Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов

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Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Fritz Steinhoff, eröffnete den Kommunalwahlkampf beim Unterbezirksparteitag der SPD im Kaiserhof in Sterkrade. Die Kommunalpolitik spielte in seiner Rede aber nur eine Nebenrolle, stattdessen attackierte er Bundeskanzler Adenauer, der seiner Meinung nach viel mehr für die deutsche Wiedervereinigung hätte tun müssen.45 Aus diesen Attacken spricht auch ein Stück Ratlosigkeit über die Welle der Popularität, auf der Adenauer schwamm. Bei den Bundestagswahlen 1957 und 1961 holte Martin Heix jeweils vor Luise Albertz, die nur über die Liste in den Bundestag kam, das Direktmandat für die CDU. 1957, als Adenauer mit der CDU die absolute Mehrheit im Bundestag errang, betrug der Stimmenanteil der CDU in Oberhausen 54,6 Prozent gegenüber den mageren 36,1 Prozent der SPD! Vier Jahre später war der Vorsprung der CDU auf zwei Prozent geschrumpft. Auch bei der Landtagswahl 1958 gewann die CDU beide Direktmandate für Oberhausen. 1962 war aber der Umschwung vollzogen: Beide Landtagsdirektmandate fielen jetzt an die SPD.46 In der Kommunalpolitik aber dominierten ab Mitte der 1950er Jahre die Sozialdemokraten.

      Die SPD „eroberte“ am 28. Oktober 1956 tatsächlich das Rathaus. Die Zeitgenossen konnten damals nicht wissen, dass die Sozialdemokraten die Mehrheit im Rat bis ins einundzwanzigste Jahrhundert verteidigen und ununterbrochen den Oberbürgermeister stellen würden. Dass mit der Niederlage des Zentrums, vor dem Krieg jahrzehntelang die bestimmende Kraft im Oberhausener Rathaus, eine Ära zu Ende ging, war ihnen schon bewusst.

       Tabelle 3: Ergebnis der Kommunalwahl in Oberhausen vom 28. Oktober 1956 47

      Der „Generalanzeiger“ merkte zu Recht an, dass der SPD vermutlich die 5.000 Stimmen der verbotenen KPD zugute kamen. Das erklärt aber nicht den Zugewinn von mehr als 20.000 Stimmen; von den ehemaligen Zentrumswählern müssen viele nicht zur CDU, sondern ins Lager der SPD übergewechselt sein. Neben lokalpolitischen Themen wirkte sich für das Wahlergebnis sicher auch die Bundespolitik, vor allem der leidenschaftliche Kampf um die Wiederaufrüstung, aus. Auf der Liste der Stadtverordneten standen, neben der überragenden Gestalt der Nachkriegsjahre, Luise Albertz, die Namen Willi Haumann, Wilhelm Meinicke, Josef Kornelius und Elfriede Pusch für die SPD, Martin Heix für die CDU und Hugo Baum für das Zentrum.48

      Bei der konstituierenden Sitzung des Rates am 12. November 1956 nominierte die SPD erwartungsgemäß Luise Albertz für das Amt des Oberbürgermeisters bzw. der Oberbürgermeisterin, einer damals noch gänzlich ungebräuchlichen Bezeichnung. Die Presse ließ keinen Zweifel daran, dass sie aufgrund ihrer Lebenserfahrung und aufgrund ihrer Leistungen in der Lokalpolitik und im Bundestag hervorragend für dieses Amt geeignet war. Der „Generalanzeiger“ stellte in seinem wohlwollenden Porträt aber auch Fragen, die zeigen, wie ungewohnt es für die Mehrheit noch sein musste, eine Frau in diesem Amt zu sehen: „Man kann und darf wohl die Frage stellen, ob für eine Stadt wie Oberhausen ein weiblicher Oberbürgermeister eine vertretbare oder gar eine ideale Lösung ist. Unsere Stadt hat nüchterne, selbst harte Züge, entsprechend der Härte des täglichen Arbeits- und Berufslebens. Es wäre eigentlich logisch, sie durch einen Mann repräsentieren zu lassen, der um die Härte dieses Lebens aus eigener Erfahrung weiß. Bringt Luise Albertz Eigenschaften mit, die einen ausreichenden Ersatz dafür bieten könnten? Ihr Leben gibt eine Antwort darauf.“49

      Luise Albertz erhielt in geheimer Wahl 45 von insgesamt 46 Stimmen. Die einzige Stimmenthaltung kam vermutlich von ihr selbst. Wilhelm Jansen von der CDU wurde als ihr Stellvertreter mit 41 von 45 Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Kontrovers war nur die Wahl eines zweiten Bürgermeisters. Josef Kornelius (SPD) konnte sich nur auf die 24 Stimmen seiner Partei stützen; die 17 Stimmenthaltungen kamen vermutlich von der CDU, vier der fünf Nein-Stimmen wohl vom Zentrum. In der Öffentlichkeit wurde aufmerksam registriert, dass die Stadtverordneten des Zentrums weder bei Wilhelm Jansen noch bei Josef Kornelius Beifall klatschten.50 Das Abrutschen in die Bedeutungslosigkeit mussten die vier Männer des Zentrums, von 1919 bis 1933 in Oberhausen unangefochten die führende Macht, erst noch verarbeiten.

