Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten. Adrian Plass

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Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten - Adrian Plass

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Er weiß am besten, welche Leute er darum bitten kann.«

      »Ach«, sagte ich, »ich hatte eigentlich eher gedacht, ich würde mir aussuchen, wer dazukommt.«

      »Genau«, sagten Anne und Gerald im Chor.

      Dankte Gott widerwillig, aber aufrichtig für meine Familie, bevor ich heute Abend zu Bett ging.

      Wüsste gern, ob Norma Twill in meiner Unterstützergruppe sein wird. Eigentlich aus keinem besonderen Grund. Wüsste es nur gern, weil sie – nun, weil sie sehr … äh … nett ist.

      Zwei Uhr nachmittags.

      Habe gerade mit Everett Glander zu Mittag gegessen, der sich immer noch nicht bekehrt hat, obwohl er doch nun schon seit zehn Jahren Kontakt zu mir hat – dem großen reisenden Evangelisten!

      Werde allmählich ziemlich nervös. Wenn ich es nicht schaffe, die Person zu bekehren, die seit einem Jahrzehnt neben mir sitzt, wie soll ich dann bei irgendjemand anderem etwas bewirken? Was bilde ich mir eigentlich ein? Ich meine, ich fühle mich nicht einmal wie jemand, von dem man sich vorstellen könnte, dass Gott ihn gebraucht, um mit Menschen zu kommunizieren. Und was bringt mich auf den Gedanken, dass eine Gruppe vielbeschäftigter Leute ihre Zeit damit verschwenden würde, mich zu unterstützen, wenn sie selbst wichtige Dinge zu tun haben? Und warum sollte Gott überhaupt wollen, dass ich, ausgerechnet ich, hingehe und ihn repräsentiere? Angenommen, er will eigentlich gar nicht, dass ich ihn repräsentiere, aber meine Ohren sind vom Satan verstopft worden. Was ist, wenn der Teufel mich um den Finger gewickelt hat? Angenommen, ich wäre ein aktiver Handlanger des Bösen, ohne es zu merken. Was ist, wenn ich der Antichrist bin? Was ist, wenn ich tatsächlich das Tier aus der Offenbarung bin, dazu bestimmt, für alle Ewigkeit in den Feuersee geworfen zu werden?

      Beunruhigt mich ein bisschen, der Gedanke.

      23.30 Uhr.

      Habe Gerald gezeigt, was ich im Büro geschrieben habe, als er heute Abend heimkam. Er las es und sagte: »Ja, sehr ausgewogener Gedankengang, Papa, wie üblich. Meinst du nicht, du hast dich da vielleicht ein kleines bisschen hineingesteigert? Wenn die Engel dereinst gemächlich durch die Stadt aus Gold schlendern und ihr Tier mit Pommes genießen, eingewickelt in alte Heukelbach-Traktate, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass du es bist, den sie da verzehren.«

      Sagte ihm, dass ich eigentlich selbst nicht glaube, was ich da geschrieben habe – es käme mir nur sozusagen etwas albern vor, mir einzubilden, dass Gott mich »aussendet«. Er nickte sehr nachdenklich und sagte, er werde die Angelegenheit gründlich überdenken.

      Weiß nicht, was mit Gerald im Moment los ist. Bin nicht sicher, ob wir uns Sorgen um ihn machen sollten oder nicht. Er hat seinen Job hingeschmissen und ist wieder bei uns eingezogen. Schön, ihn hier zu haben, aber was ist los? Im Moment lebt er von seinen Ersparnissen und sagt, er habe eine große Entscheidung zu treffen. Anne und ich ertappen uns ständig dabei, dass wir nervös hinter ihm herschleichen, als ob er jeden Augenblick explodieren könnte. Ständig macht er lange Spaziergänge oder arbeitet stundenlang an seinem Computer oder sitzt einfach still in seinem Zimmer.

      Er sagt, er würde gerne mitkommen, wenn ich losziehe, um meine Ansprachen zu halten. Gutes Zeichen – oder?

      Sicher.

      Habe heute frei genommen, um einige wichtige Vorbereitungen zu treffen.

