Opak. Matthias Falke
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Читать онлайн книгу Opak - Matthias Falke страница 11
»Das ist selbstverständlich richtig.«
»Ergo …«
»Also widerspricht sich jedes Messergebnis, das uns die Position des Objekts anhand eines Verdeckungsereignisses meldet, selbst dadurch, dass es an dieser Position kein Objekt gibt, das für eine Verdeckung herangezogen werden könnte.«
»Und ihr glaubt, das wird anders, wenn wir noch dichter herangehen?«
»Wie wäre es denn, wenn wir eine Sonde mitten durch die Koordinate X hindurchschießen? Dann werden wir ja sehen, ob da etwas ist.«
»Ich wundere mich immer wieder, Gus, wie eine Position der Furcht zu Aktionen von derart aggressiver und provokanter Brisanz umkippt.« Carlssen wirkte ungeduldig und zugleich ernsthaft empört. Er schloss die Augen, umfasste die Stirn mit der rechten Hand und presste die ädrigen Schläfen zwischen den Fingern. »Erst sollen wir abhauen und dann am besten das Ding in die Luft sprengen. Wir können ja den Kilowattlaser drauf abbrennen.«
»Von mir aus.« Gus warf sich feist herum. »Ich gehe da jedenfalls nicht raus und mach mit dieser Luftblase ohne Blase und ohne Luft Shakehands.«
»Gar keine so schlechte Definition.« Silesio erzeugte ein Bündel von Krähenfüßen um seine grauen Augen. »Was bleibt von einer Seifenblase, wenn wir die seifige Blase und die Luft, die sie umspannt, wegnehmen? Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch ein abstrakter Sinneseindruck, ein Phänomen wie das ölige Schillern, das von der Haut hervorgerufen, aber nicht mit ihr identisch ist. Vielleicht eine Empfindung oder eine Erinnerung. Wo ist die Seifenblase, die du vor 50 Jahren über eine Wiese hast wehen lassen? Sie existiert nicht mehr und doch siehst du sie vor dir. Wenn wir die Metapher wieder umdrehen, haben wir das Opak: Es existiert, obwohl wir es nicht sehen und nicht einmal eine bildhafte Vorstellung von ihm haben. Nur eine mathematische Umschreibung und eine Definition als ausdehnungslosen Punkt. Wie erklären wir uns das?«
»Das ist es!«
»Wie groß ist es?«
»Ich kann nichts sehen.«
»Ich habe es immer gewusst.«
»Silesio, was macht die Telemetrie?«
»Immer langsam.« Der Chefprogrammierer blieb in seine Anzeigen verkrochen. »Wir haben eine sehr schwache Abtastung im ultravioletten Bereich – Moment: Ich schaffe es nicht, eine dreidimensionale Darstellung zu generieren. Das ist ein verdammt unsichtbares Ding.«
»Sag halt, was du hast.«
»Nun: Die größte bisher feststellbare Ausdehnung beträgt etwa 367 Meter. Es ist nicht scharf umrissen, sondern scheint sich logarithmisch in den leeren Raum zu verlieren.«
»Die Längsachse beträgt also …«
»Von einer Achse kann man nicht sprechen, da es keine körperliche Gestalt aufweist.«
»Aber du sagtest doch …«
»Das ist die maximale Ausdehnung seines Bereichs. Vielleicht stellen wir uns eher ein Phänomen von Feldcharakter vor.«
»Meinetwegen. Breite, Tiefe, Symmetrien.«
»Es nimmt ein gewisses Quantum Raum ein. Eine Volumenbestimmung war allerdings nicht möglich. In der Richtung der geringsten Erstreckung scheint es gegenwärtig ungefähr einhundert Meter zu messen.«
»Wieso gegenwärtig?«
»Es fluktuiert natürlich.«
»Natürlich. Was auch sonst? Wir wissen also nicht, wie groß es ist und wie es geformt ist, aber wir wissen, dass es Größe und Gestalt verändert.«
»So in etwa.«
»Wo ist es jetzt?« Groenewold stand mitten auf der Brücke. Ihre Frage schien an Gus gerichtet, der aus dem großen Backbordfenster den leeren Raum anstarrte. »Wie weit ist es noch weg?«
