Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig
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„Ihr solltet euch schnell das Stroh aus den Haaren machen und dann ins Langhaus kommen, sonst verpasst ihr noch alles. Fast alle sind schon da und warten darauf, dass die Trinkbecher gefüllt werden.“
Als Thurid mit ihren Freunden im Langhaus ankamen, war schon ganz Björkendal versammelt. Ein allgegenwärtiges Stimmengewirr erfüllte das Haus und alle Blicke waren auf Alvitur und den neben ihn sitzenden Gast gerichtet.
Thurid fixierte den Gast mit ihrem Blick und blitzartig wusste sie: „Der bleibt länger, wieso hätten wir sonst die Hütte hergerichtet?“
Thurid bemerkte sofort, dass die Leute, dem Ereignis angemessen, in einer bestimmten Sitzordnung zusammen saßen. Fackeln an den Wänden und Öllämpchen auf der Tafel, beleuchteten mit ihrem warmen Licht die erwartungsvollen Gesichter.
Wegen der offiziellen Sitzordnung etwas enttäuscht, zog Thurid mit ihren Freunden weiter, bis sie ihre Plätze an der Wand gefunden hatten.
Alviturs Rede hatten sie nun verpasst, aber das war ja nicht weiter schlimm. Drei Frauen gingen um die Tafel herum und gossen Apfelwein in die Trinkgefäße.
Alvitur erhob sein prächtiges Trinkhorn und sofort war es an der riesigen Tafel mucksmäuschenstill, nur noch das leise Plätschern vom eingießen des Weins war zu hören.
„Andreas, meine Freunde, Leute von Björkendal, es ist nun alles Wichtige gesagt. Andreas wird bei uns bleiben, um mit uns zu leben, so wie es bei uns Brauch ist. Trinken wir zusammen darauf, dass er einer von uns wird, trinken wir unseren Apfelwein, das Beste, was Björkendal zu bieten hat! Sei willkommen Andreas, bei den Apfelwikingern.“
Das letzte Wort löste bei allen an der Tafel eine Lachsalve aus. Jeder wusste, dass sie in Haithabu wegen ihres Weines, manchmal Apfelwikinger genannt wurden.
Alle hoben ihre Becher oder Trinkhörner und eine plötzlich einsetzende Welle von Worten brandete durch das Haus.
Nun erhob sich Andreas und stand, fast einen Kopf kleiner als Alvitur, neben ihm. Trotz seiner geringeren Größe war er eine ansehenswerte Erscheinung. Mit dem erhobenen Trinkhorn, seinen breiten Schultern und seinem offenen Gesicht, sah er eher wie ein Edelmann, als wie ein armer Mönch aus.
„Leute aus Björkendal, ich danke euch dafür, dass ihr mich bei euch so einfach aufgenommen habt. Ja, ich bin durch die halbe Welt gereist, einen Ort, wie diesen zu finden. Es ist nicht leicht in wenigen Worten zu erklären, wie ich das meine. Aber ich denke, da ich ja bei euch bleiben darf, werdet ihr mit der Zeit schon alles erfahren, was ich jetzt nicht in Worte fassen kann.“
Er unterbrach sich und nippte kurz an seinem Becher. Als Alvitur ihn auffordernd anschaute, fuhr er fort: „In Haithabu hatte ich Ernir kennen gelernt. Ernir ist ein guter Händler und ein Mann, auf den ihr stolz sein könnt. Wir saßen einige Abende zusammen und redeten. Seine Worte über Björkendal, über euch und wie ihr hier lebt, waren es, die mich davon überzeugten, dass es keinen besseren, keinen lebenswerteren Ort auf der ganzen Welt gibt, als euer Björkendal. Durch ihn wusste ich, das Alvitur der klügste Mann von Norwegen ist, dass ihr hervorragende Handwerker, wie Steinar, wie Finnur oder Leifur habt. Durch ihn erfuhr ich, dass ihr eine Gemeinschaft seid, in der Niemand jemals einsam ist, dass hier nie Einer hungern muss, während die Anderen sich satt essen können. Im Buch meines Glaubens gibt es einen Ort, an dem die Menschen glücklich sind; man nennt ihn Paradies. Alle Menschen meines Glaubens träumen von diesem Ort. Ich glaube, dass ich diesen Ort hier bei euch gefunden habe.“
Er machte wieder eine kleine Pause und an der Tafel ging ein Geraune los, in dem laufend das Wort Paradies auftauchte.
