Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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in diesen angespannten Tagen von Willy Brandt persönlich nach Berlin eingeladen: „Komm und sieh es dir an.“ Luise Albertz war vor Ort, als US-Vizepräsident Johnson in Berlin von den Menschenmassen umjubelt wurde. Nach ihrer Rückkehr fand sie im Rat volle Unterstützung bei allen Parteien, als sie für die Aufnahme zusätzlicher Berlinflüchtlinge, weit über das Aufnahmesoll der Stadt hinaus, plädierte. Als besonderes Zeichen der Verbundenheit mit Berlin brachte die CDU-Fraktion den Antrag ein, den Bahnhofsvorplatz „Berliner Platz“ zu taufen.63 In der Ablehnung des kommunistischen Regimes in der DDR gab es also keinen Dissens zwischen SPD, CDU und den anderen Parteien im Rat. Schon zwei Jahre zuvor hatte sich Luise Albertz mehrfach geweigert, eine offizielle ostdeutsche Delegation aus Weißenfels im Rathaus zu empfangen. Gespräche mit Kommunisten kamen für sie nicht in Frage, solange „aufrechte Sozialdemokraten“ in der DDR noch im Gefängnis saßen.64 Diese klare Haltung der Oberbürgermeisterin schien der CSU-Innenminister Höcherl wenige Jahre später vergessen zu haben, als er sich weigerte zum „roten Filmfestival“ nach Oberhausen zu kommen.

       Patt im Rat – die städtischen Finanzen, Teil 2

      Wie in der Abwehrhaltung gegen die Bedrohung aus dem Osten so demonstrierten die Ratsherren und –frauen auch bei der Hundertjahrfeier im Februar 1962 die Einigkeit der Demokraten. Bei den praktischen Problemen der Kommunalpolitik jedoch war Anfang der 1960er Jahre von harmonischem Zusammenwirken nicht mehr viel zu spüren. Die Kommunalwahl vom März 1961 hatte im Rat eine Pattsituation verursacht: Den 24 Stimmen der SPD stand die gleiche Zahl von Oppositionsstimmen der CDU und der FDP gegenüber. Um bei der Oberbürgermeisterwahl einen rechtlich möglichen Losentscheid zu vermeiden, schlossen die Parteien im April 1961 einen „Vertrag“, wonach Luise Albertz nach zwei weiteren Amtsjahren durch den CDU-Bürgermeister Dr. Rohe abgelöst werden würde.65 Diese Vereinbarung kündigte die SPD aber nach der Etatdebatte vom Februar 1963 auf.

       Abb. 7: Neue Hallenbäder – hier der Neubau in Osterfeld von 1971

      Rückblickend aus heutiger Sicht klingen die in der Haushaltsdebatte vorgetragenen kritischen Anmerkungen erstaunlich aktuell. 70 Millionen DM zusätzlicher Darlehen würden den jährlichen Schuldendienst auf 15 Millionen DM hochschrauben. Damit war für die CDU die Grenze der vertretbaren Verschuldung überschritten; sie lehnte den Bau der Sporthalle am Vincenzhaus, der dreieinhalb Millionen DM kosten sollte, ab. Die SPD dagegen wollte die Strategie des Wiederaufbaus noch nicht auslaufen lassen und trat weiter für umfangreiche Bauinvestitionen ein. Zwei Hallenbäder, weitere Schulbauten und ein großzügiger Ausbau der Straßen und des Kanalsystems standen noch auf dem Programm. Nach einem heftigen Schlagabtausch im Ratssaal verursachte die CDU ein lokalpolitisches Erdbeben, indem sie den Etat ablehnte. Sie glaubte damit sicherlich, große Teile der Öffentlichkeit hinter sich zu haben, denn der „Generalanzeiger“ kommentierte unter Hinweis auf die ungünstigen Konjunkturerwartungen: „Dann [beim Ausbleiben einer Konjunkturerholung] werden die Spendierhosen, die jetzt immerhin noch die (Finanz-)Blöße bedecken, wirklich ausgezogen werden müssen – es sei denn, es käme wirklich zu einer Neuverteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.“ Dies sei aber eine „Illusion […], die gerade dazu taugt, die roten Zahlen im Etat mit einem Fragezeichen zu schmücken!“66

       Abb. 8: Elly-Heuss-Knapp-Stiftung

      Die SPD reagierte empört, vor allem auch, weil ein zur Sparsamkeit mahnender Brief des Regierungspräsidenten in die Öffentlichkeit lanciert worden war. Auch aus Kreisen der FDP wurden die Vorwürfe des Regierungspräsidenten als „Zerrbild unserer Arbeit“ zurückgewiesen. „Durch solche Einmischung wird die kommunale Selbstverwaltung ausgehöhlt. Wir haben keine Luderwirtschaft getrieben.“67

