Was haben Sie da Angerichtet. Ulrich Borchers
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Einige Rückmeldungen hatte ich auch für „Männliche Couch, 53 mit Gebrauchsspuren möchte wieder Teil einer Sitzgruppe sein“. Die meisten rügten mich nur für meinen unterentwickelten Humor. K. aus Fl. wurde noch deutlicher: „Einen Couchpotato hatte ich schon. Solange du kein Bockspringbett bist, kannst Du von mir aus Staub ansetzen.“
Mit dem Klassiker hatte ich die besten Erfolge: „Mann, Anfang fünfzig, mit Vergangenheit aber ohne Altlasten, sucht lebensfrohe Gefährtin. Bin vielseitig interessiert, finanziell gut aufgestellt und achte auf innere Werte, ohne damit bei mir ungepflegtes Aussehen oder Jogginghosen zu entschuldigen. Ich freue mich auf Deine Zuschrift.“ Eigentlich nichtssagend, doch 35 Antworten sprechen eine eindeutige Sprache, genauso eine Ansage wollten die meisten hören.
Drei Stapel lagen am Ende vor mir. „Auf keinen Fall“, „Vielleicht“, „Engere Wahl“. Der dritte Stapel fiel mit drei Briefen sehr karg aus. Selbst bei dieser kleinen Auswahl nagten Zweifel an mir. Ich gab mir einen Ruck und der ebenfalls vielseitig interessierten Lilo aus G. eine Zusage für ein Treffen im Restaurant „Schöne Aussicht“. Irgendwie passend.
Jetzt sitze ich hier und habe die als Erkennungszeichen vorgeschlagene Sonnenblume vor mir stehen. Die nette weibliche Bedienung bietet mir schon die Karte an, was ich mit dem Hinweis, dass ich noch jemanden erwarte, dankend ablehne. Sie kommentiert es nur mit einem kurzen „Schade“. Bevor ich darauf reagieren kann, öffnet sich die Tür des Restaurants mit einem Schwung und die lebende Ausgabe des Erkennungszeichens kommt herein. Grünes Flatterkostüm, sonnengelb gefärbte Mähne mit darauf thronendem schwarzen Filzkäppi. Ich trage meinen neuen grauen Ralph Loren Pullover. Mit einem Blick hat sie mich entdeckt.
Sie stürmt auf den Tisch zu, beugt sich zu mir herunter, strahlt mich an und sagt: „Hallo Rainer, dass du schon eine Zeitlang ohne weiblichen Einfluss auskommen musst, sehe ich sofort. Hast dich angezogen wie zum Kirchengang. Na, das kriegen wir zusammen schon hin, was?“ Dann drückt sie der noch etwas erstaunt dreinblickenden Bedienung ihren grünen Umhang in die Hand, mit der Aufforderung ihn aufzuhängen, und entlässt sie mit der Bitte, bei der Rückkehr auch die vegane Speisekarte dabei zu haben, falls es so etwas hier überhaupt geben würde. Ich schaue ihr noch hinterher und frage mich, ob ich irgendwas Entschuldigendes sagen soll, als mich Lilo schon wieder in Beschlag nimmt: „Na Rainer, sprachlos? So wirke ich am Anfang immer. Lichtdurchflutetes Leben lässt Menschen, die in der Dunkelheit stehen immer erst mal erstaunt die Augen reiben. Ich werde dich schon bald mit Strahlen erfüllen.“ Dann drückt sie meine Hände und strahlt mich im Vorgriff darauf schon mal an.
„Hallo Lilo“, sage ich.
