Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten. Adrian Plass
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Читать онлайн книгу Die rastlosen Reisen des frommen Chaoten - Adrian Plass страница 5
›Ja, Thomas?‹
›Wegen deines Befehls, dass wir zu je zwei gehen sollen.‹
›Ja?‹
›Äh, niemand will mit Thribbiel gehen.‹
Und der Herr fragt: ›Nun, und warum will niemand mit Thribbiel gehen? Er sieht doch ganz verträglich aus.‹
›Er ist ein bisschen merkwürdig, Herr.‹
›Nun, wir sind alle ein bisschen merkwürdig, oder nicht? Wie auch immer, ich organisiere es immer so, dass wir eine gerade Anzahl ergeben. Mit wem gehst du, Thomas?‹
Thomas erwidert traurig: ›Mit mir will auch niemand gehen, Herr. Schon in der Grundschule hat mich nie jemand ausgewählt.‹
›Nun, könnte es nicht sein, dass Thribbiel mit dir gehen will?‹
›Ich bezweifle es.‹
›Nun, dann fragen wir ihn doch einfach, was meinst du? Thribbiel, möchtest du Thomas begleiten?‹
›Ja, Herr, aber könntest du ihn bitten, dass er sich ein bisschen weniger negativ benimmt? Er kann einen so richtig ›runterziehen‹.‹
›Thomas, kannst du das tun?‹
›Ich bezweifle es, aber wahrlich, ich werde es versuchen.‹
›Gut‹, spricht der Herr, ›und nun können wir vielleicht endlich weitermachen. Macht euch auf zu je zwei, und – ‹
›Befiehl Thribbiel, dass er nicht so viele Witze macht, Herr. Es liegt wenig Sinn darin, dass ich positiver bin, wenn er nicht einmal versucht – ‹
›Macht das unter euch aus!‹ spricht der Herr. ›Wahrlich, diese ganze Angelegenheit wirkt eher wie ein Kindergartenpicknick denn wie ein Auftrag, das Reich Gottes zu errichten.‹ Er hält inne, um sich zu sammeln. ›Also, ich wiederhole meinen Befehl, dass ihr euch zu je zwei aufmacht, weder Beutel noch Tasche noch Sandalen tragt und unterwegs niemanden grüßt. Und jetzt geht!‹
Doch sofort erhebt einer der Siebzig seine Hand, um den Herrn zu fragen, ob er ein kleines rosa Handtuch mitnehmen dürfe, und sofort fangen alle wieder von vorne an. Einer erkundigt sich bezüglich seines Kulturbeutels, der genau in eine kleine Tasche passt, die ihm seine Mutter extra in sein Gewand genäht hat, ein anderer fleht, ihm möge ein kleines Stofftier gestattet sein, ohne welches er sich nachts nicht sicher fühlt, und wieder ein anderer wünscht für den Fall, dass er den Herrn selbst unterwegs trifft, zu wissen, ob der Befehl, niemanden zu grüßen, auch für diesen Fall gilt, bis sich, siehe, ein großer Lärm törichter Fragen erhebt.
Da ruft der Herr laut nach Ruhe und spricht: ›Hört mal, ich glaube, wir haben den Sinn dieser Reise noch nicht ganz begriffen, nicht wahr? Es geht nicht darum, dass ihr alle möglichen Sachen in euer Gepäck schmuggelt und euch darauf herausredet, dass Stofftiere nicht durch die Duden-Definition von Sandalen abgedeckt sind, sondern darum, dass ihr von mir abhängig seid! Versteht ihr das? Kein Beutel, keine Tasche, keine Sandalen, kein Teddybär, keine Visakarte – geht einfach!‹ Darauf senkt sich ein langes Schweigen herab, und gerade als Jesus schon glaubt, sie seien jetzt tatsächlich zum Aufbruch bereit, erhebt sich eine ängstliche Hand.
