Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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selbst im Schulbereich, daher nicht mehr vertretbar schienen.77

      Bei den Bundestagswahlen im September 1965 marschierte der „Genosse Trend“ stramm weiter zugunsten der SPD. Zum ersten Mal gewann Luise Albertz das Direktmandat in Oberhausen, und zwar gleich mit der absoluten Mehrheit von 52,6 Prozent. Die CDU landete bei 42,3 Prozent, alle anderen Parteien blieben in Oberhausen unter fünf Prozent. Willy Brandts persönliche Unterstützung für die Oberbürgermeisterin hatte sich also ausgezahlt. Dagegen kam auch ein solches Schwergewicht wie Franz Josef Strauß trotz seines furiosen Auftritts in der Oberhausener Stadthalle nicht an.78 Noch deutlicher wurde das Übergewicht der SPD bei der Landtagswahl im Juli 1966: Mit 58,4 Prozent der Stimmen mauserte sich Oberhausen zu einer echten SPD-Hochburg. Dr. Heinz Nerlich und Wilhelm Meinicke erhielten die Direktmandate. Die CDU landete abgeschlagen bei 36,8 Prozent.79

       Die 1960er Jahre: Bevölkerung, Wirtschaft, Infrastruktur

      Am Ende des ersten Nachkriegsjahrzehnts wurde allenthalben Bilanz gezogen. Das Statistische Amt der Stadt Oberhausen kam nach einer Sonderauszählung vom Sommer 1959 zu überraschenden Ergebnissen: Durch wachsende Geburtenzahlen seit Kriegsende verjüngte sich die Bevölkerung der Stadt sehr rasch. In der graphischen Darstellung ergab sich daraus eine Bevölkerungspyramide mit immer breiterer Basis – beneidenswert aus heutiger Sicht, da die Bevölkerungs-„zwiebel“ unten immer schmaler und oben bei den Senioren immer breiter wird. Niemanden hat es überrascht, dass bei der Kriegsgeneration – und dazu gehörten in Deutschland alle vor 1930 Geborenen – die Männer in der Minderheit waren. Umso erstaunlicher war aber der Männerüberschuss in den Jahrgängen danach. Der Grund wurde klar benannt: Oberhausen bot viele Arbeitsplätze für Männer an, und als Folge dessen waren seit Mitte der 1950er Jahre viele junge, unverheirateter Männer aus dem Ausland nach Oberhausen gekommen.80 Vor allem im Bergbau hatten sie Arbeit gefunden. Der aber steckte seit 1958 in einer Absatzkrise.

      Ging es zunächst nur ab und zu um Feierschichten, so war ab 1960 immer öfter von Stilllegungen ganzer Zechen die Rede. Noch hieß es, dass die Arbeitsplätze nicht verschwinden, sondern nur auf andere Zechen verlagert würden. Aber auf den städtischen Ämtern wurde zum ersten Mal ein Rückgang der in Oberhausen gemeldeten Ausländer registriert: Von 5.264 im Jahr 1959 auf 4.419 ein Jahr später.81 Während es im Bergbau für alle unübersehbar schon seit zwei Jahren kriselte, brummte 1960 die Produktion in der Stahlindustrie wieder. Wegen des Stahlarbeiterstreiks in den USA, vor allem aber wegen der anhaltend guten Baukonjunktur in Deutschland verzeichnete die HOAG im Geschäftsjahr 1959/​60 einen Produktionsrekord nach dem anderen.82

      1961 war schon wieder von einer „Ausländerinvasion“ die Rede. Das Statistische Amt zählte im März bereits 6.752 Ausländer, pro Jahr kamen in den frühen 1960er Jahren rund tausend weitere hinzu. Die meisten waren Italiener, gefolgt von Niederländern, Spaniern, Österreichern, Polen, Griechen und Jugoslawen. Noch hießen die Einwanderer „Fremdarbeiter“. Und auch wenn betont wurde, dass die meisten sich gut „anpassten“, so wurde die Oberhausener Öffentlichkeit doch auch ausführlich über die Ausnahmefälle informiert: „Heißblütigen Südländern, denen das Messer allzu locker in der Tasche sitzt, die der Oberhausener Weiblichkeit allzu temperamentvoll ihre Verehrung zeigen oder dazu gar – wie es leider in Ausnahmefällen vorgekommen ist – zu sehr massiven, um nicht zu sagen kriminellen Mitteln greifen“, konnten abgeschoben werden. 65 derartige Fälle wurden bis zum Sommer 1961 registriert.83 Die Anwerbung ging in der Hochkonjunktur Anfang der 1960er Jahre überwiegend noch von der traditionellen Schwerindustrie aus. Auf den fünf Zechen in Oberhausen gab es Ende der 1950er Jahre noch 20.000 Arbeitsplätze.84 Seitdem Oberhausen 1963 die Höchstmarke mit 260.220 Einwohnern erreicht hatte, wuchs die Stadt nicht mehr weiter. Nur etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Oberhausener war in Oberhausen geboren. Hintergrund dessen waren die Flüchtlingsströme am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach.85 47 Prozent der Oberhausener hatten also einen „Migrationshintergrund“, noch bevor der Zustrom der „Gastarbeiter“ in den 1960er Jahren richtig einsetzte!