Ich ernte schallendes Gelächter. „Hach Gottchen, du bist ja herrlich. Ich sehe schon, du wirst ein spannendes Projekt. Aber keine Sorge, ich ziehe dich schon in das Leben. Komischer Laden hier, oder? Irgendwie piefig.“ Sie zieht sich einen Moment von mir zurück und holt aus ihrer Tasche einen Rosenquarz und Duftstäbchen und stellt sie auf den Tisch. „So, jetzt ist es etwas besser. Sag mal Rainer, wie bist du denn auf den Laden hier gekommen? Na lass man, du wirst durch mich die Richtigen kennenlernen.“
Inzwischen steht die Bedienung wieder mit den Speisekarten an unserem Tisch und um auch mal was zu sagen, schlage ich vor. „Sollen wir uns erst mal etwas bestellen, bevor wir uns weiter kennlernen?“
„Rainer, Rainer ich werde dich schon durch deine Bestellung kennen lernen“, entgegnet sie schelmisch grinsend. Zu der Bedienung sagt sie: „Vegane Karte ist nicht, oder? Habe ich mir gedacht.“
Ich rutsche auf meinem Stuhl herum und weiß nicht, was ich machen soll. Schließlich entscheide ich mich zunächst tatsächlich zu bestellen: „Steakteller bitte.“
Ein Aufschrei. „Das wird ja herausfordernder als ich dachte. Nein, bringen Sie uns bitte beiden je einen Kressesalat und die vier Nudelköstlichkeiten, bitte ohne Schinkenstreifen in der Soße.“ Dann strahlt sie mich wieder an und sagt: „Ich weiß, was dir gut tut.“
Ich strahle zurück: „Ich weiß das auch, Lilo. Und das hier gerade ganz bestimmt nicht. Ich nehme den Steakteller. Blutig bitte.“
Mit einem Ruck steht Lilo und faucht mich an: „Wieder so ein Würstchen. Einer der keine Partnerschaft sucht, sondern eine Haushaltshilfe, ein stummes Muttchen. Starke Frauen unerwünscht. Von mir aus. Mach doch weiter in deinem Soloprogramm.“ In Sekunden schnappt sie sich Rosenquarz, die Duftstäbchen und den Umhang und ist verschwunden.
„Was war das denn?“, fragt die Bedienung kopfschüttelnd.
„Pflanzenschutzmittel trifft auf Sonnenblume. Jetzt wo sie weg ist, hätte ich mein Steak doch lieber medium.“
„Ich werde den Koch bitten, es auf den Punkt perfekt zuzubereiten“, antwortet sie und blinzelt mir zu.
Ich schaue ihr hinterher und stelle fest, dass es mir in der Schönen Aussicht gefällt. Das anschließende Mahl unterstützt diesen Eindruck. Die präsentierte Rechnung lässt es sogar noch zu einem perfekten Tag werden. Die nette Bedienung lehnt mein großzügiges Trinkgeld ab und bittet mich stattdessen einen Blick auf die Rückseite zu werfen. Sie ist so schnell verschwunden, dass sie mein grinsendes Gesicht nicht mehr erlebt, als ich lese: „Bin giftresistent. Weiteres kannst du herausfinden, wenn du folgende Nummer wählst.“ Ich schaue mich nach ihr um, aber sie ist nicht mehr zu entdecken. Noch beim Verlassen des Restaurants speichere ich die Nummer im Handy ab.
TRENNUNG
„Ein schöner, fast schon sommerlicher Frühlingstag“, denkt Jürgen. „Die schönste Jahreszeit überhaupt, das Leben startet durch.“
Er schaut auf seinen Sohn, der neben ihm auf der kleinen Steinumrandung des Bolzplatzes sitzt. Der tippt den Ball beleidigt auf den Boden und das knallende Geräusch verursacht ein zorniges Echo an den gegenüberliegenden Garagen. Tim ist nicht gut auf seinen Vater zu sprechen. Wie soll ein Achtjähriger das auch verstehen.
Jetzt sitzen sie schon eine ganze Weile schweigend nebeneinander. Jürgen schaut in die Sonne, ohne blinzeln zu müssen. Erstaunlich, denkt er. Egal. Bald kann er seinen Aufbruch nicht mehr aufschieben. Es wird Zeit, dass sie miteinander reden. Der Junge ist manchmal so stur. „Ich kann doch nichts daran ändern, Tim“, sagt er schließlich.
„Nicht können, heißt nicht wollen, sagst du sonst immer“, und wieder erklingt das Echo.
„Nun tu mal nicht so schlau“, sagt Jürgen und muss fast schmunzeln. „Es gibt nun mal Situationen, in denen es keine Alternative gibt. Du wirst das auch noch lernen müssen.“
Tim schaut ebenfalls in die Sonne und kneift seine Augen zusammen. Statt zu antworten, pfeift er vor sich hin. Er empfindet es als Riesengemeinheit und am schlimmsten ist es, nicht zu wissen, wer die Schuld trägt. Vater, Mutter oder sogar er selbst? Und wieder lässt er es knallen.
„Niemand ist daran schuld“, sagt sein Vater. Tim dreht abrupt seinen Kopf in Vaters Richtung. Kann der jetzt auch noch seine Gedanken lesen? Das wird ja immer schöner. Jürgen sagt nichts dazu, sondern schaut seinen Jungen nur an. Gerne würde er ihm jetzt wieder, wie so oft, vertraut auf den Arm boxen. Auch er muss mit der veränderten Situation klar kommen. „Tim, ich kann jetzt nicht mehr lange bleiben. Ich hätte schon längst los müssen.“
„Sag nicht, du verspätest dich sonst.“
„Doch,