Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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um die Gewerbeflächen dann für Anderes zu nutzen. „Zeit, Geld und Grundstücke“ brauchte es für die Ansiedlung neuer Betriebe. „Zeit ist allerdings heute das einzige, wovon man mehr hat, als man braucht.“ S. hieß es dann aber doch etwas kleinlaut. Nur für das Kraftwerk der Concordia am Kanal gab es schon konkretere Pläne. Es sollte in eine große Müllverbrennungsanlage umgewandelt werden.135

      Nicht für alle war die Stilllegung der Concordia eine bittere Erfahrung. Die Aktienkurse des Unternehmens stiegen im Frühjahr 1968 steil an.136

      Mittlerweile sah die Situation auch auf den HOAG-Zechen des Stadtgebiets nicht rosig aus. Oberhausen, so die IG Bergbau, war 1967 die Stadt mit den meisten Feierschichten – bundesweit.137 Ab 1966 setzte die Frühverrentung ein. Bergleute, die über 55 Jahre alt waren, erhielten das Angebot, mit vier Fünfteln der Rente vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Ab 60 sollte die Rente dann auf ihren vollen Betrag aufgestockt werden. Der Osterfelder Bergmann und Schriftsteller Wilhelm Erbing nahm dieses Angebot durchaus positiv auf. Wenn die „Rationalisierungsrentner“ freiwillig gingen, so war das in Ordnung. Im Übrigen sah er für die Kohle durchaus noch eine Zukunft: „Wir Oberhausener Bergleute kennen keine Existenzangst, denn wir sind voller Zuversicht, dass sich auch in Zukunft in unseren Schachttürmen die Seilscheiben drehen werden! Und wir sind voller Hoffnung, weil wir glauben, dass es für unsere Kohle keinen Abgesang geben wird.“138

       Zeche Concordia als Filmkulisse

      Bevor die Zechengebäude der Concordia abgerissen wurden, mussten sie noch als Filmkulisse herhalten. Der italienische Regisseur Visconti drehte auf dem Zechengelände in Lirich die „Götterdämmerung“, ein düsteres Werk über eine Industriellen-Dynastie in der Nazi-Zeit, in der viele die Familie Krupp zu erkennen glaubten. In einer großen Trauerprozession schritten die damaligen Stars Dirk Bogard und Ingrid Thulin über die von Oberhausener Statisten noch ein letztes Mal bevölkerte Zeche Concordia. Es gab einen Unfall bei den Dreharbeiten: Ein Güterzug rammte beim Rangieren die sechs Meter hohen hölzernen Kulissen. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Umso mehr Ärger gab es mit den Statisten, weil die italienische Produktionsfirma die versprochenen 50 DM nicht pünktlich zahlte. Es gab Proteste und tätliche Auseinandersetzungen vor der Stadthalle; selbst ein Photoreporter der NRZ wurde attackiert, seine Kamera beschädigt. Kulturdezernent Hilmar Hoffmann musste vermitteln. Am Ende entschuldigte sich die italienische Produktionsfirma: Die italienischen Devisenbestimmungen hätten verhindert, dass das Geld für die Bezahlung der Statisten rechtzeitig eintraf. Am Tag nach den Tumulten vor der Stadthalle konnte dann doch auf Concordia gedreht werden.139 Vierzig Jahre später würde das Oberhausener Theater den Visconti-Film als Stoff für ein phantasievolles Stück im alten Gästehaus der GHH in Sterkrade nutzen!

      Der Wirbel um die „Götterdämmerung“ rief bei alten Oberhausenern die Erinnerung an die 1930er Jahre wach, als die hiesige Industrie schon einmal zur Kulisse eines Spielfilms wurde. Auch damals war es ein Trauerzug, den Regisseur Veit Harlan mit dem Star Emil Jannings an der Spitze über das Werksgelände der GHH an der Essener Straße marschieren ließ. Die Stahlwerke bildeten auch den Hintergrund einer Versammlung, bei der „Der Herrscher“ – so der Filmtitel – zu seinen Arbeitern sprach. Der allergrößte Teil des „Herrschers“ – einer fürchterlichen Schnulze um den alternden Generaldirektor, der sich in seine junge Sekretärin verliebte – wurde aber im Studio gedreht. Goebbels persönlich soll sich um diesen Film gekümmert und ihn für gut befunden haben.140

       Bilanz

      In der Rückschau stellen sich uns die 1950er und 1960er Jahre als eine Epoche dar, in der die Menschen mit großem Optimismus an die Bewältigung der Kriegsfolgen und an den Wiederaufbau ihrer Stadt herangingen. Ihre Zuversicht gründete sich bis 1960 auf beeindruckenden wirtschaftlichen Erfolgen und ebenso auf einer Bevölkerungskurve, die von 1946 bis 1963 einen Anstieg der Einwohner von 160.000 auf 260.000 verzeichnete. S. wird verständlich, warum auf die Anzeichen von Krise im Bergbau meist mit der Erwartung reagiert wurde, andere Branchen würden für einen Ausgleich sorgen. Eine Schrumpfung der Stadt passte schlicht nicht in die Vorstellungswelt der Wirtschaftswunder-Optimisten.