      Kam spät herunter und stellte fest, dass Gerald bereits zu einem seiner Marathon-Spaziergänge aufgebrochen war. Fand einen Umschlag auf dem Küchentisch, der schlicht an »666« adressiert war. Finde ich überhaupt nicht amüsant. Drinnen waren vier beschriebene Blätter. Das erste las sich folgendermaßen:

      Lieber Spielball Satans,

      habe über das nachgedacht, was du gestern gesagt hast, und bin zu dem Schluss gekommen, dass du dir keine Sorgen zu machen brauchst, solange du nicht tatsächlich anfängst, dich für jemanden zu halten, auf dessen Mitarbeit zu verzichten Gott sich gar nicht leisten könnte. Er hat schon immer Idioten gebraucht – tut mir leid, ich meine damit nicht, dass du ein Idiot bist. – Du weißt schon, wie ich das meine. Was ich sagen will, ist: Es gibt keine besonderen Leute, nur gewöhnliche. Wenn er meint, dass du ihm von Nutzen sein kannst, dann ist das sein Problem, nicht deines. Ich dachte mir, dich interessiert vielleicht der beigelegte Abschnitt aus der Bibel, den ich ein wenig umgeschrieben habe. Ich glaube eigentlich nicht, dass es damals anders war. Gewöhnliche Leute – etwas anderes gibt es nicht.

      Alles Liebe,

      der Sohn des Tieres.

      Machte mir einen Kaffee, setzte mich an den Küchentisch und faltete die drei Blätter auseinander, die mit dem Brief im Umschlag gewesen waren. Habe Geralds »umgeschriebenen Bibelabschnitt« hier abgeschrieben. Was wohl Gott davon hält? Ich habe so ein komisches Gefühl, als ob er für Gerald die Regeln ein bisschen großzügiger auslegt …

      »Nach diesem aber bestellte der Herr auch siebzig andere und sandte sie zu je zwei vor seinem Angesicht her in jede Stadt und jeden Ort, wohin er selbst kommen wollte. Er sprach aber zu ihnen: ›Die Ernte zwar ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. Gehet hin! Siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe. Traget weder Börse noch Tasche noch Sandalen, und grüßet niemand auf dem Weg.‹

      Und siehe, einer von den siebzig erhebt seine Hand und fraget: ›Wenn du ›Sandalen‹ sagst, Herr, sollen wir das als allgemeinen Oberbegriff für alle Arten von Fußbekleidung verstehen, oder geht es dir insbesondere um Sandalen. Ich frage nur, sintemal ich ein außerordentlich schönes Paar Wanderschuhe besitze, ideal für Leute, die umherwandern, wie du es uns wahrlich befiehlst.‹

      Bevor der Herr antworten konnte, fällt ihm ein anderer ins Wort und spricht: ›Herr, ich habe deine Worte vernommen, aber siehe, die Haut unter meinen Füßen und auch unter den Füßen meines Freundes Fidybus – dessen, der mit mir zusammen eine Zweiergruppe bildet, sintemal wir über längere Zeit gut miteinander auskommen und das schon immer so war, seit wir als Knaben zusammen spielten … äh, mir entfällt, was ich sagen wollte …‹

      Jesus spricht müde: ›Etwas über die Haut unter deinen Füßen und denen deines Freundes Fidybus?‹

      ›Ah, wahrlich, ja, jetzt kommt es mir wieder. Die Haut unter meinen Füßen ist ebenso wie die unter den Füßen meines Freundes Fidybus, denn sie wird auf steinigem Boden bald wund und empfindlich. Und uns kommt der Gedanke, dass der Anblick zweier Männer, die einander stützen und langsam und unter Schmerzen einherhumpeln und ›Uh!‹ und ›Ah!‹ und ›Au!‹ machen, wann immer einer von ihnen einen Fuß auf die Erde setzt, diejenigen in den Städten und Orten, in die du uns sendest, zum Spott veranlassen könnte, wenn wir die Botschaft verkündigen, dass der Sohn Gottes naht. ›Wie müssen erst seine Füße aussehen, wenn er noch nicht einmal mit diesen beiden Clowns Schritt halten kann!‹ werden sie höhnen. Dürfen wir daher, Meister, um deinen Segen für den Einfall bitten, Lumpen um jeden meiner Füße und jeden der Füße meines Freundes Fidybus zu wickeln? Schließlich fallen Lumpen keineswegs unter die Wörterbuchdefinition von Sandalen, stimmst du uns nicht zu?‹

      Und siehe, ein wahrliches Babel fußbekleidungsbezogener Anfragen erfüllt die Luft, und Jesus erhebt seine Hand und spricht: ›Moment mal! Lasst mich die Sache klarer ausdrücken. Keine Sandalen bedeutet nichts an den Füßen, ja? Nichts! Weder Wanderstiefel noch Lumpen noch Tennisschuhe noch Skateboards noch irgendetwas, das

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