Auslaufgebiet. Lotte Bromberg
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Читать онлайн книгу Auslaufgebiet - Lotte Bromberg страница 17
»Hektor hat seinem Namen Ehre gemacht und ist hinterher.«
»Fleischwunde in der Wade?«
»Der verpickelte Colasäufer konnte richtig rennen. Und MM ist schimpfend beiden gefolgt.«
Oskar lachte. »Armer Bengel.«
»Bis zur U-Bahnstation haben sie ihn getrieben. Die Treppe war Hektor zu mühsam.«
»Auch Möpse sollten ihre Grenzen kennen.«
Jakob tunkte Brot in die Schüssel mit grüngoldenem Olivenöl. Das Brot saugte sich voll. Seine neue Hundeseele brauchte Fett, die viele Bewegung. »Und hast Du schon etwas übers Umfeld?«
Oskar nahm einen großen Schluck Bier. »Ich war bei ihren Eltern. Osten. Lichtenberg.«
»Armer Ossi.«
Jakob wurde von Neuköllner Blicken erdolcht. »Wenn Du mich noch einmal Ossi nennst.«
»Nennst Du mich kopfkranker, supendierter Depp, ich weiß. Also, was war mit denen?«
»Frustrierter Möchtegern-Altkader nimmt seiner Tochter die kapitalistische Karriere übel.«
»Was hat sie denn gearbeitet?« Jakob nahm noch eine artgenössische Ladung Olivenöl in Brot und hoffte, er hätte eine ruppige Hundeverdauung.
»Irgendwas für eine kanadische Stiftung. Da habe ich angefragt, aber die rühren sich nicht. Ihnen gehört die Wohnung, in der Iris gelebt hat. Passwortgesichert.«
»Du mußt über den Atlantik betteln, sie durchsuchen zu dürfen.«
»Und die lassen mich am ausgestreckten Arm verhungern.«
»Also ist ihr Beruf eine Sackgasse.«
»Nicht unbedingt. Ihre Mutter sagt, sie hatte ein Projekt mit der FU.«
»Und jetzt soll Dein Lieblingsakademiker da mal reinschnuppern.«
»Wenn die Stiftung blockt, komme ich nicht weiter.«
»Und an den Waldleuten soll ich auch dranbleiben?«
»Dafür bist Du der beste.«
»Schmeicheln nützt nichts, das weißt Du doch.«
»Hast Du etwa was anderes zu tun?«
»Jetzt bist Du wenigstens ehrlich. Noch ein Bier?«
Das Nagen füllte ihn aus. Er lief dagegen an, immer schneller flogen seine Pfoten. Er trank Wasser, fraß Gras, Erde und lief weiter, als wäre er auf der Flucht, als hätte er ein Ziel. Mittags rastete er, abends leckte er seine schmerzenden Pfoten.
Er hatte sein Wolfsrudel verlassen, weil die Sonne ihn zog. Aber er war sehr jung, um allein zu überleben. Zu jung, als daß sein Familie ihn hätte lehren können, wie ein Wolf jagt, zu jung, um Gefahren zu erkennen. Wäre er ein Mensch gewesen, ihn hätte der Mut verlassen, er hätte Hilfe gesucht, wäre gar umgekehrt. Aber er war ein Wolf, der nur den nächsten Schritt sah, sich nach dem sehnte, was vor ihm lag.
Immer wieder witterte er andere Tiere, folgte ihrer Spur, die sich verlor. Das Nagen brüllte. Am vierten Tag wehte Aasgeruch heran. Sein Herz schlug wild und laut. Er folgte der Spur und fand eine tote Amsel. Schlang sie gierig hinunter, als wäre sie nichts.