      Kommunalpolitisch bemerkenswert ist die markante Umgestaltung der Parteilandschaft im Vergleich zur Weimarer Republik. Zwei Volksparteien, SPD und CDU, traten an die Stelle eines vielfältigen Spektrums bürgerlicher wie sozialistischer, aber auch rechts-konservativer Parteien. In Oberhausen wie im gesamten Ruhrgebiet verlor das ehemals starke katholische Zentrum in den 1950er Jahren zunächst an Bedeutung gegenüber der „christlichen Volkspartei“ CDU, sicher unter dem prägenden Einfluss der Bundespolitik und einer so markanten Persönlichkeit wie Konrad Adenauer. In den 1960er Jahren jedoch verschwand das Zentrum auch deshalb unter der Fünf-Prozent-Hürde, weil zahlreiche seiner Anhänger nun auch eine politische Heimat in der SPD fanden. Hugo Baum, späterer Sozialdezernent, ist dafür das prägnanteste Beispiel. Ohne die Öffnung der SPD für katholische wie evangelische Christen, und auch ohne die Integrationskraft sozialdemokratischer Persönlichkeiten von Luise Albertz bis zu vielen Multifunktionären in Stadtrat, Betriebsrat und zum Beispiel Gesang-, Sport- oder Schützenvereinsvorstand wäre der Aufstieg der SPD von rund 15 Prozent um 1930 zur absoluten Mehrheit von über 50 Prozent seit 1964 nicht vorstellbar gewesen.

       Magnus Dellwig / ​Ernst-Joachim Richter

Wirtschaft im Wandel

      Strukturwandel in Oberhausen beschreibt einen Prozess, der im Verlaufe eines halben Jahrhunderts von 1960 bis 2011 die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse der Menschen in der Stadt von Grund auf veränderte. Aus der jungen Industriestadt auf dem Höhepunkt des „Wirtschaftswunders“ nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich über manche Krisen in Kohle, Eisen und Stahl – aber auch in vielen weiteren Wirtschaftszweigen – im beginnenden 21. Jahrhundert der Dienstleistungsstandort mit dem Alleinstellungsmerkmal als neues Tourismus- und Freizeitzentrum der Metropole Ruhr. Die Jahre um 1960 markieren in der Rückschau eine einschneidende Zeitenwende. Der Boom der Nachkriegsjahre bei Kohle und Stahl schlägt in eine Verlangsamung des Wachstums, in die Stagnation der Stadtbevölkerung und in den Auftakt zur Kohlekrise um. Dennoch vermittelt der Zeitgeist der Zeitgenossen uns nachfolgenden Generationen über Zeitungen, Stimmungen, Literatur, Feste, Arbeitswelt und Kommunalpolitik den Eindruck, die Menschen im Oberhausen des Jahres 1960 hätten nahezu nichts davon bemerkt, dass sie in einer Zeitenwende lebten, in der wichtige Lebensgrundlagen für immer tiefgreifend erschüttert wurden.

      Wie konnte das sein? Und welche Veränderungen waren es eigentlich, die damals bereits in vollem Gange waren oder aber gerade eingeläutet wurden? Auf diese wichtigen Fragen für das Oberhausen von heute, für das Leben in der Gegenwart versucht dieser Beitrag Antworten zu geben.

       „Uns geht es doch wieder gut. Wir sind wieder wer!“ – der Zeitgeist des Wirtschaftswunders

      Die Industriestadt Oberhausen erreicht einhundert Jahre nach ihrer Gründung, um das Jahr 1962, das Allzeit-Hoch von Bevölkerung und Beschäftigung in der Stadtgeschichte. Von 260.570 Einwohnern (1963) gehen 108.600 (1962) einer Erwerbstätigkeit nach. Die Zeiten sind schnelllebig und unvorstellbar dynamisch: Beim Kriegsende im April 1945 lebten in Oberhausen gerade einmal 102.000 Menschen, gemessen an 195.500 im Jahr 1939. Durch Kriegseinsatz, Gefangenschaft und Kinderlandverschickung ist die Stadt beinahe zur Hälfte entvölkert. Doch schon zum Jahresbeginn 1946 sind es bereits wieder 160.000 und am Jahresende 1946, die großen Wanderungsbewegungen sind weitgehend abgeschlossen, zählt Oberhausen bereits wieder 180.000 Einwohner.

      Über einen kurzen Zeitraum

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