Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!. Margot Wilke
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Es bringt auch Vorteile, wenn sich der Lehrer bei bestimmten Situationen den Schülern einmal anpasst.
Der Schulalltag beginnt mit dem Schulweg. Dieser war für Schüler und Lehrer sehr lang.
Bis 1976 war unsere Schule auf drei Ortsteile aufgeteilt. Der mittlere Ortsteil, zentral gelegen, war für die erste bis vierte Klasse vorbehalten. Die fünfte und sechste Klasse besuchte den 2,5 Kilometer entfernten Ortsteil und die siebente bis zehnte Klasse den 2,5 km entfernten anderen Ortsteil. So legten die Schüler ab fünfter Klasse täglich einen Schulweg von fünf Kilometer zurück, also täglich zehn Kilometer. Dies bei Wind und Wetter, bei Hitze und Kälte, bei Sturm und Regen – jahrein und jahraus. Wen wundert es, wenn zu Schulbeginn in der begehrten Zuckertüte auch eine Regenbekleidung zu finden war. Abgehärtet durch Wind und Wetter waren unsere Kinder immer gesund. Stellten andere Schulen ihren Lehrbetrieb wegen Grippeerkrankungen ein, wir nicht. Allerdings wiederum zum Ärger unserer Kinder, die dadurch nicht in den Genuss zusätzlicher Ferientage kamen. Aber auch die Lehrer, die Fachunterricht erteilten, gingen diesen Weg, allerdings in den Pausen. In zwanzig Minuten mussten sie diesen Weg nicht gehen, sondern hetzen.
Dieser Schulweg war kein gewöhnlicher Schulweg. Er führte zum größten Teil durch eine reizvolle Landschaft. Nicht nur der jahreszeitliche Wechsel war zu erleben und die Pflanzen- und Tierwelt kennen zu lernen. Nein, der kleine Bach, der sich durch die Wiesen schlängelte, bot viele Möglichkeiten für wagehalsige Unternehmen und ließ den Schulstress schnell vergessen.
Meine Gedanken wandern noch einmal diesen Weg. Erinnerungen werden wach.
Nach kurzer Wegstrecke führte der Weg über die Werrabrücke. Das Ufer an den äußeren Brückenpfeilern war damals von einem dichten Erlengebüsch überwuchert. Manch ein Passant wird sich über die zartblauen Nebel gewundert haben, die aus dem Erlengestrüpp aufstiegen. Ein Naturphänomen?
Doch nach kurzer Zeit krochen einige Bengel mit fahlem Gesicht und Bauchschmerzen hervor. Andere kamen nicht so weit. Ihr Mageninhalt war schneller und etliche Büsche wurden wohl gedüngt. Ihre ersten Zigaretten hatten ungeahnte Wirkungen zur Folge.
Von der Brücke biegt ein Weg ab und eine unendlich schöne Landschaft breitet sich aus – die endlosen Wiesen des Werratals und am Horizont der Thüringer Wald.
Jeder Tag ein anderer eindrucksvoller Anblick. Aber blühende Wiesen und die dort lebenden Tiere kümmerten wohl kaum. Eine Baustelle reizte viel mehr. Das versprach Abenteuer pur. Große Geräte und tiefe Löcher lockten mehr als Blumen und Vögel.
Der Mutsprung
Am Wasserwerk wurde gebaggert. Einsam und verlassen stand der Bagger am Wegrand. Niemand in Sicht, Verbotsschilder interessierten nicht, die Absperrung war kein Hindernis.
Die jungen Techniker besichtigten ihn eingehend, kletterten auf das schwere Gerät, begutachteten und fachsimpelten. Jeder wusste mehr und prahlte mit seinem Wissen. Die Neugier war befriedigt. Doch dann entdeckten sie die tief ausgebaggerten Löcher, voll mit gelblich-trüben, lehmigen Wasser. Jetzt erwachte der sportliche Instinkt. Diese Löcher überspringen. Das war es! Die Technik des Anlaufs war aus dem Sportunterricht bekannt. Die Weite wurde abgeschätzt und für möglich befunden. Die gelb-braune Brühe war kein Hindernis. Der Sportlehrer hätte bei diesen Weitsprungversuchen seine wahre Freude gehabt. Einer nach dem anderen schaffte es und die Sprünge wurden immer wagehalsiger. Nur einer stand abseits - der Kleinste der Gruppe. Mit dem Ranzen auf dem Rücken stand er und staunte, wie alle ihre Sprünge bewältigten. Dann bemerkten ihn die anderen. Sie forderten ihn zum Sprung auf. Aber er traute sich nicht und Hänseln war die Folge. Jetzt war er der Mittelpunkt. „Los!“
„Spring doch!“
„Traust dich wohl nicht?“
„Du schaffst es!“
„Memme!“
„Feigling!“ Pausenlos drangen diese Aussagen an sein Ohr. Feigling? Nein, das wollte er nicht sein.