»Bezogen auf den Ortungspunkt befinden wir uns in genau einem Kilometer Distanz.« Theresa saß aufrecht vor den Monitoren voller irrationaler Daten. »Bezogen auf die wie immer geartete Oberfläche also hundert Meter weniger. Das ist alles sehr rätselhaft und es macht das Navigieren nicht einfacher. Commander, was hältst du davon, wenn wir noch näher rangehen?«
»Es ist deine Entscheidung, aber ich glaube gutheißen zu können, dass wir uns auf 500 m ranschleichen. Silesio?«
»Im Augenblick habe ich eine maximale Ausdehnung von 298 m und eine minimale Erstreckung von 126 m. Ich glaube, ich kann eine Distanzverringerung vertreten.«
Die Erste Offizierin, die aktuell diensthabende Schichtführerin war, brachte uns dichter heran. Die Daten blieben im Rahmen dessen, was die Lambdamodule seit den frühen Morgenstunden meldeten. Das Objekt schien eine maximale Größe von 400 m nicht zu überschreiten. Manchmal zog es sich auf weniger als 100 m zusammen. Es pulsierte, wobei es nicht mehr überraschte, dass die Abfolge dieser Aufblähungen und Kontraktionen – ganz abgesehen davon, dass sie trotz allem keine räumliche Gestalt, geschweige denn irgendwelche Aussagen über Oberflächenbeschaffenheit, spezifische Dichte oder gar materielle Zusammensetzung ermitteln konnten – keinerlei rhythmischem Grundmuster gehorchte. Theresa navigierte mit erbitterter Entschlossenheit und schob die Dorset schließlich so weit vorwärts, dass sie das Opak im Maximalstadium fast hätten berühren können. Wäre es ein feststoffliches Objekt gewesen, sie hätten den Andockstutzen ausfahren können. So hätte der Landungssteg freilich ins wabernde Nichts hineingeführt. Theresa programmierte die Automatik, das Schiff im Fall einer Alarmsituation selbsttätig auf mehrere Kilometer Distanz zurückzunehmen, ließ die Brückenbeleuchtung auf Rotlicht gehen und erhob sich. Sie nahm Carlssens Arm und bedeutete den anderen, ebenfalls aufzustehen. Sie folgten ihr ans große Panoramafenster auf der Backbordseite, wo sich Gus schon mit verächtlichem Schweigen hinter seinen Oberarmen aufgebaut hatte. Und dann sahen sie es.
Anfangs erkannten sie nichts außer der öden Pracht des Sternenhimmels. Einige Bilder der Ekliptik, die winterlichen Sternzeichen von Löwe und Zwillingen, die vor der ebenmäßigen Flut des kosmischen Funkelns fast verschwanden. Ein einzelnes, weit entferntes Licht flackerte und flimmerte. Wie immer, wenn man einmal auf eine Erscheinung aufmerksam geworden ist, entdeckten sie jetzt auch an anderen Sternen ein leises Flirren und Opaleszieren. Der Himmel lag wie in einer klaren Frostnacht in der Tiefe eines irdischen Februars vor uns. Und plötzlich begriffen sie: Das war das Opak. Das Sternenlicht blinkte und szintillierte wie auf der Erde, auf dem Grund einer strudelnden Atmosphäre. Nicht klar und unbewegt und gleißend, wie der Raum für gewöhnlich jenseits tumultuarischer Luftschichten wirkt, sondern glitzernd und schillernd, von öliger Bewegung durchströmt, die einzelne Sterne um Nuancen verblassen, andere wie Glanzlichter aufleuchten ließ, so war ihr Blick. Der sonst so harte, festgefrorene Hintergrund wirkte, als scheine er gebrochen und von viskosen Wellungen durchflutet aus einer Flüssigkeit heraus, die seinen Glanz mit einem undulierenden Film von wächserner Konsistenz umspülte. Erhitzte Luftschichten, die über dem Dunst einer stofflichen Wüste flimmern, zerbrodeln so die Glut der Landschaften, die taumelnd hinter ihnen liegen. Seidene Nebel, die über bambusbestandenen Anhöhen heruntergleiten, verfremden taoistische Szenerien zu traumhaften und fantastischen Exotismen.
»Das ist es.« Silesio wandte den Blick nicht von dem sonderbaren Phänomen. Der greisenhafte Glanz seiner wässrigen Augen machte ihn plötzlich sehr alt.
»Es