Herbst. Ben B. Black
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»Wer hat was, Kirchner?«, fauchte Blistel den Mann an. »Halten Sie das etwa für eine ordnungsgemäße Meldung?«
»Nein, Herr Stabsunteroffizier.« Kirchner räusperte sich. »Gefreiter Kirchner, ich melde, dass einer – korrigiere – mehrere der Zombies einen Gegenstand in der Hand halten, der verflucht nach einer Handgranate aussieht.«
»Scheiße, jetzt sehe ich es auch!« Clemens riss die Augen auf. »Schießt, Männer, schießt!«
Wie ein Mann rissen Clemens und Blistel ihre Pistolen nach oben und schossen ebenfalls auf die Untoten, die auf dem Berg der toten Leiber aufgetaucht waren.
Tatsächlich gelang es den Soldaten, die Angreifer am Werfen der Handgranaten zu hindern, und jeden von ihnen auszuschalten. Doch mit dem, was jetzt passierte, hatten sie nicht gerechnet.
Als die Zombies von den Schüssen niedergestreckt wurden, fielen ihnen die Granaten aus den Händen, mitten zwischen die aufgetürmten Leichen. Dort detonierten sie und rissen, begleitet von einem ekelhaften Schmatzen, eine Lücke in die Barriere der Toten.
Als hätten ihre Kameraden dahinter nur darauf gewartet, ergossen sie sich jetzt durch diese Lücke, dabei trug jeder von ihnen ein geeignetes Körperteil eines der endgültig Toten wie einen Schutzschild vor sich her.
»Scheiße, was machen die denn da?« Blistel konnte es nicht fassen. »Als ob ihnen jemand sagen würde, was sie zu tun haben.«
»Bericht!«, forderte Clemens lautstark. »Wie viele Granaten
haben wir noch?«
»Keine mehr, Herr Hauptfeldwebel. Die haben wir alle vorhin beim ›Auftürmen‹ verbraucht.«
»Worauf wartet ihr dann noch? Schießt sie in Stücke, los!«
Die Männer taten ihr Bestes. Immer wieder gelang es einem von ihnen, einen Wirkungstreffer zu landen, der einem der Zombies entweder seine Deckung entriss, oder ihn sogar direkt endgültig ausschaltete. Trotzdem kamen ihnen die Untoten näher und näher, ihr Zustrom an Nachschub schien weiterhin unbegrenzt zu sein.
»Verdammte Biester!« Mit grimmiger Miene ließ Blistel das leere Magazin aus seiner P1 fallen, rammte ein neues hinein und ließ den Schlitten der Waffe wieder nach vorne schnellen. »Wir müssen sie zurückdrängen. Los, Männer, gebt alles!«
In diesem Moment änderte die erste Reihe der Angreifer ihre Strategie. Anstatt sich weiter in Richtung der Soldaten zu bewegen, begannen sie, diese mit Leichenteilen zu bewerfen. Die Männer waren im ersten Moment derart überrascht, dass sie aufhörten zu schießen.
»Weiterfeuern!«, brüllte Clemens. »Lasst euch doch davon nicht beirren, ihr Idioten!«
Dann traf ihn ein herrenloser Schädel am Kopf und schickte den Hauptfeldwebel ins Land der Träume. Auf diese Weise bekam er nicht mehr mit, wie seine Stellung vollends überrannt wurde, und auch den Biss, der ihn die Seiten wechseln ließ, war nur ein kurzes Aufleuchten in seinem Unterbewusstsein, bevor es vollends erlosch.
***
Martin schwebte über der Szene und bekam jedes grausige Detail in aller Deutlichkeit mit. Das Knacken brechender Knochen fraß sich ebenso in seine Seele wie die angsterfüllten Schreie der Sterbenden und das Schmatzen, Geifern, Grunzen und Knirschen der Untoten. Aber im Gegensatz zu den Soldaten dort unten bemerkte er den verhüllten Mann, der ein wenig abseits der Zombies stand und diese mit seinen Gedanken lenkte.