Immer noch den Ranzen auf dem Rücken, nahm er Anlauf. Zögerte! Noch einmal Anlauf! Und wieder ein Zögern, diesmal den Spott im Rücken. Noch einmal Anlauf! Ein Sprung! Er war im Loch verschwunden. Er war komplett verschwunden. Er war weg! Nichts mehr zu sehen! Erstarrt standen die anderen vor Schreck. Dann handelten sie. Mit Mühen, Anstrengungen, Stangen und Brettern gelang es ihnen, den Unglücksraben aus dem Loch zu ziehen. Gemeinsam brachten sie den Lehm-Schlamm-Freund nach Hause. Bevor dieser die Wohnung betrat, wurde er auf dem Hof mit dem Schlauch abgespritzt.
Bereits auf diesem Schulweg konnten also die Schüler ihre technischen und sportlichen Interessen wahrnehmen, wenn möglich auch unter Beweis stellen.
Doch der Weg bot noch weitaus mehr Abenteuer.
Kein Anglerlatein
Eine kurze Wegstrecke floss ein Graben nebenher. Er plätscherte ruhig unter Gestrüpp und wurde kaum beachtet. Dieser Graben floss weit in die Werrawiesen bis er schließlich im Erlensee, heute versumpft, mündete. Er war der Anziehungspunkt für junge Angler. So auch für zwei Bengel, die auf dem Heimweg waren. Sie verließen den Schulweg und pirschten an diesem Graben entlang, bis weit in die Wiesen. Es war ein heißer, trockener Sommertag. Mit einer Schnur, die damals jeder Junge in der Hosentasche hatte, und einem Stock versuchten sie nahe am Erlensee Fische zu angeln. Fachgerecht wurde dieses Provisorium ausgelegt und nun warteten beide. Warteten und warteten! Kein Fisch biss an! Für Profiangler ist warten kein Problem, aber für diese beiden wurde es langweilig. Also auf, zur weiteren Exkursion rund um den Erlensee. Eine tiefgrüne, üppige, undurchdringliche Pflanzenwelt umrahmte das kleine Gewässer und lockte zum langsamen Weitergehen. Die Neugier war so groß, dass sie den immer weicher werdenden, schwankenden Wiesenboden nicht beachteten. Plötzlich stand der Freund bis zu den Hüften im Sumpf, sank langsam tiefer, bis unter die Arme. Beide allein auf weiter Flur. Mühselig zog und zog der andere den langsam Versinkenden. Angst verlieh ihm Riesenkräfte und Schweißtropfen liefen, denn die Sonne brannte unbarmherzig. Mit ungeheurer Kraftanstrengung gelang es ihm, den nicht gerade Leichtgewichtigen aus dem Sumpf herauszuziehen. Ermattet und kraftlos lagen sie auf dem festen Wiesengrund. Angel und Fische waren vergessen. Die Mittagssonne trocknete beide. Aber sie trocknete so kräftig, dass die Schlammschicht zu einer festen Kruste wurde. So mussten sie durchs Dorf. Der eine verdreckt und der andere bis unter die Arme schlammverkrustet. Zu Hause wurde der Schlammige in der Zinkwanne eingeweicht, in der Wanne mühselig ausgezogen. Erst nach dem Abspritzen mit dem Schlauch war die natürliche Hautfarbe wieder zu erkennen. Mit dem Wasser aus der Wanne konnte der Garten gewässert und gedüngt werden.
Kein langweiliger Schulweg, denn Forscher und Naturinteressierte kamen ebenfalls auf ihre Kosten.
Nach Verlassen des Ortes und Überqueren der Straße lag der letzte Teil des Weges vor den Schülern. Rechts lockte eine große Obstplantage den Vitaminbedarf zu befriedigen. Zur Erntezeit waren die Bäume am Wegrand in Kinderarmhöhe wie leergefegt. Hier wurde sich bedient, hier gab es Obst gratis. Die Besitzer ertrugen es mit Nachsicht und Humor.
Links breiteten sich Wiesen aus, durch die sich ein kleiner Bach, die Pfitz, schlängelte. Ein Wiesenbach mit großen und kleinen Steinen, der einmal flach, tief, schmal oder breit war. Hier gab es viele Möglichkeiten von wagehalsigen Mutproben oder Spiele im Bach, die sich von der 1. bis zur 6. Klasse steigerten. Durchwaten, überspringen oder von Stein zu Stein hüpfen, kleine Wehre bauen, sich auf der Wiese austoben. Besonders beliebt waren die im Unterricht heimlich aus Papier gefalteten