Die Weisheit der Götter. Rupert Schöttle
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Weisheit der Götter - Rupert Schöttle страница 10
Tatsächlich entwickelte sich das sogenannte Sistema (Sistema de Orquestas Juveniles de Venezuela) zu einer weltweit beachteten Erfolgsgeschichte, das viele Kinder und Jugendliche zu begeisterten Musikern machte und dessen Konzept unterdessen auch in anderen Problemzonen der Welt mit Erfolg angewendet wird.
Aus diesem gingen bereits etliche Spitzenmusiker hervor, wobei Gustavo Dudamel sicherlich die spektakulärste Karriere machte. Nachdem er so überraschend zum Orchesterleiter aufgestiegen war, begann Dudamel 1996 sein Dirigierstudium bei Rodolfo Saglimbeni und trat noch in demselben Jahr sein erstes Amt als Musikdirektor des venezolanischen Amadeus-Kammerorchesters an. Mit gerade einmal 18 Jahren wurde er zum Chefdirigenten des staatlichen venezolanischen Jugendorchesters ernannt und setzte seine Dirigierstudien bei José Antonio Abreu fort. Mit 19 Jahren absolvierte er mit dem Orchester seine erste Deutschland-Tournee und debütierte mit ihm in der Berliner Philharmonie.
Aufgrund der Umstände erscheint die frühe Karriere des venezolanischen Talents geradezu märchenhaft und machte die ganze musikalische Welt auf das einzigartige Erziehungssystem seines Heimatlandes aufmerksam – und auf das singuläre Talent dieses jungen Dirigenten, der sich geradezu prototypisch als Galionsfigur einer neuen Dirigentengeneration eignet. Denn neben seinem außerordentlichen Talent sieht der junge Mann auch noch gut aus und besitzt die Fähigkeit, kraft seines südamerikanischen Temperaments die Massen zu Jubelstürmen hinzureißen und die Musiker gleichermaßen zu Höchstleistungen zu motivieren.
Die Grundlage seiner internationalen Karriere stellte der Gewinn des „Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerbs“ der Bamberger Symphoniker dar. Da war der Heißsporn gerade einmal 23 Jahre alt. Nach seinen Debüts mit dem Israel Philharmonic Orchestra, dem Orchestre Philharmonique de Radio France und dem London Philharmonia Orchestra im Jahre 2005 unterschrieb er bei der Deutschen Grammophon einen Exklusivvertrag, was ihn für alle großen Orchester interessant machte. Seitdem nahm der 2012 mit dem Grammy Award ausgezeichnete Dirigent zahlreiche CDs auf, unter anderem mit den Berliner und Wiener Philharmonikern, mit dem Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela und dem Los Angeles Philharmonic Orchestra sowie mit der Staatskapelle Berlin. Doch damit nicht genug: Gustavo Dudamel hat auch Komposition studiert und die Filmmusik zum Spielfilm Libertador geschrieben, der – wie könnte es auch anders sein – vom Leben des Volkshelden Simón Bolívar handelt.
Unterdessen hat er sich selbst zu einer Art Volksheld entwickelt, wovon zahlreiche Fernsehsendungen und die Dokumentation über ihn – Dudamel: Let the Children Play – zeugen, die in mehr als 500 Kinos in den Vereinigten Staaten gezeigt wurde. Die Auszeichnungen, die dem Ausnahmekünstler schon in jungen Jahren verliehen wurden, sind Legion. Bereits 2008 wurde dem Simón Bolívar Youth Orchestra der „Prinz-von-Asturien-Preis“ in der Kategorie Kunst zuerkannt, 2009 wurde er in Paris als Chevalier in den „Ordre des Arts et des Lettres“ aufgenommen, 2011 in die „Gramophone Hall of Fame“ und 2013 von Musical America zum „Künstler des Jahres“ ernannt. 2009 war er vom Time-Magazine in der Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten aufgeführt worden.