Jesus betrachtet den Besitzer der Hand mit zusammengekniffenen Augen. ›Ja?‹
›Äh, wegen deines Befehls, dass wir keine Börse mitnehmen sollen, Herr?‹
›Ja‹
›Nun, äh, um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was eine Börse ist, Herr, und, nun ja, es macht mir Sorgen, dass ich, äh, eine Börse mitnehmen könnte, ohne zu wissen, dass ich sie habe. Also dachte ich mir …‹
Als sie das hören, spotten die anderen neunundsechzig laut, lachen und rufen: ›Ha! Du Depp! Weißt du nicht, was eine Börse ist? Das weiß doch jedes Kind. Was für ein Trottel!‹ Da knirscht Jesus mit den Zähnen und spricht: ›Also schön, wer kann uns sagen, was eine Börse ist?‹
Und siehe, das Lachen verfliegt von den Gesichtern der neunundsechzig. Einer wagt eine Vermutung, eine Börse habe etwas mit Aktien zu tun.
Jesus schüttelt den Kopf und spricht: ›Also schön, wie viele wissen nicht, was eine Börse ist?‹
Alle siebzig erheben ihre Hände.
Jesus stößt einen kleinen Seufzer aus, lächelt vor sich hin und spricht: ›Na gut, setzt euch wieder hin. Ich fange noch einmal von vorne an …‹«
Freitag, 4. Februar
Was Gerald gestern gesagt hat, hat mich sehr aufgeheitert und inspiriert. Er hat absolut recht! Ich bin qualifiziert, für Gott zu sprechen, gerade weil ich nur ein ganz gewöhnlicher Nachfolger bin. Bilde mir ein, dass ich diese Tatsache jetzt mehr zu schätzen weiß als die meisten Leute. Ich brenne regelrecht für den Herrn! Kann es kaum erwarten, morgen zu einer Veranstaltung bei »Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« in West Hammerton zu fahren, einem Dorf hier in der Nähe. Diese Leute haben mich eigens gebeten zu kommen. Sie freuen sich darauf, und ich werde ihnen nicht durch meine dummen Sorgen um mich selbst die Freude oder den Zugang zu geistlichen Dingen vermiesen.
Halleluja!
Samstag, 5. Februar
Kam um halb drei mit Gerald im Gemeindehaus in West Hammerton an, reichlich rechtzeitig für meinen Vortrag, der für drei Uhr angesetzt war. Ging in die Halle mit meinem schüchternen Ja-ich-bin’s-Leute-aber-ich-bin-auch-nicht-andersals-ihr-Ausdruck auf dem Gesicht. Hätte mir die Mühe sparen können. Es schien sowieso niemand zu merken, wer ich war.
Als wir eintraten, kam ein elegant gekleideter, ziemlich alter Mann mit steif militärischer, aber schon etwas unsicherer Haltung auf uns zu, der sich als Mr. B. Granger vorstellte, Sekretär von Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club. Sagte, die Person, die mich eingeladen habe, könne leider nicht kommen, weil sie inzwischen verstorben sei (eine erbärmlich lahme Ausrede, wie Gerald später bemerkte), sodass er eigentlich nicht so recht wisse, was hier eigentlich laufe.
Erschwerend komme hinzu, erklärte er mit seiner altersdumpfen, bellenden Stimme, dass ich die Alternative zu jemandem sei, der, soweit ich es verstehen konnte, nicht hatte an die Stelle eines Mannes treten können, der nicht als Ersatz für eine Frau hatte kommen können, die abgesagt hatte, einen wunderbaren Menschen namens Mr. A. Whittle zu vertreten, der ein Experte über »West Hammerton in alter Zeit« war und dessen Erscheinen (nebst dem seiner Dias) eigentlich der allgemeine Wunsch gewesen wäre.
Ob ich auch Dias mitgebracht hätte? Nein, weniger. – Oh.
Auf eine Frage von Gerald hin erklärte Mr. B. Granger, dass
»Reginalds und Eileens Nachmittagstee-Club« seinen Namen der Tatsache verdanke, dass er vor vielen Jahren von zwei Leuten namens Reginald und Eileen ins Leben gerufen worden war, die inzwischen ebenfalls verstorben waren.
Gerald nickte verständnisvoll.
Die meisten der etwa zwanzig älteren Leute, die in Viereroder Fünfergruppen an den kleinen Tischen saßen, starrten mich an, als ich Mr. B. Granger zu der Stelle folgte, wo ein Mikrofon gestanden hätte, wenn sie eines besessen hätten.
Sie