Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!. Margot Wilke
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„Jetzt bin ich Mensch, jetzt darf ich’s sein!“
Die Stunde endete mit einem Gelächter.
„Faust“ regt zum Nachdenken und Diskutieren an. Das war mein Ziel.
Szene „Studierzimmer“:
Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;“
Fünf Minuten konnten die Schüler nachdenken. Was ist wert, dass es zugrunde gehen kann?
Ich hätte nicht gedacht, dass so eine W-Frage, die ich stets vermied, eine derartige Reaktion auslösen konnte. Das Böse war natürlich nur die Schule und die Lehrer, hinzu kamen Äußerungen über Äußerungen. „Was soll zugrunde gehen?“ Schule, Pauker, zu viele Bücher, Hausaufgaben, Noten! „Und weshalb?“
„Wir hätten mehr Freizeit, können machen, was wir wollen, können unseren Interessen mehr nachgehen, kein Druck, ungebundenes Leben.“ Spontan machten sie ihren Herzen Luft.
„Und was wäre, wenn es weder Schule noch Lehrer gäbe?“ Verblüffung, Schweigen.
Trotz ihrer vorherigen lässigen, saloppen Aussagen wurden sie jetzt realistisch, erkannten und schlussfolgerten ebenso schnell. „Dann blieben wir unwissend!“
Mephisto: „Ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will
Und stets das Gute schafft.“
„Was kann oder soll zugrunde gehen und doch Neues entstehen?“ Die Antworten verblüfften mich wiederum. Lehrer wären unnötig, wenn Lernbewusstsein und gespeichertes Wissen, zum Beispiel auf elektronischen Tafeln, die auch umfassende Texte zum Thema beinhalten, allen Schülern zugänglich wären. Lehrer stehen nur zur Verfügung, um bei der Lösung von Aufgaben und Problemen zu helfen oder zu beraten.
Nur zur Auswertung des Gelernten bleibt also der Gang zur Schule. Lernmaterial, wie zum Beispiel elektronische Hilfsmittel, erhalten die Schüler von der Schule.
Sie hatten damals, 1978, keine Ahnung, dass heute ihre Kinder neue Wege des Lernprozesses beschreiten und ihre Vorstellungen teilweise Wirklichkeit geworden sind.
Und die Erkenntnis: Sie konnten sich mit literarischen Themen auseinandersetzen, wenn es auch für Wissenschaftler wohl hier und da nicht entsprechend wissenschaftlich war.
Und meine Frage an den Bankflüsterer: „Na, wie war das Rummähren im Lieblingsthema?“
Auf jeden Fall wurden sie auf „Faust“ neugierig.
1000 Wörter
Wurde im Deutschunterricht eine schriftliche Arbeit verlangt, ob Aufsatz, Einschätzungen oder literarische Ausführungen, kam unweigerlich die Frage: „Wie viele Wörter?“, obwohl die Schüler wussten, ich kann nur das schreiben, was ich weiß. So auch bei der Aufgabenstellung einer Charakterisierung Diederich Heßlings aus dem „Untertan“ von H. Mann. Eine leistungsstarke Schülerin, sie wollte mich wohl provozieren: „Wie viele Wörter?“ Diese ewige Fragerei reichte mir und deshalb meine lässige Antwort: „1000 Wörter!“ Andere Schüler hätten einen Schreck bekommen. Sie nicht, nickte ebenso lässig.
Ihre Lässigkeit machte mich stutzig. Gesagtes kann man aber nicht wieder einfangen.
Mir fiel eine Angelegenheit aus dem Jahre 1937 ein, die in der alten Schule geschah und über die im Dorf noch heute gelacht wird, als sich ein Lehrer unüberlegt äußerte. Ein Schüler sollte eine Strafarbeit schreiben. „Herr Lehrer, ich habe kein Papier!“
„Dann schreib es auf die Stalltür!“ Am nächsten Morgen lag die Stalltür auf dem Lehrertisch.
Eine spontane Lehreraussage wörtlich ausgeführt.
In diesem Moment wusste ich, was auf mich zukam.
Zu Beginn der nächsten Stunde: „Entschuldigen Sie, ich habe es nicht geschafft, den Text ins Reine zu schreiben, aber es sind genau 1000 Wörter“, und zur Bekräftigung, „mein Vater hat sie nachgezählt.“ Wir sahen uns an. Ich konnte ihre Gedanken lesen. „Wie reagiert sie?“ Sie neckisch triumphierend, ich lässig. Ich kannte sie genau, wie sie auch mich. Es waren genau 1000 Wörter. Nicht 999, nicht 1001. Kein Wort zu wenig, kein Wort zu viel. Nachzählen wäre lächerlich gewesen und diesen Gefallen tat ich ihr nicht.
In Zukunft meine Antwort: „Schreib immer so viel, wie du weißt.“ Auch Schüler können ihre Lehrer erziehen.
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