Frank!, durchzuckte es Martin. Ich hätte es mir ja denken können, dass die Knirscher nicht von alleine auf die Idee mit den »Schutzschilden« kommen. Verdammt, sie sind auch so schon gefährlich genug, ohne ihren General …
Dann bemerkte er die Präsenz eines weiteren Mannes, der ebenfalls nicht zu den Soldaten gehörte – Gabriel! Dieser schien sich an dem Spektakel zu ergötzen, ganz so, als sei das Schlachten und Morden einzig zu seinem Vergnügen inszeniert worden.
In merkwürdiger Klarheit erkannte Martin das Band, welches den dunklen Mann mit seinem General verband. Er erfasste sogar ein Stück weit, was in den beiden vorging, und das, was er empfing, ließ ihn schaudern. Da war nichts Menschliches mehr in den Emotionen, die Gedanken waren nur auf Hass und Zerstörung ausgerichtet.
Für einen kurzen Moment vermeinte Martin sogar, tiefer in die Abgründe ihrer Seelen schauen zu können, die wahren Absichten und Motive hinter ihren Taten zu sehen, dann wurde er ein weiteres Mal von einer unbekannten Macht fortgerissen.
***
Frank sah irritiert auf. Seine Augen suchten den Himmel ab, doch er konnte nichts Außergewöhnliches erkennen. Dabei hätte er schwören können, soeben beobachtet worden zu sein.
»Ich darf mich nicht ablenken lassen«, rief er sich selbst zur Ordnung. »Diese Nacht ist meine Nacht, und daran wird irgendein merkwürdiges Gefühl nichts ändern können!«
Er blieb stehen und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er den blutigen Fetzen einer Schulterklappe in Händen. Die Überreste des Rangabzeichens waren markant, die Schulterklappe hatte einem Hauptfeldwebel gehört.
»Willkommen in meiner Armee.« Frank kicherte. »Wer weiß, vielleicht mache ich dich sogar zum Spieß einer meiner Kompanien. Aber nur, wenn du dich nicht zu dämlich anstellst.«
Sein Geist griff hinaus, tastete nach den Untoten, die sich ganz frisch in den Reihen seiner Soldaten eingefunden hatten, dabei projizierte er das Bild des Rangabzeichens in ihre Gehirne und hoffte auf eine Reaktion. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er dieses Unterfangen wieder aufgab, denn jeder der ehemaligen Soldaten reagierte in irgendeiner Weise auf das Abbild, doch nichts daran verriet, ob es sich um den einstigen Besitzer der Schulterklappe handelte.
Achtlos ließ Frank das Stoffstück wieder fallen. Was kümmerte ihn, was ein Mitglied seiner Armee zu Lebzeiten gewesen war? Jetzt zählte nur noch, dass sie ihm zu folgen hatten, er war ihr General, ihr Gott, ihr Heiland.
»Findest du nicht, dass du es ein wenig übertreibst?« Gabriels Stimme klang belustigt. »Deine beginnende Hybris ist zwar interessant und auch ein gutes Stück weit unterhaltsam, aber pass besser auf, dass sie dich nicht wertlos für mich werden lässt.«
»Musst du immerzu in meinen Gedanken herumschnüffeln?« Frank starrte die dunkle Gestalt, die sich aus dem Schatten eines Hauseingangs geschält hatte, hasserfüllt an.
»Na, na, na, wer wird denn aufmucken wollen?« Gabriel schüttelte missbilligend den Kopf. »Muss ich dich ein weiteres Mal daran erinnern, wem du deine Treue geschworen hast?«
»Treue bist zum Tod, wie?« Frank lachte trocken auf. »Leider bin ich über diesen Zustand schon hinaus, also sag mir: Was kommt als nächstes?«
»Ich sehe, du bist wieder einmal in Philosophierlaune. Du weißt, dass ich unsere kleinen Geplänkel durchaus zu schätzen weiß, aber im Moment fehlt mir leider die Zeit, sie zu genießen.«
»Oooch, das ist aber schade.« Franks Stimme troff vor Häme. »Macht dir gerade wieder jemand einen Strich durch deine allmächtigen Pläne? Womöglich ein Menschlein?«
»Heute hast du – zumindest bisher – gut Arbeit geleistet, daher will ich dir deinen Spott nachsehen.« Gabriel legte den Kopf schief. »Aber sei