Katzmann und die Dämonen des Krieges. Uwe Schimunek

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Katzmann und die Dämonen des Krieges - Uwe Schimunek

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fast wie Briketts aussehen ließ. Die meisten Dollar-Päckchen waren grün wie Gras im Herbst, Ein-Dollar-Scheine. Sein Bruder Bertold hatte gesagt, dass eine solche Note einen enormen Wert habe. Ganz in der Ecke stapelten sich gar Zwanziger der US-Währung - jedes Bund ein Vermögen.

      Helmut Cramer spürte, wie sich sein Glied in der Hose versteifte. Dabei brauchte er nicht mal daran zu denken, wie er mit diesem Reichtum Mädchen beeindrucken könnte - das Geld allein stimulierte genug. Von wegen Geld macht nicht glücklich! Vielleicht nicht für ewig, aber für den Moment fühlte Helmut Cramer sich wie berauscht von dem Anblick.

      Er trank einen Schluck Bier, so hastig, dass er regelrecht danach schnappen musste und trotzdem ein paar Tropfen über den Rand des Bembels auf seinen Kragen spritzten.

      «Na, schon vorm Trinken besoffen?» Bertold lachte. Dabei sah sein Gesicht noch schiefer aus als im Ruhezustand. Es erinnerte an eine grimmige Mondsichel in einem Kinderbuch. Bertold trank auch einen Schluck, dann stellte er den Bembel vor sich auf den Tisch und widmete sich den Leipziger Neuesten Nachrichten, blätterte, versenkte seinen Blick in der Seite.

      «An der Börse steht der Dollar bei über hundert Mark.» Bertold murmelte die Worte ins Zeitungspapier.

      «Du meinst, für einen Dollar können wir hundert Mark bekommen?» Helmut Cramer schaute zu seinem Bruder, zum Koffer und wieder zu seinem Bruder.

      «Ein Dollar: 101,15 Mark. Gestern. Leicht gestiegen. Ja, über einhundert Mark.»

      «Dann sind das hier in der Ecke nicht zweihunderttausend Dollar, sondern eigentlich zwanzig Millionen Mark … «

      «Oder die hunderttausend Mark sind in Wirklichkeit nur tausend Dollar. Ganz wie Du willst.» Bertold kratzte sich mit der Hand an der Narbe, die an der Stelle leuchtete, an der einmal sein rechter Kiefer gewesen war.

      «Und was sind die Sterlings wert?»

      Bertolds Nase verschwand wieder in der Zeitung. «Ein Pfund Sterling kostet 338,65 Mark. Die zwanzigtausend bringen also …

      lass mich kurz nachrechnen … nicht ganz sieben Millionen Mark.»

      «Mann, Bertold! Das sind zusammen…« Helmut Cramer fasste sich mit der Hand an die Stirn, rieb, als könnte die dabei entstehende Wärme beim Denken helfen, und sagte: «Ach egal! Wir sind reich.»

      Bertold legte die Zeitung zurück auf den Tisch und sah herüber, als wolle er seinen Bruder mit seinem Blick in den Fixiergriff nehmen. «Das ist unser Startkapital. Reich werden wir später.»

      «Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich auf der Frühjahrsmesse den Klinkenputzer spiele. Ich bin Millionär!»

      «Messestände haben keine Klinken, und Handelsvertreter ist ein ehrbarer Beruf!»

      «Ja ja. Und du hast früher … blabla.»

      «Wie sprichst du mit deinem älteren Bruder?»

      «Ach komm, Bertold, ich bin erwachsen!» Wie zum Beweis hob Helmut Cramer den Bembel und trank einen kräftigen Schluck. Langsam begannen die Figuren auf der Tapete gen Decke zu schweben, wenn er zu lange in eine Richtung schaute. Am schnellsten schienen die kleinen Punkte zu hüpfen - wie vorwurfsvolle Augen in den Ornamenten, die ihn immer an rasierte Schädel erinnerten. Helmut Cramer schüttelte den Kopf, beschloss, vorsichtiger mit dem Bier zu sein.

      «Manchmal kommt mir das gar nicht so vor.»

      «Was?»

      «Dass du erwachsen bist. Das kommt mir manchmal gar nicht so vor.»