       Hochhäuser und Schnellstraßen

      Von hohem Symbolwert war es, als Anfang 1959 das letzte Flüchtlingslager der Stadt geräumt wurde: Das Lager Zementwerk an der Osterfelder Straße auf dem heutigen Marina-Gelände, das im Krieg schon zur Unterbringung von Zwangsarbeitern gedient hatte.86 Als Folge des stürmischen Wohnungsbaus wurde es Ende des Jahres 1959 immer schwerer, im Stadtbild noch Kriegsruinen zu finden. Trotz der vielen aus dem Osten zugezogenen Flüchtlinge und trotz des rasanten Wachstums der Einwohnerzahlen gab es nach offizieller Darstellung keine Wohnungsnot mehr.87 Als richtungweisend galten die Wohnhochhäuser im Knappenviertel: In einer Stadt mit stürmisch wachsender Bevölkerung könne man es sich nicht mehr leisten, nur ein- oder zweigeschossig zu bauen. Spitzenreiter war das Hochhaus für HOAG-Angehörige, mit 18 Stockwerken das neue Zuhause für 150 Familien mit 500 Personen: „Wohnraum für ein mittleres Dorf“.88 Die Wohnhochhäuser entsprachen ganz den Vorstellungen der Verkehrsplaner, wonach große Flächen für den Straßenbau reserviert werden mussten. Der rasant zunehmende Autoverkehr könne nur durch neue Stadtautobahnen bewältigt werden. Selbst der Verkehrsminister Seebohm war mit dem Ratschlag zur Stelle, die Mülheimer Straße zur „Hochstraße“ auszubauen. Die Verkehrsplaner glaubten aber nicht, dass das reichen würde. Eine zweite Schnellverkehrstraße über das Brücktorviertel durch den Oberhausener Osten zur Rolandhalde sei notwendig, und zwar „unabhängig von den Kosten […] und ohne Rücksicht darauf, ob hundert oder noch mehr Häuser niedergelegt werden müssen“.89 Diese rabiaten Planungen sollten aber bald in der Schublade verschwinden, nicht weil die Verfechter der „autogerechten Stadt“ ein Einsehen gezeigt hätten, sondern weil die Großindustrie ihr Veto einlegte.

      Nicht alle großen Wohnungsunternehmen folgten übrigens dem Trend zum Hochhausbau. Nicht weit vom Knappenviertel, im Schönefeld, errichtete die Concordia Bergbau AG im gleichen Jahr 1959 insgesamt 144 Werkswohnungen in zweigeschossigen Häusern. Das neue Wohnviertel lag „im Schatten der Rolandhalde“ auf dem Gelände der vor 30 Jahren stillgelegten Zeche Roland. Deren Grubenfeld hatte seinerzeit die Concordia übernommen, diese nutzte auch weiterhin den Roland-Schacht als Seilschacht für ihre Bergleute, von denen jetzt viele ganz in der Nähe wohnten.90

      Die stürmische Stadtentwicklung wurde in den einzelnen Stadtteilen ganz unterschiedlich wahrgenommen: Während der Bürgerring Alstaden sich über die Ausgestaltung des Ruhrparks freute und dort schon die „Riviera Oberhausens“91 entstehen sah, beklagten sich die Königshardter auf einer Bürgerversammlung bitter über die „elendsten Straßen von Oberhausen“: „Wenn auf dem Höhenweg eine Auto käme, dann müssten die Fußgänger in die Gräben flüchten.“ Wenn nicht bald etwas für die Entwässerung getan würde, dann würden die Königshardter „die schwarze Flagge“ hissen. „Auf der Köngishardter Straße brenne mittags das Licht, in der Nacht sei es dunkel. […] Für die Stadthalle hätte man Geld, aber keines für die Sicherheit der Bürger.“ Der Journalist wusste schon, warum er in seinem Bericht sorgfältig im Konjunktiv formulierte: Ganz so dramatisch wird es wohl nicht gewesen sein! Die bei der Bürgerversammlung anwesenden Stadtverordneten waren redlich bemüht, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Immerhin konnten sie auf rund eine Million DM verweisen, die im neuen Etat für Königshardt vorgesehen waren.92

       Abb. 9: „Wohnraum für ein mittleres Dorf“, Wohnhochhäuser im Knappenviertel, GA vom 18. September 1959

      Der Mangel an Bauland bei weiter wachsenden Einwohnerzahlen war nicht nur die Ursache für Bodenspekulation und Preiswucher93, sondern auch der Nährboden für manche seltsame Blüte in der Vorstellungswelt von Stadtplanern. Es wurde ernsthaft über eine Einwohnerzahl von 280.000, im äußersten Fall sogar 300.000 nachgedacht. Neue „Trabantenstädte“ für so viele Menschen hätten auf dem Oberhausener Stadtgebiet keinen Platz mehr. „Es bliebe also als letzte

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