Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов

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nach Dinslaken richten sollte, in eine traditionelle Richtung.“ Schon vor dem Krieg hätten Oberhausener Kommunalpolitiker „wenigstens hinter vorgehaltener Hand“ über die Notwendigkeit gesprochen, Teile von Dinslaken einzugemeinden. „Man nährte Hoffnungen im Busen und tut es wohl auch heute noch.“ Der Kommentator des „Generalanzeigers“ ging in sarkastischem Ton mit derartigen Träumen ins Gericht. Durch die Ansiedlung der größten Ölraffinerie der Bundesrepublik sei Dinslaken zu einer „Goldgräberstadt“ geworden: „Hier dürften für Oberhausen keine Eroberungen mehr zu machen sein. […] Vor einer Oberhausener Trabanten- und Satellitenstadt auf dem – heutigen – Dinslakener Kreisgebiet steht mehr als ein Eiserner Vorhang.“94

      Nicht weniger naiv, oder zumindest kurzsichtig, als die Träume von Eroberungen im Norden waren manche Prognosen für den Bergbau, am Ende der 1950er Jahre immer noch eines der beiden Standbeine der Oberhausener Industrie. Zwar war schon von der „Bergbaukrise von morgen“ die Rede, aber mit einer höchst erstaunlichen Begründung: „In drei Jahren, wenn es kein Problem mehr sein wird, von einer Zechenwohnung in eine Wohnung des freien Marktes zu wechseln, könnte sich im Oberhausener Bergbau eine ungleich größere Krise als die heutige ergeben, im Sinne eines Mangels an gelernten und erfahrenen Bergleuten nämlich, der größer sein könnte als jemals zuvor!“95 Zu dieser optimistischen Einschätzung der Kohle-Zukunft passte es gar nicht, dass gleichzeitig das Schaubergwerk auf der Zeche Oberhausen geschlossen wurde. Es war dem Nachfolgekonzern der GHH, der Bergbau AG „Neue Hoffnung“, mit jährlich 600.000 DM zu teuer geworden.96 Hier passten die Dinge doch wieder zusammen: Der eklatanten Fehleinschätzung der Zukunft des Bergbaus entsprach die Blindheit für den Wert dieses Schaubergwerks als touristische Attraktion. Was wäre Bochum heute ohne das Bergbaumuseum? Im Gegensatz zum Bergwerk dort waren auf der Zeche Oberhausen die früheren Originalarbeitsplätze unter Tage zu besichtigen.

       Die Holland-Autobahn

      Der Bau von Wohnungen und Schulen war wichtig für die „Lebensqualität“ – diesen Begriff prägte Willy Brandt in den 1960er Jahren – der Menschen in der Stadt, die einzelnen Projekte waren jedoch weit weniger spektakulär als die Verkehrsprojekte, mit denen für alle sichtbar eine neue, moderne, technikbegeisterte Zeit ihren Lauf nahm. Aber es gab nicht nur begeisterte Befürworter. Heftig umstritten war das größte aller Bauprojekte auf Oberhausener Boden: der Zubringer zur Hollandautobahn. Der städtische Anteil an diesem gigantischen Projekt wurde auf mehr als 200 Millionen DM veranschlagt. Die STIG – offenbar wusste damals jedes Kind, was sich hinter dieser Abkürzung verbarg – bündelte den Widerstand der Sterkrader gegen das Autobahnprojekt des Landschaftsverbandes Rheinland. Der Sterkrader Norden, so die Befürchtung der STIG, würde durch den Autobahnbau „von der Innenstadt abgeriegelt“, wobei nicht klar ist, ob die Sterkrader oder die Oberhausener „Innenstadt“ gemeint war. Der Schmachtendorfer Heimatverein, schon damals vertreten durch Karl Lange, hatte sich wohl damit abgefunden, dass die grundsätzliche Entscheidung längst gefallen war, und forderte konkret zusätzliche Fußgängerunterführungen. Vor allem aber wollte der Heimatverein die Ausfahrt Dinslaken Süd, unmittelbar nördlich der Brinkschule, wo Karl Lange als Lehrer tätig war, verhindern.97 Am 27. Mai 1959 wurden rund 60 Einsprüche bei einer Anhörung hinter verschlossenen Türen diskutiert. Von den 21 Einsprüchen der Stadtverwaltung konnten 17 geklärt werden. Die sehr viel weitergehenden Einsprüche der STIG, z. B. gegen das „Berliner Kreuz“ im Sterkrader Wald, wurden jedoch abgeschmettert. Die STIG könne sich ja mit ihrem Gegenplan, dem sogenannten „Wasser-Plan“, direkt an den Verkehrminister von Nordrhein-Westfalen wenden. Der Presse war der genaue Inhalt der diversen Einsprüche verborgen geblieben. Es war nur durchgesickert, dass selbst die Kirchengemeinde St. Bernardus, Sterkrade, ihre Bedenken aktenkundig gemacht hatte. Nach der geheimen Anhörung wurde gemunkelt, dass die kämpferische STIG die meisten anderen Kritiker um ihre Fahnen scharen konnte.98