      Die SPD nahm die Ablehnung des Haushalts und die Indiskretion, die sie auch der CDU zur Last legte, zum Anlass, das Abkommen über die OB-Wahl von 1961 aufzukündigen. Die Delegierten des Unterbezirksparteitags der SPD standen einstimmig hinter dieser Konfliktstrategie. Zusätzlich angeheizt wurde die Stimmung zweifellos durch die „Spiegel-Affäre“ des Winters und durch die von der Adenauer-Regierung vom Zaun gebrochene Diskussion über „Notstandsgesetze“. Der Unterbezirksparteitag verabschiedete eine Entschließung gegen Grundgesetzänderungen dieser Art.68 Auf einer Funktionärskonferenz der SPD wurde der Ton weiter verschärft. Der CDU wurden „Obstruktion, Intoleranz, Fehlentscheidungen, Querschießen in einer Form, wie man es kaum je erlebt“ habe, vorgeworfen. Als Beispiele wurden die Entscheidungen über die Elly-Heuss-Knapp-Stiftung und über die Kurzfilmtage angeführt. Die SPD-Funktionäre brachten jetzt auch das nicht zu widerlegende Argument ins Spiel, dass Luise Albertz eine Direktwahl des Oberbürgermeisters durch das Volk zweifellos gewinnen würde. Unterbezirksvorsitzender Willi Haumann dazu: „Es bleibt dabei, Oberbürgermeister wird ‚die Alte’.“69

      Am 8. April 1963 setzte sich „die Alte“ tatsächlich mit 25 zu 22 Stimmen durch. Ein Stadtverordneter aus den Reihen der CDU oder der FDP musste für sie gestimmt haben. Die CDU quittierte das Ergebnis mit dem Auszug aus der Ratssitzung.70 Die Oberhausener Öffentlichkeit verfolgte das Spektakel im Rathaus ziemlich erschrocken. Man fühlte sich an die unmittelbare Nachkriegszeit erinnert, „in der der Bürger oft fassungslos die Brandungswellen parteipolitischer Hemmungslosigkeit und oft auch der Exzesse über sich ergehen ließ“. Gleichzeitig wurde eine Änderung der Gemeindeordnung angemahnt: Die Legislaturperiode des Rates und die Amtszeit des Oberbürgermeisters müsse synchron laufen. Und um Losentscheide auszuschließen, müsste im Stadtparlament immer eine ungerade Zahl von Volksvertretern sitzen.71

      Der Kommunalwahlkampf im Herbst 1964 wurde überlagert von einem Streit über einen törichten Kommentar des damaligen Bundesinnenministers Höcherl (CSU) zu den Westdeutschen Kurzfilmtagen. Höcherl hatte im Frühjahr gesagt, dass er nicht auf das „rote Festival“ in Oberhausen gehe, da sich dort die „sowjetzonale Prominenz der Filmfunktionäre ein Stelldichein“ gebe. Es entspann sich ein langer Briefwechsel zwischen Luise Albertz, die Höcherls unqualifizierte Attacke natürlich zurückwies, und dem Minister. Im September war Höcherls rhetorischer Fehlgriff über das „rote Festival“ Thema einer kleinen Anfrage im Rat der Stadt. Der Bundesinnenminister aus Bayern meinte es ernst: Im Februar 1965 lehnte er den beantragten Zuschuss von 40.000 DM ab. Noch im Vorfeld der nächsten Kurzfilmtage im Frühjahr 1965 wurde heftig über die Höcherl-Äußerungen gestritten.72

      Am 27. September 1964 wurden bereits nach der geänderten Gemeindeordnung 49 Stadtverordnete in den neuen Rat gewählt, unter ihnen insgesamt sechs Frauen: Für die SPD Luise Albertz, Elfriede Pusch, Elly Kuchenbecker und Waltraud Richter, für die CDU Barbara Diestelkamp und die spätere Landtagsabgeordnete Hildegard Matthäus.73 Die Mehrheitsverhältnisse waren jetzt ganz klar: Die SPD erhielt mit 54,8 Prozent der Stimmen 28 Sitze, die CDU mit 40,9 Prozent 21 Sitze. Die FDP konnte mit 4,2 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde nicht nehmen. Der Hausfrieden im Ratssaal war wieder hergestellt: In trauter Gemeinsamkeit wählten die beiden einzigen Fraktionen im Rat Luise Albertz wieder zu Oberbürgermeisterin und Franz Sörries von der CDU zum Bürgermeister.74

      Nachdem der neue Haushalt im Januar 1964 ähnlich kontrovers diskutiert worden war wie im Vorjahr, beruhigten sich die Gemüter nach der Kommunalwahl auch bei der Diskussion um die vertrackten Geldfragen. Allen Stadtverordneten steckte wahrscheinlich noch die böse Schelte der IHK Essen in den Knochen: Obwohl mehrere Großprojekte schon gestrichen worden waren – so die Erweiterung der Feuerwache und der neue Rathausflügel – stand nach Darstellung der Industrie- und Handelskammer die Stadt Oberhausen in der Verschuldungsrangliste unter den 38 Städten und Kreisen Nordrhein-Westfalens an vierter Stelle. Eine Pro-Kopf-Verschuldung von 750 DM sei entschieden zuviel. Etwas kleinlaut erbat sich der Oberstadtdirektor bei der Etatdebatte wenigstens einen anderen Ton.75 Die CDU machte sich dagegen die Vorwürfe der IHK zu eigen und lehnte den Etat wie schon ein Jahr zuvor

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