Weiberröcke und Leichen. Hans-Hermann Diestel

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Weiberröcke und Leichen - Hans-Hermann Diestel

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des unter britischer Flagge und von einer französischen Reederei gemanagten Schiffes, denn die legten Englisch als Arbeitssprache fest. Der philippinische Wachoffizier (II.N.O.) sprach nicht Mandarin und konnte deshalb nicht verstehen, dass sein chinesischer Kollege, der auf der Brücke überhaupt nichts zu sagen hatte, dem Ansinnen, das den Kollisionsverhütungsregeln widersprach, zustimmte. Das Ergebnis dieser chinesischen Absprache war eine schwere Kollision, durch die die beiden Schiffe erheblich beschädigt wurden und 610 Tonnen Schweröl ins Meer liefen.

      Seit dem „Siegeszug“ des Mobiltelefons wird es immer häufiger als Ursache für Seeunfälle benannt. Der Wachoffizier der BUNGA TERATAI SATU konzentrierte sich so sehr auf ein Telefonat seiner Frau, das sie mit dem Mobiltelefon von der Brücke aus mit der Familie zu Hause in Pakistan führte, dass er überhaupt nicht an den Kurs seines Schiffes dachte. Es lief dann wegen einer unterlassenen Kursänderung auf ein Riff vor der australischen Ostküste.

      Der Spruch Wenn der Schiffer „Land“ ruft, kann man noch nicht aussteigen hätte die Fahrgäste auf der indonesischen Fähre ACITA 3 am Abend des 18. 10. 2007 vor Bau Bau, Buton warnen können. Die mit fast 200 Passagieren völlig überladene Fähre (Kapazität 90 Passagiere) war auf dem Weg von der Insel Sulawesi nach Buton. Als sich das Schiff dem Hafen näherte, stürzten zu viele Passagiere an Deck, um mit dem Mobiltelefon Angehörige von ihrer baldigen Ankunft zu informieren. Die Fähre wurde instabil und kenterte. Ungeachtet eines großen Rettungseinsatzes verloren 60 Menschen ihr Leben. Das bestätigte einmal mehr den Spruch:

       Man kann auch noch an der Mole Schiffbruch erleiden.

      Abgesehen von solch dramatischen Ereignissen gibt es gerade in der Schifffahrt im Zusammenhang mit der Sprache immer wieder Momente, in denen man herzhaft lachen kann, weil wir eben nicht alle die gleiche Sprache sprechen. 1979 erhielt ich auf meiner Reise mit der FRIEDRICH ENGELS in Rotterdam über unsere Agentur von Holland Fumigation B. V. das folgende Schreiben:

       Sehr geehrter Herr Kapitän,

       Herzlich willkommen in diesem Hafen.

       Für die folgenden Zeilen möchten wir gerne Ihre Andacht:

       Im Falle, dass Ihr Schiff von Ungetierte Last hat, wie z. B. Kakerlaken-Getreidekäfer – Ratten u.s.w. können wir Sie ohne Zweifel auf eine schnelle und erfahrene Manier davon befreien. Egal welche Sorte, wir können sie mittels Sprühbehandlung mit verschiedenen Insecticiden … vertilgen …

       Falls Ratten sich über Ihr Mittagessen hermachen können Sie sie besser mit HF Rattengift füttern anstatt mir Ihrem Essen.

       Was unsere Apparaturen betrifft können wir Ihnen einen einfachen Handsprayer liefern aber auch, auf Wunsch, einen Motorsprayer. Mit unseren Instruktionen und Advisen kann Ihre eigene Besatzung die Behandlung selber durchführen während Ihr Schiff auf See ist. Selbstverständlich sind unser Advise ganz freibleibend.

       Hochachtungsvoll

       … (General Manager)

       Schornsteinmarke der Reederei Mediterranean Shipping Company (MSC)

      Die gleiche Sprache sprechen auch die Seeleute und die Journalisten in verschiedenen Medien nicht. Eine typische Schifffahrtsmeldung lautet zum Beispiel:

      Containerfrachter MSC Flaminia verholte nach Odense (02. 12. 13)

       Am 30.11. um 11.30 Uhr machte der deutsche Containerfrachter „MSC Flaminia“, 75590 gt (IMO: 9225615) beim Odense Steel Shipyard fest. In den vergangenen Tagen war ein Teil der kontaminierten Ladung in Aarhus gelöscht worden …

       Die Entsorgungsfirma NORD soll nun 25,000 Tonnen Gefahrgut in Zusammenarbeit mit der Fayard-Werft und der H.J. Hansen Geningdvinding von Bord holen.

