Kykladen. Patrick Schollmeyer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kykladen - Patrick Schollmeyer страница 5
Bei den Ioniern, Dorern und Äolern handelte es sich aber nicht um ethnisch unterschiedliche Stämme im eigentlichen Sinn, sondern um Sprachgruppen. Bei ihnen hatte sich in nachmykenischer Zeit jeweils ein eigener Dialekt der griechischen Sprache herausgebildet. Die jeweilige eigene Sprachform spielte für das Identitätsbewusstsein der Gruppen eine große Rolle.
Die Kenntnis der Schrift war nach dem Ende der mykenischen Zeit verloren gegangen. Um 800 v. Chr. übernahmen die Griechen die Buchstabenschrift der Phönizier, des von der Levanteküste stammenden antiken Händlervolks, und passten sie ihrer Sprache dadurch an, dass sie Zeichen, die sie nicht brauchten, zur Bezeichnung von Vokalen verwendeten. Es spricht vieles dafür, dass sich bereits Homer dieser Schrift bedient hat.
Im 8. Jh. v. Chr. geriet die Welt der Griechen erneut in Bewegung. Menschen verließen die kleinasiatischen Städte und gründeten an den Ufern des Schwarzen Meeres Kolonien, Menschen vom Festland und von Euböa zog es in den Westen nach Unteritalien und Sizilien. Man spricht von der „großen griechischen Kolonisation“.
Kolonisation meint, dass auf fremdem Gebiet neue Stadtstaaten (gr. Poleis) gegründet wurden, die Griechen sprachen von „fernen Wohnorten“ (gr. Apoikiai).
Die Gründung vollzog sich nach festgelegten Regeln. Man versicherte sich der Zustimmung des delphischen Apollon, der Gott konnte auch selbst zur Gründung einer Kolonie ermuntern. Die Auswanderer folgten einem ernannten oder gewählten Anführer. War ein guter Standort gefunden, der an der Küste lag, über einen Ankerplatz und ein für die Bewirtschaftung geeignetes Hinterland verfügte, steckte man die Grenzen ab, sicherte die Siedlung, erstellte einen Bebauungsplan, richtete die Kulte ein und erließ Gesetze. Die neu gegründete Kolonie übernahm in der Regel die Organisationsform der Mutterstadt und unterhielt stets freundschaftliche Beziehungen zu ihr. Rechtlich blieb sie allerdings autonom.
Auch einige der ägäischen Inseln beteiligten sich an der Kolonisation: Naxier gründeten ca. 735 v. Chr. gemeinsam mit Einwohnern der Stadt Chalkis auf Euböa die Kolonie Naxos in Sizilien (heute Giardini-Naxos), die ihrerseits wenige Jahre später Katane (heute Catania) und Leontinoi (heute Leontini) gründete, Paros sicherte sich 680 v. Chr. die an Goldminen reiche, Thrakien vorgelagerte Insel Thasos und das libysche Kyrene, eine Tochter der Insel Thera.
Es gab viele Gründe wie soziale Spannungen, Rivalitäten unter den führenden Familien, ökonomische Interessen der entsendenden Poleis, Hoffnung der Auswanderer auf bessere Lebensbedingungen, die die Menschen dazu bewegten, ihre Heimat zu verlassen und sich in der Fremde neu anzusiedeln, wobei sich die Landnahme keineswegs immer friedlich vollzog: Auch manch ein Abenteurer wird sich gern der Gruppe angeschlossen haben.
Die Archaik ist nicht nur die Zeit des Aufbruchs, sondern auch die Zeit, in der sich die Städte zu Stadtstaaten entwickelten und in der sich das Individuum seiner selbst als einer autonomen Persönlichkeit bewusst wurde. In der Lyrik fanden die Menschen eine neue Form, in der persönliche Erfahrungen, Gedanken und Gefühle zum Ausdruck gebracht werden konnten. An die Stelle des im Hexameter verfassten umfangreichen Epos traten kleine, strophisch gegliederte Einheiten, die sich mannigfacher Metren bedienten. Nun gab es keine Muse mehr, die verkündete, wie es wirklich war. Blieb der Dichter im Epos verborgen, so war jetzt präsent, wer sich in den Versen äußerte. Es ging nicht mehr um Berichte über Vergangenes, sondern das Erlebnis der Gegenwart gewann an Bedeutung.
