Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4 - Группа авторов

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mit einem grauen Dreieck (▶) aufmerksam gemacht. Sodann möchten wir darauf hinweisen, dass die Autorinnen und Autoren für die mitunter wertenden Aussagen in ihren Beiträgen allein verantwortlich sind.

      Die Darstellung historischer Prozesse kann kaum mit den Einordnungen und Beurteilungen aller übereinstimmen. Das ist auch gut und sogar notwendig, wenn neue Sichtweisen auf die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart entstehen sollen. Daher ist uns konstruktive Kritik immer erwünscht; sie wird unter [email protected] gerne entgegen genommen. Anonym verfasste Kommentare werden allerdings nicht beantwortet.

      Die Herausgeber, die Mitglieder der Redaktionsgruppe und das gesamte Autorinnen- und Autorenteam von „Oberhausen – eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“ wünschen Ihnen eine anregende und erkenntnisreiche Lektüre.

      Oberhausen, November 2014

       Magnus Dellwig

       Peter Langer

       Klaus Oberschewen

       Peter Langer

       Wirtschaftswunderjahre

       Die Stadt Oberhausen zwischen 1955 und 1970

      Die 1950er und 1960er Jahre waren keine „bleierne Zeit“. Im Gegenteil: Nach zwölf Jahren Diktatur und Krieg, nach den Hungerjahren der Nachkriegszeit waren diese Jahrzehnte von einem – manchmal überschäumenden – Optimismus geprägt. Diese Stimmung wird von den Zeitungen am besten eingefangen. Auf die Zeitungen dieser Jahre stützt sich folglich dieser Essay.1

       „Keine Nacht wie jede andere“ – die letzten Heimkehrer

      Im Herbst 1955 trafen die letzten Spätheimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft in Oberhausen ein. Bundeskanzler Adenauer hatte bei seinem Moskau-Besuch als Gegenleistung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion ihre Freilassung erreicht. Während ihrer letzten Etappe vom Auffanglager Friedland ins Ruhrgebiet fieberte die ganze Stadt mit den Heimkehrern. In den Zeitungsredaktionen blieb man die ganze Nacht wach, um noch in der Morgenausgabe die Ankunft der entlassenen Kriegsgefangenen melden zu können. „Es war keine Nacht wie jede andere!“ titelte der „Generalanzeiger“ zehn Jahre später.2 Die Emotionen, die Redakteur Paul Huppers noch im Rückblick ergriffen, müssen im Originalton wiedergegeben werden:

      „Oberhausen sank in tiefe Stille. Zwei späte Zecher übten sich mit wenig Erfolg auf dem Heimweg um Gesangeskünste, dann erfasste der Blick durch die breiten Schaufensterscheiben [der Geschäftsstelle] auf den Altmarkt und die Marktstraße kein Lebewesen mehr. Die gelben Blätter der Kastanien bewegten sich leise im Nachtwind.“

      Irgendwann in den frühen Morgenstunden erfuhr der Redakteur, dass einer der Kriegsgefangenen, Josef Brykoszynski, mit einem Privatwagen in Mülheim angekommen war. Die Mülheimer Polizei brachte ihn mit einem Streifenwagen nach Oberhausen. Ankunftszeit: 3.46 Uhr. Mit dieser Meldung konnte die Morgenausgabe in Druck gehen, der Redakteur hatte Feierabend.

       Abb. 1: Spätheimkehrer 1955, GA vom 9./​10. Oktober 1965

      „Auf dem Heimweg zu meiner Wohnung in der Blücherstraße, ein Weg von einer knappen Viertelstunde, begegneten mir zwei Eisenbahner, die zum Dienst gingen, aus einem geöffneten Fenster rasselte ein Wecker. In meiner Wohnung war ich allein, meine Frau war zu ihren Eltern ins Sauerland gefahren. Ich öffnete das Fenster nach der Nordseite, eine letzte Zigarette sollte die überbeanspruchten Nerven beruhigen. Es war 4.48 Uhr. Und dann in diesem Moment, in dem ich abzuschalten versuchte, erhob sich von weither, vom Kirchturm von St. Marien, die Stimme der ersten Glocke. Sie blieb nicht allein, zu ihr gesellten sich, mächtig heranrauschend wie Meereswogen, die tiefen Stimmen der Glocken von Herz-Jesu und der Christuskirche, und dann, als ich das Fenster nach Süden öffnete, traten mit hellerem Klang die Glocken der Klosterkirche und von St. Josef in Styrum hinzu. In den Blocks, die ich übersehen konnte, erhellten sich an zwei, drei Stellen Fenster, und während sich die Köpfe fragend und lauschend dem Glockenjubel zu dieser ungewohnten Stunde zuwendeten, brachte ein sanfter Wind die Ahnung des neuen Tages und des neuen Morgens mit – die Schicksalsnacht des 10. Oktobers 1955 war zu Ende!“3

