Opak. Matthias Falke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Opak - Matthias Falke страница 10
»Was ist das?« Theresa kam halb nackt und traumverloren auf die Brücke getorkelt, nur eine Decke umgeschlungen, die sie jetzt unter den Achseln festzuklemmen versuchte.
»Eine Sekunde.«
Die Erste Offizierin wies die Automatik an, das Geschrill abzustellen und ihr lieber einen Kaffee aus der Röhre zu lassen. Sie betrachtete Silesio, der schon länger hier zu sein schien und unaufgeregt an den Anzeigen herumtippte.
»Was soll das?« Der Commander war durch den Umweg über seine Kabine aufgehalten worden. Er hatte die Uniformhose an und knüpfte gerade sein Hemd zu.
»Es ist verschwunden.« Die Feststellung des Chefprogrammierers fiel in gläsernes Schweigen, die Sirene verstummte betroffen. Carlssen trat neben Silesio und betrachtete verständnislos die codierten Anzeigen, während er sich bemühte, das borstige Hemd in die Hose zu bekommen.
»Geh, zieh dir was an!«
Theresa umkrampfte die Kaffeetasse und schlurfte lautlos in den Gang hinaus.
»Wir hatten seit Aktivierung der Drohnenmodule eine durchschnittliche Ereignisfolge von unter fünfzehn Sekunden. Die letzte Verdeckung registrierte Lambda II/3 kurz vor Mitternacht, genau um 23:58:13 Uhr. Nach einer halben Minute begann sich die Automatik am Kopf zu kratzen. Nach einer Minute unterschritt die Beobachtungslücke jede mathematisch zu vertretende Wahrscheinlichkeit. Jeweils das erste Modul einer Einheit wurde einer Selbsttestroutine unterzogen, die fünf Minuten dauert und in allen drei Fällen positiv verlief. Die Zweiermodule führten selbsttätig Nachführungsbewegungen aus, die die Beobachtungsperspektiven so veränderten, dass das Objekt, wenn es sich noch auf der zuletzt gemeldeten Position befunden hätte, einen Hintergrundstern hätte verdecken müssen. Die jeweils dritten Module blieben auf Position und führten die Beobachtung weiter. Als alle die Maßnahmen zu keinem Ergebnis führten, ließ die Automatik unsere Wecker losgehen …«
»Leute, ich hab Schiss! Lasst uns hier abhauen.« Evchen war in eine Art Morgenmantel gehüllt halb hinter Gus, der sich eben noch die Jacke überwarf, auf die Brücke gekommen und hatte Silesios Erläuterungen mitgehört. Jetzt begann sie zu weinen.
»Es will uns etwas sagen. Es hat mitgekriegt, dass wir es abhören, und entzieht sich der Überwachung. Bestimmt will es uns mitteilen, dass wir verschwinden sollen.«
»Bis jetzt ist es erst einmal selbst verschwunden.«
»Vielleicht taucht es ganz dicht wieder auf und rempelt uns aus der Bahn. Oder es ist schon hier drin!«
»Commander.« Gus klang unerwartet moderat. »Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich von Evchens Hysterie anstecken ließe. Aber ich denke, dass wir es mit einem rational nicht erklärbaren und unkalkulierbaren Phänomen zu tun haben und dass die Risiken, denen Sie uns aussetzen, nicht mehr unter Kontrolle sind. Warum überlassen wir die Observierung nicht den automatischen Modulen und verpissen uns? Oder gehen wenigstens auf einen höheren Sicherheitsabstand?«
Groenewold wischte sich das Gesicht am Ärmel ihres Bademantels ab. »Das ist doch kein Zufall! Seit Tagen überwachen wir es rund um die Uhr, und kaum ist die Brücke unbesetzt, verflüchtigt sich das Ding. Sogar exakt in der Hälfte der unbemannten Zeit.«
»Die Brücke war nicht unbesetzt, ich war um halb zwölf wieder hier.« Silesio strengte sich an, wie ein onkelhaftes Fass von Geduld zu wirken. »Und es ist nach meinem Dafürhalten wohl doch Zufall.«
»Zwei von 24 Stunden überlassen wir das Schiff der Automatik, und genau da passiert was. Das ist eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 12.«
»Die Wahrscheinlichkeit beträgt für jede Seite des Würfels immer nur ein Sechstel und doch kommt der Würfel immer auf einer Seite zu liegen. Jedes Ergebnis, das eintritt, hat die Vorhersagenwahrscheinlichkeit gegen sich. Auch ein Zwölftel ist, denke ich, ein Wert, der noch nicht zu Interpretationen Anlass gibt. Da ist es wieder!«
Die Anzeigen flackerten heftig auf; das traumrote Blinklicht, das während der ganzen unguten Konferenz über ihren Köpfen rotiert hatte, erlosch klaglos.