Andreas schwenkte sein Trinkhorn in einem Halbkreis und sah aufmerksam in die Menge. „Ich trinke auf euch und auf uns!“ – und er führte sein Horn zum Mund, da hielt er inne. „Etwas Wichtiges habe ich doch noch vergessen zu erwähnen. Ernirs Worte sprachen auch von wunderbaren Kindern die ihr hier habt, von seinem Sohn, den ich schon kennen gelernt habe und von seiner geliebten Tochter, der ich auch schon in die Augen schauen durfte. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft.“
Nun führte Andreas sein Trinkhorn wirklich zum Mund und nahm einen langen Zug vom Apfelwein.
Ganz hinten an der Wand, bei ihren Freunden saß Thurid und bekam bei den letzten Worten von Andreas schon wieder Herzklopfen. So, als ob er sie gerufen hätte, stand sie auf und suchte seinen Blick. Sie sah, dass Andreas sie auch bemerkt hatte. Ihre Blicke hielten einen kleinen Moment aneinander fest, dann trank Andreas noch einen Schluck und setzte sich wieder hin.
Etwas später setzte Sölvi sich zu seinen Freunden und brachte auch gleich etwas zum Essen mit. Sie schoben zwei Bänke herum und saßen nun als Gruppe zusammen.
„Falki und dein Vater werden also bald wieder hier sein, das hat der Andreas jedenfalls vorhin gesagt. Vielleicht noch ein, zwei Tage, dann ist Falki auch wieder bei uns.“
Sölvi hatte irgendwie das Gefühl Thurid trösten zu müssen. Sie sah abwesend und etwas traurig aus. Dass Alfger ständig einen Arm um Thurid hatte, gefiel ihm zwar überhaupt nicht, aber ändern konnte er es leider auch nicht.
Arnor platzte heraus: „Wenn der Mönch bei uns lebt, muss er ja auch mit uns arbeiten. Ich glaube, so wie der aussieht, wird er bestimmt in der Schmiede arbeiten wollen.“
„Das möchtest du wohl gerne, aber wenn er lieber Fischer sein möchte, oder Töpfer?“, warf Bjarki ein. „Er könnte ja auch bei uns töpfern. Wir brauchen ja immer wieder neue Krüge für den Wein und ständig Geschirr.“
So äußerte jeder in der Runde seine Gedanken und Vermutungen, verbunden mit dem Wunsch, den Fremden möglichst schnell kennen zu lernen.
„Ja, streitet euch mal richtig. Ich verwette drei Hühnereier, dass er ein guter Jäger ist und mit Ragnar unterwegs sein wird“, warf Alfger in die hitziger werdende Diskussion ein.
Thurid beteiligte sich nicht an dem Gedankenspielen der Freunde. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um Andreas’ Worte, „…ich glaube fast, ich bin deinetwegen hier gelandet.“
Sie spürte es richtig deutlich und fand Gefallen an diesem Gedanken, aber soviel sie auch nachdachte, ihr wollte nicht einfallen warum diese Worte in ihrem Gehirn umherkreisten.
Der Rest des Abends war für sie nur noch ein dumpfes Brummen in ihrem Kopf, das Stimmengewirr der anderen und ein unendliches Vollstopfen mit gebratenem Schweinefleisch.
Thurid fühlte, wie sie an der Schulter geschüttelt wurde.
„He, Kleines, wach auf. Die Sonne scheint. Du schläfst ja wie ein Bär im Winter. Hast du etwa zu viel Apfelwein getrunken?“
Thurid hatte Mühe die Augen auf zu bekommen. Dann gab sie sich einen Ruck und setzte sich auf.
„Mama, ich war nicht betrunken. Du weißt, dass ich das nicht mag. Ich war nur richtig voll von dem gebratenen Schwein.“
„Mädchen, meine Kleine, aber irgendwie kommst du mir krank vor. Fehlt dir etwas, tut dir was weh? Soll ich zu Fifilla gehen?“
Die Mutter fühlte nach Thurids Stirn.
„Hm, fühlt sich ganz normal an. Na gut, dann komm und iss etwas, und dann lass uns den Tag beginnen. Wir müssen heute noch ein paar Apfelbäume abernten, da ist also noch genug