Kykladen. Patrick Schollmeyer
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Mainz, 20. März 2017
Kurt Roeske
Patrick Schollmeyer
ZUR EINSTIMMUNG
Abb. 1 Blick in die Caldera von Santorin
Schauplätze – Die Kykladen im Wandel der Zeiten
Wer heute die Inselwelt der Kykladen bereist, befindet sich meist unbewusst auf der Suche nach der typischen Postkartenidylle, die längst zum Synonym für Griechenland schlechthin geworden ist: Strahlendweiße würfelförmige Häuser mit blauen Dächern, umgeben von der nicht minder tiefblauen Ägäis, eingetaucht in gleißendes Sonnenlicht (Abb. 1); ein Szenario, das zum Träumen verführt und vor allem pure Erholung verspricht. Der besondere Ruf von Mykonos und Ios als freizügige Partyinseln lenkt dann in der Regel vollends den Blick auf die angenehmen Seiten des Lebens. Klassische Bildung scheint in diesem Klischee dagegen nicht unbedingt vorzukommen. Nur wenige der jungen Partybegeisterten, die im Hochsommer alljährlich in Scharen auf die ansonsten höchstens von 1500 Personen bevölkerte Insel Ios strömen, dürften wohl dorthin reisen, um Ausschau nach dem Grab Homers zu halten, der dort laut Pausanias (10, 24, 2), einem griechischen Reiseschriftsteller des 2. Jhs. n. Chr., aus Verbitterung darüber starb, dass er ein Rätsel nicht lösen konnte, das ihm die einheimischen Fischer gestellt hatten. Überhaupt gibt es kaum Ereignisse oder bekannte Persönlichkeiten, die im kulturellen Gedächtnis der Menschheit so fest mit den Kykladen verbunden sind, dass die Inseln deshalb prominente Erinnerungsorte wären, die es unbedingt aufzusuchen gilt. So braucht es auch Niemanden zu wundern, dass die Kykladen nicht unbedingt als erste Adresse für Bildungsreisende gelten. Wer die berühmtesten klassischen Schauplätze Griechenlands aufsuchen möchte, zählt in der Regel die Kykladen ganz anders als Athen, Delphi, Epidauros, Mykene und Olympia nicht zu seinen Topfavoriten.
Doch dieses Bild trügt. Die Kykladen haben eine faszinierende Geschichte zu bieten, die bis zu den Anfängen europäischer Hochkulturen schlechthin führt und voll von Geschichten interessanter Menschen ist, die die Inseln gleichsam zu besonderen Schauplätzen des antiken Griechenlands machen. Bedeutend für die alten Griechen waren sie jedenfalls schon allein deshalb, da sie nach damaliger Vorstellung einen Kreis (gr. Kyklos) um einen der heiligsten Orte des Altertums bildeten, nämlich um Delos, die Geburtsinsel der göttlichen Zwillinge Artemis und Apollon.
Zum Auftakt – Museums- statt Meeresluft
Bevor wir jedoch die Reise beginnen können, sollten wir uns mit der Geschichte der Inselregion zumindest in den Grundzügen vertraut machen. Hierzu eignet sich insbesondere der Besuch zweier einschlägiger Museen in der griechischen Hauptstadt Athen, ist doch der dortige Flughafen wegen der vielen internationalen Verbindungen ohnehin meist die erste Station einer Kykladenreise, dies gilt in der Regel auch für diejenigen, die mit dem Zug, dem Bus oder dem eigenen Auto anreisen wollen. Denn man erreicht die Kykladen am bequemsten per Fähre von Athens Hafen Piräus aus. Es spricht folglich so einiges dafür, die Inselrundreise hier beginnen zu lassen.
Abb. 2 Marmornes Kykladenidol, 3. Jt. v. Chr., Nationalmuseum Athen
Der Museumsbesuch hat zudem den Vorteil, dass dortige Zeitzeugen, wenn auch stumme, dennoch dem, der sie zu befragen weiß, umso beredter von längst untergegangenen Kulturen erzählen, die das Inselleben einst geprägt haben. Wer die Historie der Kykladen kennenlernen möchte, sei auf die entsprechenden Abteilungen des Archäologischen Nationalmuseums und die öffentlich zugängliche Spezialsammlung der reichen griechischen Reederfamilie Goulandris verwiesen. Dort stehen in Hülle und Fülle kostbare Artefakte aller Materialen, Formen und Zeiten bereit, deren Studium das für eine Reise notwendige historische Rüstzeug liefert.