»Über eine Viertelstunde.« Silesio gab einige Befehle ein. Theresa meldete sich vom Kommunikationspult: »Es kommen gerade interessante Meldungen von Luna III rein: Ihr Objekt hat die längste Ruhephase seit Beginn der Beobachtungen absolviert. Ich geb euch die Daten mal rüber.«
»Das ist unfassbar.« Der Chefprogrammierer wandelte die Ergebnisse der terrestrischen Stationen in grafische Darstellungen um. Die weit ausschwingende Kurve des Alpha-Phänomens vollführte einen eckigen Sprung und verharrte dann minutenlang unbeweglich, ehe es auf die alte Kurve zurückschnellte und die pendelnden Umkreisungen seiner virtuellen Bahn wieder aufnahm.
»Die Position, die das Alpha-Opak so sonderbar starr behauptet hat, ist exakt diejenige, von der unser Beta-Objekt genauso lange verschwunden war. Wenn ich die beiden Kurven übereinanderblende, erhalte ich eine Deckungslücke, die den statistischen Erwartungshorizonten nicht mehr widerspricht.«
»Warum haben wir es dann nicht gesehen?«
»Weil das Alpha-Phänomen für uns nicht existiert.«
»Und wo war unser Objekt so lange?«
»Es übernahm – vielleicht – die Exaltationen seines Alpha-Korrelats. Unsichtbar für unsere Instrumente, die auf die fixe Beta-Position fokussiert sind.«
»Gus, halt mich fest.«
»Aber das kann doch gar nicht sein.«
»Sie kommunizieren miteinander.«
»Sagen wir: Sie stehen in Wechselwirkung.«
»Bestimmt hecken sie etwas Fürchterliches aus!«
»Das beweist, dass es sich um eine Entität handelt, die über mehrere Aggregatzustände verfügt.«
»Darling, kommst du wieder ins Bett? Uns bleibt noch eine halbe Stunde.«
»Kommt nicht infrage. Besatzung der Dorset: Der Schichtplan ist hiermit außer Kraft. Die gesamte Crew, das gilt auch für dich, Theresa, in zehn Minuten zum Dienstantritt auf die Brücke. Wir gehen längsseits.«
Eine Viertelstunde später war die Mannschaft, mit flüchtigen Scheiteln und mit Schuhen an den Füßen, zum Briefing versammelt. Commander Carlssen verkündete seinen Entschluss, sich dem Opak so weit zu nähern, dass eine unmittelbare Kontaktierung möglich werden würde. Eine halbherzige Abstimmung ergab ein 3:2-Votum für das Manöver. Theresa leitet das Rendezvous ein. Als die Entfernungsanzeige ihre immergleichen Ziffern herunterzuschnurren begann und der Timer die wenigen Stunden bis zum Touchdown, den sich niemand vorstellen konnte, abrollte, erläuterte Silesio die bisherigen Erkenntnisse, die er in einsamer Nacht den binären Datenmassen entnommen hatte. Sie hörten ihm zu, dessen mathematischen Ausführungen sie besser folgen konnten als den logischen und erkenntniskritischen Einlassungen.
»Wir haben bisher nichts als eine leere Position, eine abstrakte Koordinate aus drei räumlichen und einem Bewegungsvektor. Das Objekt befindet sich exakt dort, wird alle paar Sekunden verifiziert und hat sich außer der viertelstündigen Eskapade vorhin noch keinen Ausrutscher geleistet.«
»Aber wenn es nur ein geometrischer Punkt ist, hat es keine Ausdehnung.« Theresa sah von ihrem Pult auf und zottelte an ihren strähnigen