Weiberröcke und Leichen. Hans-Hermann Diestel
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Das Liberty-Schiff ERNST MORITZ ARNDT (ex ARCHON GABRIEL) unter DSR-Farben
Solche Beispiele beweisen einmal mehr, dass die Briten mit dem folgenden Spruch recht haben: Lobe nicht ein Schiff, das noch auf dem Helgen liegt. Diesen Seemannsspruch kann man ohne Probleme auf die Schiffsform anwenden. Die Form von Bug und Heck hat einen entscheidenden Einfluss auf das Seegangsverhalten und die Manövrierfähigkeit des Schiffes. Nur sehr erfahrene Seeleute dürften in der Lage sein, Probleme in dem einen oder anderen Bereich während des Baus des Schiffes vorherzusehen. Wenn die Nachteile der Schiffsform im Alltag deutlich wurden, hatten die Seeleute sehr schnell diesen Umstand deutlich machende Begriffe und Namen für ihre schwimmenden Untersätze. Die Mecklenburger verwendeten Namen wie „Backtrog“, „Büffel“, „Brummküsel“ sowie „Dwars-“ und „Farkendriewer“. Gefährlich wurde schlechtes Manövrieren eines Seglers, wenn das Schiff schlecht steuerte. Das konnte vor allem beim Einlaufen dazu führen, dass der Segler auf Grund oder auf die Mole lief.
Einige Segler blieben durch derartige Seeunfälle, wie sie die Rostocker Bark SCHNELLE 1884 beim Einlaufen in Warnemünde hatte, lange in der Erinnerung der Seeleute. Sie strandete dadurch einmal vor der Mole und einmal hinter der Westmole. Die Brigg AUGUSTE lief aus dem Ruder und beschädigte am Ufer vertäute Boote. Jahre später kam sie als SLIWO wieder nach Rostock und lief beim Einlaufen, bevor sie die Molen passiert hatte, auf Grund.
Die Rostocker Segler sind ein Beispiel für die Richtigkeit der folgenden Worte von Rudyard Kipling: Niemand hat mir bis jetzt erzählt, dass das Meer aufgehört hat, das Meer zu sein. Die SVENDBORG MAERSK beweist, dass sie selbst auf die größten und modernsten Containerschiffe zutreffen.
In den Jahrzehnten meiner Seefahrt habe ich viele Schiffe gesehen, die heruntergewirtschaftet waren, die nicht nur äußerlich Rosteimer waren, sondern auf denen auch für die Sicherheit der Besatzung, des Schiffes und der Ladung lebenswichtige Anlagen nicht mehr funktionierten.
Wer, wenn nicht die französischen Seeleute, konnte den folgenden Spruch formulieren: An Schiff und Frau ist immer etwas auszubessern.
Die Franzosen gehen davon aus, dass man sich kümmert. Wenn Schiffe langsam, aber sicher „vergammelten“, tat es besonders weh, wenn man dies bei Schiffen beobachtete, auf denen man in ihren guten Zeiten gefahren war. Die ROSTOCK habe ich einmal von Stettin nach Rostock geführt, weil der sich an Bord befindende Springerkapitän Hannes Fünning dies nicht durfte. Nach ihrem Verkauf durch die DSR sah ich die ROSTOCK als PAULINE METZ auf der Reede von Larnaca wieder. Ich fotografierte sie, als wir im Frühjahr 1993 mit der THÜRINGEN auf dem Weg nach Fernost den zyprischen Hafen verließen. Die Aufbauten und die Außenhaut bestanden fast nur noch aus Rost. Die Reederei Metz war für den schlechten Zustand ihrer Schiffe, nicht nur äußerlich, im Mittelmeer bekannt. 1998, als ich schon bei Alpha Ship in Bremen war, lief ich mit der KOTA PERABU (ex TAURUS) in Hodeidah ein. Dort trafen wir auf die SHADWAN ISLAND (ex CHEMNITZ/KARL-MARX-STADT). Ich ging an Bord, um sie mir anzusehen. Lange hielt ich es bei den Ägyptern nicht aus. Auf der Brücke funktionierten die Radargeräte und andere für die sichere Führung des Schiffes nötigen Anlagen nicht mehr. Alle Räume waren dreckig. Der Salon des Kapitäns war davon nicht ausgenommen. Den mir von den Offizieren angebotenen Kaffee lehnte ich dankend ab.