      Der Auftragswert beträgt 50 Millionen dänische Kronen. Die Fracht (Hervorhebung HHD) soll in den Hochöfen von NORD in Nyborg in den kommenden Monaten verbrannt werden. (Quelle: Tim Schwabedissen)

      Diesen Unfug wird ganz gewiss niemand machen, denn die Fracht ist das Geld, das der Charterer oder Reeder für die Beförderung der Ladung bekommt. Der Charterer war MSC (Ökelname: „Mafia Shipping Company“). Als ich 1990 mit der AQUITANIA an MSC verchartert war, habe ich bei der Reederei nicht die geringste Neigung zum Verbrennen von Geld erkennen können. Es sind denn auch die Reste der Ladung, die verbrannt werden sollen.

      Der Verfasser dieser Meldung ist durchaus nicht der Einzige, der Schwierigkeiten mit der Bedeutung bestimmter maritimer Begriffe hat. Ein weiterer beliebter Begriff, den er, wie auch zahlreiche Fachjournalisten, falsch verwendet, ist das „Rammen“. Kriegsschiffe haben sich früher gerammt, Schiffe kollidieren miteinander.

      Vor ein paar Jahren hatten wir, meine Frau und ich, im Alten Land ein Haus gemietet, damit ich vom Ufer aus die auf der Elbe verkehrenden Schiffe fotografieren konnte. Neben mir stand oft ein noch nicht einmal vierzehn Jahre alter Junge aus dem Ruhrgebiet, der dieses Hobby wie ein Profi betrieb. Schiffe ziehen die Menschen an, egal ob sie klein oder groß sind. Es heißt nicht umsonst: Ihre Zahl ist Legion.

      Im Lexikon Seefahrt (1981) findet sich folgende nüchterne Definition zum Schiff: Wasserfahrzeug, das allgemein zum Transport von Personen oder Gütern auf dem Wasserwege vorgesehen ist. Mit dieser Definition wird kein Seemann, der sein „Brotschiff“ liebt, zufrieden sein. Andererseits habe ich oft Beschreibungen zu einem Schiff gelesen, die ich einfach für albern halte. Als nüchterner Mecklenburger habe ich mit den folgenden Worten Basil Lubbocks, die er in seinem Buch „The Log of the CUTTY SARK“ zu dem berühmten Tee- und Wollklipper schrieb, meine Probleme: Ihre Geschwindigkeit ist ihr Hauptanspruch für ihre Berühmtheit. Sie hatte viele andere Charakteristiken, die wir nicht negieren dürfen. Als Segelschiff hatte sie einen Charakter, der genauso komplex war wie der eines Menschen. Daraus entstehen eine spezielle Faszination und ein ewiges Interesse derjenigen, die sie führten. Sie hatte ihre Macken, ihre Tage sanfter Vernunft und sie hatte ihre Tage schlechten Temperaments und des Eingeschnapptseins. Es gab Dinge, die sie mochte, und es gab Dinge, die sie nicht mochte. Sie konnte auf jede Aktion eines Mannes reagieren und sie konnte, wie ein bockendes Pferd, dies nicht tun.

      Da halte ich es doch viel eher mit Joseph Conrad, der in „Der Spiegel der See“ schrieb: Schiffe sind in Ordnung: Es sind die Männer in ihnen.

      Zur grundsätzlichen Bedeutung des Schiffes hat Arved Fuchs in dem Buch zum Internationalen Maritimen Museum in Hamburg „Am Anfang war das Schiff“ die folgenden bemerkenswerten Worte geschrieben: Kein anderes Transportmittel hat die Geschichte der Menschheit so beeinflusst wie das Schiff. Es ist das älteste und geschichtsträchtigste Fahrzeug aller Zeiten. Mit ihm verbinden sich gleichermaßen Abenteuer, Handelsinteressen, Mythen, Tragödien und Poesie. Bezieht man die Seekriegsgeschichte mit ein, sind sie gewissermaßen auch ein Spiegelbild der Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Es sind die mutigen Entdeckungsreisen eines Fernando Magellan oder eines James Cook, aber auch die kühnen Fahrten früher Handelsreisen wie der Hanse oder der Ostindienkompanie, die die Welt zu der gemacht haben, die sie heute ist. Ohne Schiffe wären keine fremden Kontinente entdeckt und keine neuen Handelswege erschlossen worden

      

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