Der schwarze Witwer. Horst Bosetzky

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Der schwarze Witwer - Horst Bosetzky

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hatte Galgenberg dies gehört, verzog er das Gesicht und fragte Kappe, wo er in der Schnelle eine Gasmaske herbekommen könne.

      «Wieso denn das?»

      «Na, kennste nich den Spruch?»

      Kappe lachte. «Welchen? Jeden deiner tausend Sprüche kann kein Mensch kennen!»

      «Na, den hier: Gefährlich ist der Furz der Sachsen, / Denn der kann im Darme wachsen / Und beendet seinen Marsch / Mit ’nem lauten Knalle aus’m …»

      Kappe verdrehte die Augen. «Mensch, ebenso wenig, wie in der Pariser Straße nur Pariser wohnen, wohnen in der Sächsischen Straße nur Sachsen.»

      Galgenberg sah ihn mit großen Augen an. «Is wahr? Mensch, det hätt ick nie jedacht! Aber so isset nu mal, keen menschlicher Verstand ermisst, wat mancher für een Dussel ist.»

      «Nun beeil dich schon!», drängte Kappe.

      Kappe machte, dass er aus dem Bureau kam, und lief so schnell über den Flur in Richtung Treppenhaus, dass Galgenberg ihm nicht zu folgen vermochte. Einen speziellen Mordbereitschaftswagen, das heißt einen mit Bureau- und Kriminaltechnik ausgestatteten Personenkraftwagen, gab es noch nicht, an solch einem Mordauto tüftelte Gennat noch, und so mussten sie mit einer normalen Kraftdroschke vorliebnehmen.

      «Bald ist Berlin so arm, dass wir uns selbst ans Steuer setzen müssen», sagte Kappe.

      Galgenberg wusste es besser. «Nee, jeda kriegt sein Dienstfahrrad – und wir beede een Tandem.»

      Es waren kaum mehr als neun Kilometer, die sie zu fahren hatten – Leipziger, Potsdamer, Grunewald- und Brandenburgische Straße –, aber sie brauchten dennoch knapp zwanzig Minuten, bis sie ihr Ziel erreicht hatten, denn an diesem Nachmittag war in der Innenstadt schon reger Betrieb. «Können die ihren Arsch nich zu Hause lassen?», regte sich Galgenberg auf.

      Als sie in der Potsdamer Straße am Sportpalast vorbeikamen, stach ihnen die Reklame für ein Konzert ins Auge. Don Kosaken Chor Serge Jaroff. war da zu lesen. In vierzehn Tagen gab der sein erstes Konzert in Berlin.

      «Meine Frau ist ganz verrückt nach dem Männerchor», sagte Kappe. «Klara hat schon immer für die russische Seele geschwärmt.»

      «Nüscht gegen einen richtigen K. o.., sagte Galgenberg, der gern Boxkämpfe sah. «Aber muss det mit dem Saken ooch noch sein?»

      Kappe nickte. «Allerdings, Sake ist doch dieser japanische Reiswein. Von dem kann man durchaus k. o. gehen.»

      «Nun fängste ooch schon so an wie ick.»

      «Das steckt eben an», seufzte Kappe. «Und wenn das so weitergeht, werden sie uns noch nach Calau versetzen.»

      «Liegt das schon in Sachsen?»

      «Nee, aber nicht weit davon entfernt.»

      Kurze Zeit später bogen sie in die Brandenburgische Straße ein. An der Ecke Wegenerstraße hatte die Schutzpolizei den Bürgersteig abgesperrt, und von nun an war alles Routine.

      «Der Kniehase wird schon da sein», sagte Kappe, der den Eifer ihres Kollegen Kriminaltechniker kannte.

      Galgenberg lachte. «Klar, det issa seim Namen schuldig. Der muss doch der Menschheit klarmachen, det det Märchen nur ’n Märchen is und der Hase in Wirklichkeit doch schnella is als der Igel.»

      Und in der Tat stand Dr. Kniehase schon bereit, um Bericht zu erstatten. «Im Schlafzimmer liegt die 63-jährige Gemüsehändlerin Frieda Schorbus auf ihrem Bett, mit einer Kittelschürze bekleidet. Ihre Hände und ihre Füße sind mit zerrissenen Laken an die Bettpfosten gefesselt. Ihr Kopf hat unter einem Kissen gesteckt. Nach Ansicht des herbeigerufenen Arztes ist sie ganz offensichtlich an ihrem Knebel erstickt, einem Taschentuch. Überwältigt worden ist sie in ihrer Küche.»