      Luise Albertz bekannte sich in ihrer Antrittsrede „als Kind dieser Arbeiterstadt Oberhausen“ zu ihren Ursprüngen, „der Gedankenwelt des Sozialismus“. Sie betrachtete auch weiterhin die sozialen Aufgaben als den Kern der Kommunalpolitik, registrierte aber auch stolz, dass die Arbeiter sich den Zugang zu den kulturellen Einrichtungen erkämpft hatten, dass sie als Teil „der Kulturgemeinschaft […] am Sonntag kaum von anderen Schichten des Volkes [zu] unterscheiden seien“. Deshalb trete die Unterstützung des Theaters gleichberechtigt neben die sozialen Aufgaben der Stadt:

      „Die heiße Sehnsucht, Mensch zu sein und die geistigen Kräfte in der Gemeinschaft betätigen zu können, das ist der tiefere Sinn der Arbeiterbewegung. Alles andere ist nur Vorweg dazu, die Hebung des Lebensstandards, der Kampf um die Kürzung der Arbeitszeit und um die sozialen Rechte.“

      Das waren mutige Worte, die ihr damals – so wie heute – gewiss nicht bei allen Genossen ihrer Partei Beifall eintrugen. Niemanden hat wohl überrascht, dass die neue Chefin im Oberhausener Rathaus schon damals auf die unzureichende finanzielle Ausstattung der Gemeinden hinwies und vom Bund, dessen Kassen angeblich überquollen, Unterstützung forderte. „Graue Haare“ wuchsen ihr vor allem wegen der Lasten, die durch das neue Luftschutzgesetz auf die Städte zuzukommen drohten. Dabei war sie sich, in diesen Tagen des Volksaufstandes in Ungarn und der Suezkrise, der bedrohlichen weltpolitischen Situation durchaus bewusst:

       Luise Albertz

      Geboren am 22. Juni 1901 in Duisburg, gestorben am 1. Februar 1979 in Oberhausen. Tochter des im KZ Bergen-Belsen ermordeten preußischen SPD-Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen Hermann Albertz (1877 – 1945). Besuch der Volks- und Handelsschule, Lehre bei der Stadtverwaltung Oberhausen, Buchhalterin, 1921 bis 1933 Filialleiterin der Zeitung Neueste Nachrichten. 1934 bis 1939 Devisenbuchhalterin, 1939 bis 1945 als Sachbearbeiterin für die Stadtverwaltung Oberhausen dienstverpflichtet.

      1945 Sekretärin des Oberbürgermeisters, 1946 bis 1948 und von 1956 bis zu ihrem Tode 1979 Oberbürgermeisterin von Oberhausen. Erste Oberbürgermeisterin einer deutschen Großstadt. Seit 1915 war Albertz Mitglied der SPD und zunächst auch der Sozialistischen Arbeiterjugend. Ab 1945 beteiligte sie sich am Wiederaufbau der SPD in Nordrhein-Westfalen. 1947 bis 1950 für die SPD Abgeordnete des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mitglied des Deutschen Bundestags 1949 bis 1969, dort war sie von 1949 bis 1959 Vorsitzende des Petitionsausschusses. Wegen ihres großen Einsatzes in dieser Position wurde sie „Mutter der Bedrängten“ genannt. Im Kampf um den Erhalt der Zeche Concordia 1968 erwarb sie sich den Namen „Mutter Courage des Ruhrgebiets“.

       Abb. 6: Luise Albertz

      „Am 6. November 1956 hing unser aller Schicksal an einem seidenen Faden. Wir hatten den Frieden schon wieder als etwas Selbstverständliches hingenommen, während er auch heute noch in keiner Weise gesichert ist.“51

       Das Dauerthema: Die städtischen Finanzen (Teil 1)

      Obwohl Oberhausen finanziell eigentlich besser dastand als die meisten Nachbarstädte, schien die Oberbürgermeisterin schon bei ihrer Antrittsrede 1956 zu ahnen, dass die Haushaltssorgen in der Zukunft alle kommunalen Projekte überlagern würden. Sechs Jahre zuvor hatte ein Vergleich mit anderen Großstädten noch das überraschende Ergebnis erbracht, dass die Oberhausener Bürger zur Finanzierung städtischer Aufgaben wie der Unterhaltung der Krankenhäuser oder des Theaters pro Kopf in weit geringerem Maße herangezogen wurden als die Menschen in Köln und Düsseldorf oder in den benachbarten Ruhrgebietsmetropolen Essen und Duisburg. Auch bei den Personalkosten der Verwaltung, wieder pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, gehörte Oberhausen

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