Die SHADWAN ISLAND (ex CHEMNITZ, ex KARL-MARX-STADT) 1999 in Hodeidah, Jemen
Für die beiden ehemaligen Rostocker Frachter traf der Spruch Schön ist die Jugendzeit in vollem Umfang zu. Sie hatten bei der DSR eine Zeit erlebt, in der sich Reederei und Besatzung intensiv um sie kümmerten. Die Farben waren leider nicht immer die besten, aber die Besatzungen versuchten dies durch hohen Einsatz wettzumachen. Auch bei anderen Reedereien hatten die Neubauten in den ersten Jahren ihrer Existenz meistens ihre beste Zeit.
Die Geschwindigkeit eines Schiffes war für den ökonomischen Erfolg des Unternehmens und das Prestige des Kapitäns und des Reeders von enormer Bedeutung. Es ging aber auch anders. Fred Schmidt berichtete in seinem Buch „Schiffe und Schicksale“ über die folgende sehr amüsante Geschichte eines „Rennens“ zweier Schiffe, bei dem die Kapitäne Eile mit Weile walten ließen. Recht gemütlich entwickelte sich das „Wettsegeln“ zwischen den beiden Liverpooler Schiffen LORTON und COCKERTON, die die Mündung des Mersey zu einer Reise nach Portland in Oregon gemeinsam verließen. Sie lagen im Atlantik 40 Tage Seite an Seite. An einem Sonntag speiste der Kapitän der COCKERTON mit seiner Gattin auf freundliche Einladung des Kapitäns der LORTON an Bord des „Rivalen“. Und am folgenden Sonntag revanchierte er sich gebührend und bewirtete das „feindliche“ Kapitänspaar in seinem Salon. Innerhalb von 24 Stunden trafen sie am Bestimmungshafen ein. Einträglich verließen sie auch wieder Astoria Reede, und mit nur drei Tagen Vorsprung warf die LORTON in Le Havre Anker, ehe die COCKERTON in Dünkirchen ankam. Am gleichen Tag gingen sie aus ihren Löschhäfen ab, um Seite an Seite in den Mersey einzulaufen. 342 Tage waren sie über eine Strecke von mehr als 30 000 Seemeilen fast ohne Unterbrechung zusammen gesegelt.
Die Seefahrt hat bis in unsere Gegenwart viel mit Einsamkeit zu tun. Die beiden britischen Kapitäne und ihre Damen gingen sehr einfallsreich mit diesem Problem um. Wenn ihre Schiffe damals schon eine Maschine gehabt hätten, hätten sie das von den Briten so geliebte „socialize“, mit jemandem gesellschaftlich zu verkehren, nicht wahrnehmen können.
Etwas zu den Schiffen zu schreiben und die Maschine nicht zu erwähnen, geht gar nicht. Die Dampfmaschine und der Dieselmotor haben die Schifffahrt grundlegend verändert. Nicht immer gewährleistete das Vorhandensein einer Maschine, dass das Schiff den sicheren Hafen erreichte. Der 1893 gebaute Dampfschoner ROSINA von 182 BRT erlitt, ungeachtet seiner Dampfmaschine von 35 PS, Schiffbruch. Die HANSA berichtete 1903 in ihrer Nummer 3 über den Spruch des Seeamtes. Es kam zu der Auffassung, dass das Schiff 1902 auf der Reise von Frederiksstad nach Sunderland gesunken sei, weil es sehr rank war und dadurch kaum Segel führen konnte, weil die Ladung nicht gut verteilt war, weil die durch das Maschinenschott geführten Leitungen nicht wasserdicht gemacht worden waren, sodass Wasser aus dem Laderaum in den Maschinenraum strömte und die Pumpe aufhörte zu arbeiten, und weil die Antriebsmaschine für die Größe des Schiffes zu schwach war.
Die Viermastbark SEDOV (ex KOMMODORE JOHNSEN; ex MAGDALENE VINNEN) in der Warnowmündung
Ohne Schiffe würde es unsere heutige Welt nicht geben. Der kümmerliche Handel würde mit Kamelen über die Seidenstraße abgewickelt werden und die Welt deshalb um ein Vielfaches ärmer sein. Das letzte Wort zum Schiff soll Joseph Conrad haben. In seinen Werken werden immer wieder die tiefen Widersprüche, die Achtung, aber auch die Liebe zwischen dem Seemann und dem Schiff sowie dem Wetter deutlich. In „Spiegel der See“ schrieb er: Mit Menschen umzugehen ist eine ebenso große Kunst wie die, Schiffe zu führen. Beide, Menschen wie Schiffe, werden gleichermaßen von listenreichen und mächtigen Kräften bedrängt und wollen eher ihre Vorzüge verstanden als ihre Fehler erkannt wissen.
SEEMANNSCHAFT UND NAVIGATION
Um ein Schiff sicher und effizient zu führen, müssen Kapitän und Besatzung die für die Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Regeln guter Seemannschaft beherrschen. Um das