Jetzt achtete er mehr auf den Geruch, der gegen das Nagen geholfen hatte. Fand eine Maus am folgenden Tag. Dann wieder zwei Tage nur Losung, Gras, Erde. Er horchte auf die Geräusche im Boden unter ihm, wußte nichts damit anzufangen. Saß vor Mauselöchern und verstand nicht, daß sie es waren, ihre Trippelschritte, die er hörte. Ein Gelege half ihm über den folgenden Tag. Die Amsel klagte vergebens, er fraß all ihre Eier, sogar die Schale schlang er hinunter.
Dann fand er nichts mehr.
Es wurde Tag, es wurde Nacht. Er witterte, suchte. Stöberte in Erdlöchern, horchte auf Schritte, Flügelschläge. Er war nur noch dieses Nagen. Sein Kopf war leer, er fiel in leichten Schlaf. Träumte von seiner Mutter, bellte mit seiner Schwester. Als er erwachte, war er schwach. Steif stand er auf, schüttelte sich, ging ein paar Schritte, warf den Kopf in den Nacken und heulte. Horchte. Niemand antwortete. Wieder heulte er, länger jetzt, fordernd. Da glaubte er eine Antwort zu hören. Seine Nackenhaare sträubten sich. Er kannte die Stimme nicht. Bewegte die Nase, sog die Luft ein. Horchte. Aber es wiederholte sich nicht. Wieder und wieder heulte er, aber er war allein.
Also lief er. Weiter zur Sonne, die sank. Legte sich in Pfützen, fand einen See, badete. Grub Würmer aus, fraß Käfer, kaute auf Holz herum und wurde immer dünner. Das Fell ging ihm aus, seine Augen huschten über den Horizont. Er war zu schwach zum Heulen jetzt. Immer wieder schlief er, immer seltener achtete er auf Deckung. Ließ Rehe vorüberziehen, sah mit halbgeöffneten Augen Hasen hinterher.
Das Nagen wuchs, schon lange war es größer als er.
»Können Sie nicht aufpassen?« Fockemeyer brüllte, an seinem Jackett floss der Kantinenkaffee abwärts.
Oskar hatte, im Laufen Akten studierend, die Flurkurve eng genommen und war in seinen einen Plastikbecher jonglierenden Chef gelaufen.
Oskar zog ein Taschentuch hervor und näherte sich seinem Chef.
Fockemeyer wehrte ihn ab. »Haben Sie mir wenigstens aus Diensteifer den Anzug versaut?«
Oskar hob die Akte hoch. »Die Frauenleiche aus dem Grunewald. Der Forstamtsangestellte Gerhard Hacke ist aktenkundig. Ich bin unterwegs zu dem Kollegen, der das bearbeitet hat, die Unterlagen sind unvollständig.«
»Worum geht’s denn?«
»Sexualdelikt, zumindest ist es das Dezernat.«
»Wurde die Leiche vergewaltigt?«
»Keine Ahnung.«
»Dann lassen Sie doch den Mann in Ruhe. Haben Sie nicht genug mit dem arabischen Rudel zu tun? Was ist denn nun mit der DNA? Wenn ich daran denke, was das den Steuerzahler kostet, und auch noch mal drei. Beten Sie, daß etwas rauskommt.«
»Ich bleibe dran.«
»Sie brauchen endlich einen neuen Partner, Blum. Sie können doch nicht ewig auf Hagedorn warten.«
»Kühn sagt, Sie wüßten, daß er nicht zurückkommt.«
»Das alte Waschweib quatscht zu viel und erfindet die Hälfte. Keiner kann der Entscheidung des Richters vorgreifen. Habe nur gesagt, wird schwer, ihn da rauszuhauen. Mal sehen, was ich mit meiner Zeugenaussage für ihn tun kann. War ja ein wirklich erfolgreicher Kollege.«
»Bei Ihrer Mitarbeiterführung kein Wunder, Herr Kriminalrat.«
»Wird schon, Blum.« Fockemeyer klopfte Oskar auf die Schulter. »Ich habe schließlich noch nie jemanden hängen lassen.«
»Aber sicher, Herr Kriminalrat.«
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