      Helmut Cramer trank noch einen kleinen Schluck. Eigentlich war es doch ein schönes Gefühl, wenn das kleine Karussell hinter der Stirn sich zu drehen begann. Und außerdem gab das Bier Sicherheit. «Und du, warum musst du immerzu ans Arbeiten denken? Wofür machst du das denn? Für Geld, oder nicht? Und was liegt hier? Mehr, als du jemals verdienen könntest. In deinem ganzen Leben!»

      «Darum geht es gar nicht.»

      «Nein? Worum geht es dann?»

      «Man muss doch etwas tun. Etwas schaffen. Etwas, das dem Leben Sinn gibt. Etwas, das bleibt.»

      Helmut Cramer lachte, so laut, dass er sich selbst vorkam wie ein Pferd, das wiehert. «Du erzählst mir Sachen! Vor ein paar Jahren hast du gedacht, dass deine Nation dir Sinn gibt. Und was hast du nun davon? Du bist ein Mörder und siehst aus wie ein Monster. Und die feinen Herren mit dem Sinn? Die geben dir ein Gnadenbrot in deinem Pförtnerhäuschen.»

      «Ach, Helmut, wenn ich am Boden lag, bin ich wieder aufgestanden. Und ich möchte weiterhin gehen wie ein Mann. Nicht herumliegen wie ein Faultier.»

      «Ich würde lieber auf ’ner Frau liegen wie ein Mann …» Helmut Cramer lachte in seinen Bembel, aus dem Tongefäß klang dumpf das Echo.

      «Mach dich nur lustig. Aber vergiss nicht: An diesem Geld klebt Blut. Vielleicht vergeht dir der Spaß bald.»

      «Und hier geht der Leipziger Arbeiter also abends hin?» Konrad Katzmann blickte sich in der Kanalschenke um, in die er geführt worden war.

      Heinz Eggebrecht nickte, schwenkte seine rechte Hand in den Gastraum: Dämmerlicht, junge Männer mit Bier in Skatrunden, in Diskussionen, Qualm, ein Geruch, als hätte jemand ein Tabaklager in Brand gesetzt. An der Ecke Stehtische, in der ganzen Kneipe jeder Platz besetzt. «Ja, ich komme ganz gerne her. Ich kenne das von früher, meine Eltern wohnen um die Ecke, und ich habe oft hier gesessen, bevor ich in die Südvorstadt gezogen bin. Hier ist was los, und das Bier ist bezahlbar.»

      «Apropos, ich zahl noch ’ne Runde für uns zwei.» Konrad Katzmann hob seine Hand zum Wirt, Zeige- und Mittelfinger abgespreizt.

      Heinz Eggebrecht nahm gerade noch wahr, wie der Reporter ihm gegenüber grinste, und schon standen zwei neue Blumen auf dem Tisch.

      «Prost!»

      Die beiden Männer tranken.

      «Wissen Sie, was die in der Redaktion mit mir vorhaben?», fragte Katzmann.

      «Nein, ehrlich gesagt hat da gerade keiner allzu viel zu tun. Die sitzen alle rum und warten, dass die Zeitung wieder erscheinen darf.»

      «Wird das noch lange dauern?»

      «Keine Ahnung. Die meisten glauben, dass der Spuk in ein paar Tagen vorbei ist. Aber was Genaues weiß keiner.» Heinz Eggebrecht zuckte mit den Schultern. Für ihn war die Situation im Augenblick nicht besonders heikel, als Lehrling bekam er weiterhin seinen schmalen Lohn. Alles andere wäre ja auch noch schöner gewesen, bei einer Zeitung der linken USPD. Aber für Autoren, die für Honorar arbeiteten, konnte das Verbot der Zeitung schnell an die Existenz gehen.

      «Was merkt man davon eigentlich in Dresden, dass es keine LVZ mehr gibt?»

      Katzmann zuckte mit den Schultern. «Eigentlich nichts. Leistner hat mich kurz angerufen, aber ich hab am 17. Januar noch nicht mal das Extrablatt bekommen. Vielleicht hat der Postmann es behalten.»

      «Ehrlich? Noch nicht mal gesehen?»

      «Nein.»

      Heinz Eggebrecht kramte in seiner Manteltasche, fand den Bogen Zeitungspapier zusammengefaltet

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