       Abb. 10: Das Goggomobil, GA vom 5. November 1959

      In den folgenden Jahren wurde die Hollandautobahn Stück um Stück realisiert. Im April 1965 durchschnitt Verkehrsminister Seebohm gemeinsam mit seinem niederländischen Kollegen das weiße Band für das letzte Teilstück Emmerich-Hamminkeln. Mit Genugtuung wurde registriert, dass damit eine direkte Autobahnverbindung von Hoek van Holland (mit Fährverbindung nach England) bis in die Schweiz und nach Österreich bestand.99

      Die Gegner und Kritiker des Autobahnprojektes vertraten wohl nicht die Mehrheit, denn die Motorisierung rollte. Es war keineswegs nur eine dünne Schicht der Wohlhabenden, die sich 1959 das eigene Auto leisten konnte. Viele Arbeiter motorisierten sich zunächst mit den populären Kleinwagen: Goggomobil, Lloyd, BMW-Isetta (oder der Viersitzerausführung BMW 600), oder auch mit dem Messerschmitt Kabinenroller. Als unbekannte Täter das Goggomobil eines Bergmannes beschädigten, war das den Lokalzeitungen mehrere Artikel wert: „Vor längerer Zeit hatte er sich ein Goggomobil gekauft, dafür eine entsprechende Garage gebaut und sich an seinem Besitztum erfreut.“ Unbekannte Täter hatten das gute Stück in der Nacht mit einem Beil völlig demoliert. Ein großes Bild zeigte das Goggo-Wrack mit den Einschlägen ins Blech.100 Im Frühjahr 1962 waren in Oberhausen bereits 19.108 PKW angemeldet. 7.580 Arbeiter waren stolze Besitzer eines eigenen Autos, erst an zweiter Stelle folgten die Beamten und Angestellten mit 5.598 Privatwagen.101 Man darf annehmen, dass die rasant wachsende Gruppe der Autobesitzer mehr Sympathien hatte für den Bau der Hollandautobahn als für die Einsprüche dagegen.

      Es war noch offen, wie die Auto-Lawine vom Südpunkt der Hollandautobahn in Sterkrade bis zum Anschluss an den Ruhrschnellweg im Süden gelenkt werden sollte. Die HOAG, der Industriegigant in der geographischen Mitte der Stadt, legte ihr Veto ein gegen die im Rathaus favorisierte Trasse durch das Brücktor- und Knappenviertel. Für die Realisierung dieser Route hätte die HOAG einige Grundstücke abgeben müssen. Das lehnte sie kategorisch ab und drohte mit der Abwanderung in eine Küstenstadt, falls man ihren Wünschen nicht folgen sollte. Die HOAG verlangte eine Streckenführung entlang der Emscher nach Osterfeld und von dort in südlicher Richtung entlang der östlichen Stadtgrenze zum Ruhrschnellweg.102

       Die gute alte Straßenbahn

      Noch stellte niemand die Straßenbahn in Frage, als die leitenden Herren der Städtischen Verkehrsbetriebe kurz vor der Auslieferung die neuen Großraumwagen 1959 in der Waggonfabrik in Köln besichtigten: Künftig konnten ein Fahrer und ein Schaffner 220 Personen in einem Wagen befördern.

      „Die neuen Wagen haben modernste windschnittige Form. […] Die drei an jeder Seite symmetrisch angeordneten Falttüren werden elektrisch betätigt. […] Die farbliche Kombination ist eindrucksvoll: Sitzplätze in warmem Holzton, Seitenwandverschalung in Sperrholz mit grüngemusterter Kunstledertapete. […] Zum Komfort gehören die Beleuchtung mit Leuchtstoffröhren und die moderne Ausrufanlage mit Verstärkern. Jeder Fahrgast kann aber auch durch einen Druck auf einen Knopf dem Schaffner anzeigen, dass er den Wagen an der nächsten Haltestelle verlassen möchte. […] Das Fahrsignal wird beim Fahrer erst sichtbar, wenn die vom Schaffner zu betätigenden Türen geschlossen sind. […] Es wird wirtschaftlich stark zu Buch schlagen, dass man in Zukunft für den gleichen Nutzraum nur noch einen Schaffner benötigt, statt bisher (für Triebwagen und Anhänger) zwei!“103

      Die Zeit war nicht mehr fern, wo man den Schaffner ganz einsparen und dem Fahrer das Wechselgeld in die Hand drücken würde! Doch in Zeiten der Vollbeschäftigung schien die Personaleinsparung niemanden zu beunruhigen.

      An der ewig geschlossenen „Glückauf-Schranke“ (da hast Du „Glück“, wenn sie „auf“ ist) wurde der Schaffner (oder die Schaffnerin!) aber noch eine Zeit lang gebraucht. Das Verkehrsärgernis Nummer eins in Oberhausen an der Emschertalbahn wurde erst im Herbst 1965 durch eine Brücke ersetzt. Kurz vor der Eröffnung, im Bundestagswahlkampf 1965 fuhr Luise Albertz in einer offenen schwarzen Mercedes-Limousine an der Seite von

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