Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов

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Wirtschaft, und damit der gesamten Stadt, so wird nun erst nachvollziehbar, warum die Menschen des Jahres 1960 die seit 1958 in Form von Feierschichten auftretenden ersten, noch recht moderaten Anzeichen der Bergbaukrise nicht als Auftakt zu dramatischen Ereignissen bewerteten. Zwar wurde der Energieträger Öl als preiswerte Konkurrenz zur Steinkohle bewusst. Aber das hatte es schon seit den 1920er Jahren gegeben, dass Kohle vom Weltmarkt, aus Chile, Südafrika oder den USA, preiswerter war als die Ruhrkohle und den Zechen zu schaffen machte. Sogar Zechenschließungen zählten seit der Weltwirtschaftskrise 1931 zum schmerzhaften Erfahrungsschatz der Menschen. Folglich bedurfte es einiger Zeit, tiefgreifender Erkenntnisse und der allmählichen Betrachtung vielfältiger Zusammenhänge in Industrie, Dienstleistungen, Gesellschaft und Bevölkerung, damit die Oberhausenerinnen und Oberhausener fortan im Verlauf der 1960er Jahre allmählich erkannten und verinnerlichten: Auf die Jahrzehnte von Wandel und Wachstum würden von nun an Jahre des Wandels und der Stagnation, später auch der allmählichen Schrumpfung der Stadt folgen. Seit der ersten spürbaren Konjunkturkrise in der Geschichte der noch jungen Bundesrepublik im Jahr 1967 wurde dann klar: Es hatte ein Wandel begonnen, in dessen Folge Oberhausen nicht mehr auf immer mehr Menschen, Wohnungen und Arbeitsplätze abzielte. Es hatte ein Wandel eingesetzt, der allmählich die bislang überragende Bedeutung von Kohle, Eisen und Stahl in der Industriestadt Oberhausen fundamental in Frage stellen würde!

      In den frühen 1960er Jahren zeigte die „Wiege der Ruhrindustrie“ den Menschen das ihnen bekannte Gesicht einer von Stahlwerken, Schwerindustrie und Steinkohlezechen geprägten Stadt. Lärm, Qualm und Kohlestaub waren allgegenwärtig. Aber die Menschen in Oberhausen waren stolz auf das, was sie in den ersten 15 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaut hatten. Die Jahre des Wirtschaftswunders hatten ihren Höhepunkt in Oberhausen und im Ruhrgebiet erreicht. Die Firma Rück baute 1961 ihre erste Möbelhalle an der Straßburger Straße, in den mehr als 400 Gaststätten sorgten über 1.400 Beschäftigte für das leibliche Wohl und über 60 Trinkhallen, auch heute noch liebevoll „die Bude“ genannt, waren der beliebte Treffpunkt um die Ecke. Die Oberhausener erlebten in diesem Jahrzehnt auch den Beginn eines anhaltenden Strukturwandels im täglichen Leben: Der Einzelhandel wandelte sich „vom „Tante-Emma-Laden“ zum Supermarkt – das Warenangebot wurde vielfältiger und in modernisierten oder zum Teil neu erbauten bzw. erweiterten Geschäftsräumen angeboten“ (WAZ, 21. August 1971). 1968 wurden im Einzelhandel über 1.800 Arbeitsstätten mit fast 9.600 Beschäftigten gezählt.

      Es deutete nur wenig auf die in wenigen Jahren einsetzenden einschneidenden Veränderungen in der Oberhausener Wirtschaft hin: In Deutschland insgesamt herrschte Vollbeschäftigung, mit Ausnahme der Jahre 1967 und 1968 lag die Arbeitslosenquote in den 1960er Jahren unter einem Prozent. Bergbau und Industriebetriebe äußerten sich besorgt über den Mangel an Arbeitskräften. Im Dezember 1961 meldete das Oberhausener Arbeitsamt 579 Arbeitslose bei 3.020 offenen Stellen. In den Jahren bis 1965 wurden maximal 800 Arbeitslose gezählt, gleichzeitig ging die Zahl der offenen Stellen auf 1.800 (1965) zurück.

      Dank reger Bautätigkeit verbesserte sich die Wohnraumversorgung der Oberhausener Bevölkerung von Jahr zu Jahr: Von 76.300 (1960) auf 85.600 (1970) Wohnungen. Das Angebot an Großwohnungen mit fünf Räumen fällt dabei mit einer Steigerung um 60 Prozent, von 5.900 (1960) auf 9.900 (1970), besonders auf.

      Die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge hatte sich im Zeitraum 1960 bis 1970 mehr als verdoppelt, von 25.700 auf über 54.200, und weist damit auf ein steigendes Einkommensniveau breiter Bevölkerungsschichten hin. Das erhöhte Verkehrsaufkommen führte allerdings auch zu einer sehr hohen Zahl an Verkehrsunfällen, wie beispielsweise in 1966 mit 1.400 verletzten und 36 getöteten Personen.