      Kappe bedankte sich und machte sich daran, alles in Augenschein zu nehmen. Dabei wurde ihm von Galgenberg assistiert.

      Die Küche sah nicht anders aus als hunderttausend andere in Berlin. Sie wurde beherrscht von einem Schrank, den sich die Eheleute Schorbus vor vierzig Jahren angeschafft haben mussten, zu ihrer Hochzeit wahrscheinlich, und einem Kohlenherd, einer richtigen Kochmaschine, wie die Berliner sagten. Daneben gab es einen Tisch mit drei Stühlen, einen Ausguss, unter dem ein Eimer mit einem grauen Scheuerlappen stand, ein Bord mit einer altertümlichen Waage, ein durchgesessenes kleines Sofa und einen Kohlenkasten. Die Dielen waren in einer Farbe gestrichen, die Galgenberg «kackbraun» nannte. Und auf diesen Dielen lagen das Gebiss der Toten und ihr Krückstock.

      «Hier, guck mal!», rief Galgenberg und zeigte auf den Herd. Da waren die eisernen Ringe von einem der kleineren Feuerlöcher abgenommen worden, und man sah aufgeschichtetes Kleinholz. Auf der Herdplatte lagen eine zur Hälfte geöffnete Streichholzschachtel und eine Brille. Daneben stand eine Kasserolle mit kaltem Kaffee.

      Kappe nickte. «Alles klar, was den Tathergang betrifft: Frieda Schorbus hat sich gerade den restlichen Kaffee vom Morgen warm machen wollen, als der Täter, der durch das offenstehende Fenster eingestiegen sein muss, über sie hergefallen ist. Sie hat sich noch gewehrt, aber keine Chance gegen ihn gehabt, als er sie ins Schlafzimmer gezogen, gefesselt und geknebelt hat.»

      «Ein Sittlichkeitsverbrechen wird es nicht sein», murmelte Galgenberg, der, wenn er ernst wurde, durchaus auch Hochdeutsch sprechen konnte. «Also ein Raubmord.»

      «Hm …», machte Kappe. «Sieht nicht so aus, als wäre hier viel zu holen.»

      «Det sag nich! Bei manchen sieht es nur so ärmlich aus, weil sie jeden Pfennig sparen, um sich draußen im Grünen ’n Grundstück zu kaufen.»

      Damit kamen sie ins Schlafzimmer, wo Richard Schorbus neben seiner toten Frau auf der Bettkante saß und der Sohn am Fenster stand und in das bisschen Himmel starrte, das sich über dem engen Hinterhof erkennen ließ.

      «Mein herzliches Beileid», murmelte Galgenberg.

      Kappe sagte gar nichts, sondern setzte sich neben Schorbus aufs Bett und legte ihm den rechten Arm um die Schulter. Das war ein besserer Trost als jedes Wort. Dabei ging sein Blick durch den Raum. An der freien Wand stand ein kleiner hölzerner Schreibtisch mit schön geschwungenen Beinen und einem ebenso kunstvollen Aufsatz. Die Schubfächer waren herausgezogen, die kleinen Türen am Aufsatz standen allesamt offen. Der oder die Täter mussten gezielt gesucht haben. Die kleinen Schlüssel zu den Schubfächern lagen auf der Schreibtischplatte.

      «Haben die Schlüssel immer hier gelegen?», fragte Galgenberg den Sohn.

      «Nein, die hat Mutter immer in ihrer Kittelschürze stecken gehabt.»

      «Gab es denn viel zu stehlen?», fragte Kappe den alten Schorbus.

      «Viertausend Mark, vielleicht auch fünftausend. Das Geld hat immer Frieda verwaltet. Wir wollten uns doch ’n Grundstück kaufen, draußen in Wernsdorf oder in Schmöckwitz.»

      «Die Wertpapiere liegen noch alle hier», sagte Galgenberg.

      «Die Täter hatten es nur auf Bargeld abgesehen.»

      «Ach Gott, Frieda!», schluchzte Schorbus. «Manchmal habe ich gedacht, es wär besser, wenn sie stirbt, bevor man ihr ’n Bein abnimmt … Der Zucker … Aber so ’n Tod, nee, Herr Kommissar.»

      Richard

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