Zeitlos schön – Die Kykladenidole und ihre Epoche
Ins Auge springen sogleich die unzähligen kleinen Marmoridole aus der Bronzezeit (Abb. 2), die in geradezu modern-abstrakter Gestaltung menschliche Wesen beider Geschlechter zeigen. Die nach den Inseln benannte Kykladenkultur erreichte im 3. Jt. v. Chr. (2700–2250 v. Chr.) ihren Höhepunkt. Damals lebten die Menschen in Familienverbänden in Dörfern, die über die Inseln verstreut waren. Es wurde Ackerbau betrieben, man pflanzte Weinreben sowie Olivenbäume und züchtete Schafe, Ziegen sowie Schweine. Es gab einen regen Handelsverkehr nach West und Ost. Marmor (Naxos und Paros), Obsidian (Melos), Bauxit und Kupfer (Naxos) wurden exportiert, Zinn aus dem Osten importiert. Zum Transport dienten Langschiffe ohne Segel, die mit bis zu 40 Ruderern bemannt waren. Nach Ausweis der Grabbeigaben gab es bereits eine elitäre Oberschicht. Im Lauf der Zeit wuchs die Bevölkerung, und je mehr Menschen sich um Haus und Hof kümmern konnten, umso mehr Männer widmeten sich der Seefahrt, dem Handel und der Piraterie, was wiederum dazu führte, dass man anfing, die Siedlungen durch Befestigungen vor Überfällen zu schützen.
Abb. 3 Kykladenpfanne, 3. Jt. v. Chr., Archäologisches Museum Naxos
Die Kykladenkultur wird in erster Linie von den Marmorfiguren repräsentiert, die man in großer Zahl in Gräbern auf den Inseln gefunden hat. Ihnen waren im Neolithikum Darstellungen von dickleibigen Frauen vorausgegangen, die auf die Verehrung einer Fruchtbarkeitsgöttin, wie wir sie aus Asien kennen, schließen lassen. Die meisten Kykladenfiguren sind stehend, weiblich, nackt mit vor dem Körper verschränkten Armen und betonten Geschlechtsmerkmalen dargestellt. Einige scheinen geschlechtslos zu sein, und nur ein kleiner Teil ist männlich. Bemerkenswert sind Musikanten, die Harfe oder Flöte spielen. Alle Skulpturen waren bemalt und ihre Größe differiert von 15 cm bis zu 1,50 m. Da man sie nicht aufstellen konnte, ist zu vermuten, dass die Menschen die kleineren von ihnen – vielleicht als Amulett – getragen haben. Sie wurden gewiss nicht als Kunstwerke hergestellt und betrachtet. Nur von etwa 20 % der ca. 14.000 Figurinen ist ihre Herkunft bekannt, sodass man sich ihrer Echtheit sicher sein kann. Was – oder besser gesagt – wen sie abbilden, bleibt daher weiterhin umstritten. Die häufig in Gräbern gefundenen Werke könnten sowohl Götter als auch Sterbliche darstellen. Auch weiß man bedauerlicherweise nicht, was ihre eigentliche Funktion war, ob sie etwa in magischen Ritualen eine besondere Verwendung fanden.
Am Beginn der europäischen Moderne haben sie jedenfalls eine große Rolle gespielt. Zahlreiche Künstler des 19. / 20. Jhs. ließen sich von den Idolen inspirieren und waren begeistert von ihrer so einfachen wie klaren Formensprache. Gerade das „Antiklassische“, das Abstrakte, was man für zeitlos hielt, faszinierte sie. Henry Moore (1889–1986) hat ihre „elementare Einfachheit“ bewundert, Pablo Picasso (1881–1973) ihre „bloße Form“. Künstler