      Über der Schlagzeile prangte das Photo des weißbärtigen 72-jährigen Hieronymus Werm. Er war schon 56 Jahre alt gewesen, als der Krieg ausbrach, und 62, als er in Gefangenschaft geriet. Die anderen Spätheimkehrer, die in diesem Herbst als letzte noch eintrafen, waren durchweg viel jünger, teilweise noch nicht 40, der jüngste war 31 Jahre alt.4 Mehr als ein Jahrzehnt davor hatte man sie als ganz junge Männer an die Ostfront geschickt; jetzt mussten sie sich, gesundheitlich angeschlagen, vielleicht als Kriegsinvaliden, in einer völlig veränderten Stadt zurechtfinden. Um die Spätheimkehrer wurde es danach ruhig, es kam niemand mehr an. Die Vermissten wurden mit der Zeit für tot erklärt. Manche Kriegerwitwe konnte nach dieser Feststellung durch das Standesamt wieder heiraten. Noch Jahre später führte dies in Einzelfällen zu schwierigen Situationen, menschlich und juristisch. Wenn ein Vermisster doch wieder „nach Hause“ kam, konnte die zweite Ehe aufgelöst werden. Die Presse beschäftigte sich ausführlich mit diesem Problem, ohne aber zu sagen, wie viele derartige Fälle es in Oberhausen gab.5

      Eine andere Folge des Krieges blieb noch auf Jahre täglich präsent: Die große Zahl von Kriegswaisen. Als im Frühjahr 1955 die Schüler des Geburtsjahrgangs 41 die Volksschule verließen – mit 14 nach der achten Klasse – und in den großen Lehrwerkstätten ihre Lehre begannen, war jeder Dritte Halbwaise. In den großen Hüttenwerken der Ruhr hatten von 470 handwerklichen Lehrlingen 150 keinen Vater mehr.6

      Nur ein Teil der Spätheimkehrer kam wirklich „nach Hause“. Viele kamen zu ihren Familien, die im ersten Nachkriegsjahrzehnt als Flüchtlinge und Vertriebene aus den Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Grenze in Oberhausen gelandet waren. Dann hatte der Flüchtlingsstrom aus der Sowjetzone bzw. der DDR eingesetzt, der Jahr für Jahr „Quoten“ von mehr als tausend Personen nach Oberhausen spülte. Und in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kamen die ersten „Gastarbeiter“ aus den Mittelmeerländern, zuerst aus Italien. Ein sehr hoher Anteil der Menschen in Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld musste sich in der Welt der Industrie, die nach wie vor diese Städte prägte, in den 1950er Jahren erst noch zurechtfinden. Und auch die übrigen, echten „Heim“-kehrer – als Jugendliche in den Krieg geschickt oder in der Nazi-Diktatur erwachsen geworden – fand eine für sie fremde Welt vor.

       Wiederaufbau – Neubauwohnungen – „Wohlstand für alle“

      Mitte der 1950er Jahre war die Not der Nachkriegsjahre überwunden. Es überwog ein grenzenloser Optimismus. Schon im Januar 1956 wurde gemeldet, dass die Bombenschäden fast vollständig beseitigt waren. Nun war Oberhausen, verglichen mit den Nachbarstädten, mit 35 Prozent Gebäudeschäden noch glimpflich davongekommen. Dass aber ein Jahrzehnt nach Kriegsende „Trümmer in Oberhausen schon Mangelware“ wurden, dass der „Wiederaufbau zu 87 Prozent erledigt“7 war, erfüllte den Vorsitzenden des Bauausschusses, der diese Zahlen vermelden konnte, mit berechtigtem Stolz. Es war längst nicht mehr nur der Wohnungsbau, der großen Baufirmen und Handwerkern Arbeit verschaffte. Die größten Baustellen lagen 1956 im Zentrum von Alt-Oberhausen, in einem Kreis mit 500 Meter Radius um die Verkehrsspinne Schwartz-, Tannenberg- und Danziger Straße. Für die damals riesige Gesamtsumme von sechs Millionen DM wurde an

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