Dabei ging er seine Karriere für seine Verhältnisse geradezu behutsam an. Im Jahre 2007 übernahm Dudamel die Stelle des Chefdirigenten der Göteborger Symphoniker, wo er bis 2012 blieb. Im Jahre 2008 leitete er zum ersten Mal die Berliner Philharmoniker, zu denen er seitdem regelmäßig zurückkehrt. Er war sogar als Nachfolger Sir Simon Rattles als Chef dieses Paradeorchesters im Gespräch, entzog sich dieser Wahl aber durch seine vorzeitige Vertragsverlängerung beim Los Angeles Philharmonic Orchestra, als dessen Erster Musikdirektor er seit dem Jahr 2009 fungiert. Was auch folgerichtig schien, hatte ihm diese Stellung doch ermöglicht, in seinen Programmen eine besondere Vielfalt zu entwickeln – alleine 60 Werke erlebten in den ersten fünf Jahren seiner Ägide ihre Uraufführung, wovon er selbst 20 leitete. Eine solche Programmvielfalt wäre ihm als Chef des deutschen Nobelorchesters wohl kaum möglich gewesen. Zudem konnte er die Philosophie des Sistema auch in Kalifornien realisieren, wo er das Youth Orchestra Los Angeles (YOLA) initiierte, das regelmäßig Kinder aus prekären Verhältnissen aufnimmt und an Instrumenten ausbildet. Was wiederum als Vorbild für etliche andere Einrichtungen dieser Art in den Vereinigten Staaten, wie auch in einigen europäischen Ländern, in Schweden oder Schottland etwa, diente.
Denn Dudamel hat nie vergessen, woher er kam und wem er seine Karriere zu verdanken hat. Gemäß den Vorstellungen seines Mentors José Antonio Abreu will er die scheinbar elitäre klassische Musik allen Menschen zugänglich machen und möglichst viele Heranwachsende davon überzeugen, welch wichtige soziale Komponente das gemeinsame Musizieren beinhaltet. Er ist der festen Überzeugung, dass jeder Mensch Zugang zur Musik haben sollte. Diesem Grundsatz ist auch die Gründung der Gustavo Dudamel Foundation geschuldet, deren Ziel darin besteht, möglichst vielen Kindern – ungeachtet ihrer Herkunft – die Möglichkeit zu geben, Musik aktiv und passiv erleben zu können. Folgerichtig leitet Dudamel nach wie vor das Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela, mit dem er regelmäßig auf Reisen geht. Jedes Jahr verbringt er bis zu fünf Monate mit den Orchestern und den Kindern von El Sistema in seinem Heimatland. Die Idee, wie auch die Qualität des Simón-Bolívar-Jugendorchesters haben unterdessen auch Dirigentenstars wie Claudio Abbado, Daniel Barenboim und Sir Simon Rattle überzeugt, die allesamt schon mit ihm musiziert haben. Als Musikdirektor des Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela wacht Dudamel bis heute über die Qualität des Ergebnisses dieses einmaligen Erziehungsprojekts.
Nachdem er auf symphonischem Gebiet schon so großartige Erfolge verzeichnet hatte, wagte er sich 2015 erstmals auch in die großen europäischen Opernhäuser. Zwar hatte er schon 2006 mit Don Giovanni an der Mailänder Scala und 2007 mit Gaetano Donizettis L’elisir d’amore an der Berliner Staatsoper als Operndirigent debütiert, doch für eine Neueinstudierung nahm er sich noch ein wenig Zeit. Nach einer Bohème an der Mailänder Scala mit dem Simón Bolívar Symphony Orchestra im Jahre 2015 leitete er an der Berliner Staatsoper eine Neuproduktion von Mozarts Le nozze di Figaro. Im April 2016 gab er sein aufsehenerregendes Debüt an der Wiener Staatsoper mit einer Neuproduktion von Puccinis Turandot. Mit den Wiener Philharmonikern verbindet ihn ohnehin schon länger eine herzliche künstlerische Beziehung.
Wie anders ist es zu erklären, dass sie Dudamel als bislang jüngstem Dirigenten das renommierte Neujahrskonzert 2017 anvertrauten?
FRAGEN AN GUSTAVO DUDAMEL
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, mit irgendeinem Komponisten, ob tot oder lebendig, einen Abend zu verbringen, mit wem wollten Sie sich treffen und was würden Sie ihn fragen?
Zweifellos mit Beethoven. Ich würde ihn fragen, welche Oper er als Nächstes geschrieben hätte. Fidelio ist so großartig, dass ich mich oft gefragt habe, was er wohl als Nächstes geschrieben hätte.
In welcher Zeit hätten Sie als Komponist am liebsten gelebt?
Ich bin sehr glücklich in der heutigen