      Die Einwohnerzahl nahm jährlich zu und erreichte im Januar 1964 mit 260.614 Personen ihren Höchststand. In den Folgejahren ging sie ständig zurück. Über die Gründe wird später zu berichten sein5.

       Krisenanfällige Wirtschaftsstruktur

      Monostrukturen, und eine solche ist auch die Montanindustrie, sind immer anfällig für wirtschaftliche und regionale Veränderungsprozesse. Das Wort von der „Beständigkeit des Wandels“ gilt nicht nur für das Ruhrgebiet, sondern in besonderem Maße auch für Oberhausen.

      Das Strukturbild der Oberhausener Wirtschaft 1961, dem Jahr mit der höchsten Beschäftigtenzahl von 108.600 tätigen Personen, zeigt die besondere Abhängigkeit der städtischen Wirtschaft von den Großbetrieben im Bergbau, der Roheisen- und Stahlerzeugung sowie im Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau. Fast die Hälfte aller Beschäftigten in Oberhausen arbeitete damals im Steinkohlenbergbau (16.400), bei der Hüttenwerke Oberhausen AG (13.600), der GHH Sterkrade AG (9.200), der Deutschen Babcock AG (7.100) und der Ruhrchemie AG (2.800).6

      Die weithin sichtbaren Schächte, Fördertürme, Hochöfen und die Anlagen der Chemischen Industrie beherrschten nicht nur optisch das Stadtbild. Sie waren auch ein Symbol für die Macht der Montanunternehmen und für ihren Einfluss auf das Wirtschaftsleben. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass außerhalb dieser Großbetriebe weitere 12.000 Menschen in Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes arbeiteten. Hierzu zählten 1961 (Mitarbeiterzahlen jeweils in Klammer) u. a. die folgenden Unternehmen: Polstermöbelwerke Carl Hemmers (1.800), Oberhausener Glasfabrik (600), Kesselfabrik Jacobs & Co, (450), Gußstahlwerk Hermann Sellerbeck (150), Continental Lack- und Farbenwerke (150), Zinkweißfabrik (160), Altenberg, Metall- und Eisengießerei Fitscher, Neue Ludwigshütte, Kempchen (130), Krebber (180 in 1960). Einige der hier nur beispielhaft aufgeführten Betriebe produzieren auch heute noch in Oberhausen an ihrem ursprünglichen Standort.7

      Gleichwohl wies Oberhausen im Vergleich zu den Nachbarstädten die höchste Konzentration an Arbeitsplätzen im primären und sekundären Wirtschaftsbereich auf. Der niedrigen Arbeitsstätten- und hohen Beschäftigtenzahl in diesen Bereichen stand eine hohe Zahl an Arbeitsstätten und eine verhältnismäßig niedrige Beschäftigtenzahl im tertiären Sektor gegenüber, was die kleinbetriebliche Struktur in den Dienstleistungen zum Ausdruck bringt.

      Trotz der dominierenden Großbetriebe erreichte die Wirtschaftskraft der Stadt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, in den 1960er Jahren nicht die Durchschnittswerte des Landes Nordrhein-Westfalen. 1967 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Oberhausen 6.360 DM je Einwohner, im Land NRW dagegen 8.390 DM, in Essen 9.760 DM und in Duisburg 10.630 DM.

      Und eine weitere Schwäche der Oberhausener Wirtschaft wurde ebenfalls in der 1970 vorgelegten umfangreichen Unterlage für die Arbeitsgruppe „Kommunale Neugliederung im Ruhrgebiet“ aufgezeigt, nämlich unterdurchschnittliche Einzelhandelsumsätze und deutliche Kaufkraftabflüsse in die Nachbarstädte. Während der Einzelhandel in Oberhausen 1966 lediglich einen steuerpflichtigen Jahresumsatz von 1.829 DM je Einwohner erzielte, waren es insbesondere aufgrund der dort ansässigen Großhandelskonzerne in Mülheim 6.684 DM und in Essen sogar 7.876 DM. Im Landesdurchschnitt waren es 2.666 DM.8

       Tabelle 2: Beschäftigtenentwicklung in ausgewählten Wirtschaftsbereichen in Oberhausen

       * Stilllegung der Zeche Osterfeld 1992

       Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wohlen

       Dramatischer Beschäftigungsabbau

      In den Jahren von 1961 bis 1970 erlebte Oberhausen den höchsten Abbau von Industriearbeitsplätzen in der gesamten Stadtgeschichte. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 18.600 Arbeitsplätze abgebaut. Betroffen hiervon waren neben dem Bergbau, mit dem Verlust

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