »Auf Ihr Wohl, Herr Regierungsrat. Wissen Sie, was ein Fragezeichen wird, wenn man es umdreht?«

      »Was denn?«

      »Ich weiß nicht mehr. Ober, machen Sie ein Fragezeichen und drehen Sie es um … ja? Was ist es dann?«

      »Ein ›S‹, meine Herren.«

      »Ein

Скачать книгу