Schulzeit – eine Zeit schöner Erlebnisse?!. Margot Wilke
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Zu einem Schüler, der eine Lügengeschichte glaubhaft zu erzählen versucht: „Denkst du, ich ziehe die Hose mit der Kneifzange an!“
Zu einem großmäuligen Schüler: „Großen Rand, kein Zahn im Maul und La Paloma pfeifen.“
Zu einem Schüler, der hingebungsvoll mit dem Zeigefinger in der Nase bohrt: „Lass dich nicht stören, aber befolge meinen Rat. Nimm den Daumen! Wenn der abbricht, bekommst du mehr Rente!“
Ein Lehrer sollte Humor haben und schlagfertig reagieren. So sind manche unliebsamen Situationen zu überwinden und er erreicht mehr als starre Belehrungen.
Halfen aber ernsthafte oder humorvolle Ermahnungen oder Belehrungen nicht, griff der Lehrer zum Hausaufgabenheft oder zum Klassenbuch.
Durch das Hausaufgabenheft wurden die Eltern über die negativen Aktivitäten ihrer Sprösslinge, wie zum Beispiel vergessene Hausaufgaben, intensives Schwatzen oder Störversuche im Unterricht informiert, aber auch über lobenswertes Verhalten. Doch diese Möglichkeit wurde viel zu wenig genutzt.
Der Eintrag in diesem Heft ergab Ärger, denn die Eltern mussten diese Informationen unterschreiben. Bei negativen Einträgen war somit Ärger vorprogrammiert. Während aber diese Angelegenheit im Familienkreis blieb, waren Mitteilungen im Klassenbuch noch unangenehmer, ja sogar peinlich. Alle Schüler erfuhren es und die nachfolgenden Lehrer waren gewarnt. Wie sahen nun diese Einträge aus? Neben Lob für einzelne Schüler oder Klassen hier die interessantesten Bemerkungen einer Klasse vom 6. bis 10. Schuljahr, von einer Kollegin gesammelt:
Tadel für äußerst undiszipliniertes Verhalten – Tadel, denn trotz Verwarnung weiteres Werfen mit Steinen auf das Dach – Nahm unerlaubt das Experimentiergerät – Fehlt unentschuldigt im Werkunterricht – Stören den Unterricht – Zieht während des Unterrichts das Brett aus der Schulbank – Spritzen mit der Wasserpistole während des Unterrichtes – Stört und blättert in anderen Büchern – Provoziert den Lehrer – Erschienen nicht zum Physikunterricht – Auf der Suche nach den Hausschuhen verschwanden sie – Zerstört den Zeigestock – Weigern sich, nach dem Sitzplan ihren Platz einzunehmen – Erledigt Geografieaufgaben im Mathe-Unterricht.
Als diese Einträge bei einem Klassentreffen vorgelesen wurden, gab es Lachsalven über Lachsalven. Denn auch ohne Namen zu nennen, wusste jeder, wer gemeint war. Unbeteiligte würden es aber nicht erahnen, dass heute diese Männer einmal die Rabauken der Klasse waren. Ein Lehrer sollte durch diese schülerüblichen Vergehen nicht voreilig urteilen, denn erst nach Schulabschluss entwickelt sich die Persönlichkeit.
Zugegeben, manche Einträge waren wohl kleinlich und unnötig. So sahen das auch die Schüler bei einem Schulkameraden, der wegen jeder Kleinigkeit einen Eintrag bekam. Sie nahmen ihm das Hausaufgabenheft weg und trugen nun ihre Einträge ein, wie: Peter bemalt im Klo die Fliesen, watet durch den Schlamm, spielt mit seinem Popel, spielt mit Papierschiffchen in der Pfütze, klettert am Blitzableiter der Turnhalle hoch, lässt sein Ventil immer offen oder schubst eine alte Oma in die Pfütze, um nur einige zu nennen. Dieses Heft machte natürlich die Runde, aber es zeigte auch, dass sich die Schüler auf diese Art von Kleinigkeiten belustigten und allzu schnelle und unnötige Eintragungen lächerlich machten.
Entschuldigungen
Besonders beliebt waren Einträge über die ewigen Zuspätkommer und bei diesen kamen Ausreden und Ausflüchte schnell über die Lippen.