Wie das Epos wurde auch die Lyrik in der Öffentlichkeit vorgetragen. Der lyrische Dichter suchte seine Zuhörer aber nicht an Fürstenhöfen oder auf den Marktplätzen, sondern im Kreis Gleichgesinnter im Symposion, dem Trinkgelage, zu dem sich Adlige nach dem Essen in begrenzter Zahl zusammenfanden. Der Ahnherr der lyrischen Dichtung und zugleich einer ihrer bedeutendsten Repräsentanten, Archilochos, stammte aus Paros. Überhaupt erlebte die Lyrik ihre Blütezeit vornehmlich auf den ägäischen Inseln.
Dort spielte zudem die Bildhauerkunst in Folge der reichen Marmorvorkommen eine besondere Rolle im Wirtschaftsgefüge der Zeit. Auf Paros befanden sich die wertvollsten Steinbrüche der Antike. Aber auch Naxos verfügte über qualitätvollen Marmor und entsprechend versierte Künstler. Ihre Auftraggeber waren zumeist reiche Großgrundbesitzer, die die politische und militärische Macht in Händen hielten. Sie bildeten eine gemeinsame griechische Adelskultur aus, deren Wertmaßstäbe von Besitz und Ruhm auch auf den Kykladeninseln galten. Diese festgefügte Welt geriet mit der Etablierung der Demokratie in Athen sowie vor allem im Kontext der beiden großen Perserkriege zu Beginn der klassischen Epoche (5. / 4. Jh. v. Chr.) schließlich heftig ins Wanken.
Zwei Zeitzeugen der Extraklasse – Herodot und Thukydides
Die Kenntnisse über die geschichtlichen Ereignisse dieser Zeit verdanken wir in erster Linie zwei bedeutenden antiken Historikern, die, jeder auf seine Weise, die Geschichtsschreibung begründet haben: Herodot aus Halikarnassos und Thukydides aus Athen.
Herodot lebte von ca. 485 bis ca. 425 v. Chr., seine väterlichen Vorfahren waren Karer. Er wirkte in seiner Heimatstadt am Kampf gegen den karischen Tyrannen Lygdamis II. mit, musste fliehen, kehrte zurück und machte sich erneut auf, diesmal, um die Welt zu erkunden. Es darf als sicher gelten, dass er längere Zeit in Athen und später in der 444 v. Chr. am Golf von Tarent gegründeten Kolonie Thurioi gelebt hat. Genaue Zeitangaben sind nicht möglich. Sein Werk beginnt so:
Dies ist die Darlegung der Erkundung (historie)
des Herodot aus Halikarnassos,
damit weder das, was Menschen geleistet haben,
mit der Zeit vergessen wird,
noch große und bewundernswerte Taten,
sei es, dass sie von Griechen,
sei es, dass sie von Barbaren vollbracht wurden,
ihren Ruhm verlieren.
Insbesondere ist es die Darlegung der Ursache (aitia),
die sie zum Krieg gegeneinander veranlasste.
Selbstbewusst stellt sich der Autor vor. Er legt dar, was er selbst erforscht hat, nicht, was er wie Homer dem Gesang einer Muse verdankt. Sein Interesse richtet sich nicht nur auf die Leistungen der Griechen, sondern in gleichem Maße auf das, was die Barbaren vollbracht haben, ja, es richtet sich universal auf die Menschheit. Mit „Barbaren“ meint er wertneutral „Nicht-Griechen“ und „Leistungen“ umfassen auch kulturelle Werte und Schöpfungen. Herodot weiß, wie schnell die Menschen und ihre Taten vergessen werden. Aus dem Bewusstsein der Vergänglichkeit erwächst der Antrieb zur Geschichtsschreibung. Am Schluss seines Vorworts schränkt er sein Thema auf den Krieg der Griechen und Perser ein. Er will die Ursache aufdecken, die zu der Auseinandersetzung geführt hat. In diesem Bestreben, den Dingen auf den Grund zu gehen, erweist er sich als ein Historiker im modernen Sinn, und auch dadurch, dass er die Ursache letztlich im Menschen selbst findet, in dem ihm eigenen Streben nach Macht. Hybris nannten das die Griechen, wenn der Mensch seine Grenzen überschreitet. Maßlosigkeit birgt in sich bereits den Keim des Scheiterns. Götter greifen zwar in das Geschehen ein, sie äußern sich in Erdbeben, durch Orakel und Propheten, aber sie nehmen dem Menschen nicht die Verantwortung für sein Handeln ab. Sie sind Garanten dafür,