Aber es ist schon frustrierend, wenn Schüler morgens zu spät zum Unterricht erscheinen und verschlafen muffelnd die Entschuldigung zwischen den Zähnen herausquetschen: „Entschuldigen sie, ich habe verschlafen“ oder „Meine Mutter hat mich nicht geweckt.“ Was sollte es denn auch sonst sein? Und das jahraus und jahrein!
Da fällt mir ein Schüler vergangener Jahre ein, der ständig morgens zu spät kam, aber jedes Mal eine andere Entschuldigung hatte. Fehlte er zu Unterrichtsbeginn, war die gesamte Klasse auf seine Ausreden gespannt. So auch eines Morgens. Der Ordnungsschüler meldete, dass er fehle und ergänzte, da er ihn immer abhole, dass niemand gehört und er einige Male geklingelt hätte.
Der Unterricht begann. Nach längerer Zeit wurde langsam und leise die Tür geöffnet und er schob sich langsam mit dem Kopf zuerst, dann schrittchenweise herein. Die Spannung erhöhte sich, was kommt jetzt? „Entschuldigen sie mein zu spätes Kommen, aber ich bin am Fernseher eingeschlafen.“ Unterdrücktes Kichern in der Klasse. „Wieso sitzt du am frühen Morgen schon am Fernsehgerät? Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Eltern das erlauben?“
„Ich, ich, ich habe die Olympischen Spiele geguckt und die werden doch bis morgens früh gesendet. Meine Mutter hatte mich geweckt, aber danach bin ich doch noch einmal vor dem Fernseher eingeschlafen!“
Was sollte ich dazu noch sagen?
Diese Episode vergangener Tage regte mich zu Folgendem an: Die nächste Schlafmütze gab mir die Gelegenheit. „Tschuldigense, hab verschlafen!“
„Wenn euch nichts Besseres einfällt als abgedroschene Entschuldigungen zu stammeln, trage ich euch in Zukunft in das Klassenbuch ein. Ich akzeptiere nur noch solche Ausreden, die etwas aussagen und vom Sinn her möglich sein könnten.“ Hier nun einige Beispiele von einfallsreichen Schülerphantasien:
„Entschuldigen sie meine Verspätung,
- als ich die Haustür aufschloss, brach der Schlüssel ab.
- ich kam nicht raus, meine Mutter hatte den Schlüssel zur Arbeit mitgenommen.
- ich musste meinen Opa ins Krankenhaus bringen, er war vom Fahrrad gefallen.
- meine Mutter hat aus Versehen meine Schultasche mit zur Arbeit genommen.
- bei uns war ein Rohrbruch und ich kam nicht aus der Haustür heraus.
- meine Mutter hat mich eingeschlossen.
- ich habe meine Lehrbücher nicht gefunden (er brauchte keine, denn es waren Klassensätze vorhanden).
- bei meinem Fahrrad ist der Rahmen durchgebrochen.“
„Deine Mutter hat doch auch eins!“
„Da war der Rahmen auch gebrochen!“
- ein Auto hat mich angefahren und ich musste erst medizinisch versorgt werden.
- unserer Nachbarin ist der kleine Junge aus dem Kinderwagen gefallen. Ich habe ihr erst geholfen.
- bei der Kaufhalle hat ein Lieferwagen die Kohlköpfe verloren. Da kam ich nicht vorbei und musste einen Umweg gehen.
- ich habe keine Unterrichtsbücher mit dabei, ich wusste nicht, dass ich noch am Unterricht teilnehme werde.“ (Die Schülerin hatte einen Arztbesuch und kam zur 6. Stunde)
Ich habe hier nur einige Beispiele genannt.
Mit Beginn des Schulweges mussten die Langschläfer nachdenken und somit war ihre Müdigkeit vergessen. Originell und glaubhaft wollte ich die Entschuldigung haben.
Und das Ergebnis? Wenn einer zu spät kam, wurde die Klasse munter und erwartungsvoll. Durch diese skurrilen Ausreden kam frischer Wind in die mufflige Morgenstimmung und der Unterricht konnte heiter beginnen.