365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner

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365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner

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Gulfstream Aero Commander 90 ist in den See gestürzt. Am Abend orten schließlich die Suchmannschaften den Flugzeugrumpf mitten im Bodensee, der an der Absturzstelle 76 Meter tief ist. Zwei Tage später kann das Wrack mit den elf Toten geborgen werden.

       Tragisches Ende am Bodensee: Sozialminister Alfred Dallinger.

      Die Unfallursache ist bis heute nicht geklärt. Brigitte Seebacher war mit dem Luftraum über dem Bodensee gut vertraut, ein Pilotenfehler kann dennoch nicht ganz ausgeschlossen werden. Genaue Untersuchungen des Wracks an der TU Zürich bringen keine Gewissheit – möglicherweise zeigte der Höhenmesser eine falsche Flughöhe an.

      Die Nachricht vom Tod Alfred Dallingers erschüttert ganz Österreich. Seit 1974 ist der 1926 geborene Wiener Abgeordneter im Nationalrat, 1980 wird er von Bruno Kreisky in die Regierung berufen und gilt allgemein als kämpferischer Gewerkschafter, als die treibende Kraft am linken Flügel der SPÖ. Visionen wie die Einführung einer „Maschinensteuer“, einer Wertschöpfungsabgabe zur Sicherung des Sozialversicherungssystems, oder die 35-Stunden-Woche kann er allerdings nicht verwirklichen. In einem Nachruf würdigt Manfred Scheuch, der frühere Chefredakteur der Arbeiter-Zeitung, die Verdienste des verunglückten Bundesministers für Soziales. „In Dallinger war die Ungeduld eines heißen Herzens verbunden mit dem Sinn für das Mögliche und Machbare.“

      Ein Wohnheim für Behinderte, das seinen Namen trägt, und der Alfred-Dallinger-Platz im 3. Wiener Gemeindebezirk erinnern an ihn.

       Die Rede Schuschniggs vor dem Bundestag

      Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg, von Hitler beim Treffen am Berghof am 12. Februar 1938 schwer gedemütigt, durch brutale Drohungen in die Enge getrieben und zur Unterzeichnung des „Berchtesgadner Abkommens“ gezwungen, das den Nazis praktisch freies Spiel gibt, kämpft verzweifelt um den Erhalt der Souveränität Österreichs. In einer zweistündigen Rede vor dem zu einer außerordentlichen Sitzung einberufenen Bundestag rechtfertigt er sein Vorgehen am Obersalzberg.

       In den Zeitungen wird die Rede Schuschniggs ausführlich zitiert.

      Die Sitzung ist für 19 Uhr angesetzt. Schuschnigg wird von den Abgeordneten mit stürmischem Applaus begrüßt; er trägt die Uniform eines „Frontführers“ und ist durch den „triumphalen Empfang sichtlich bewegt“. Seine Darlegungen, die, wie die Neue Freie Presse schreibt, ein „flammendes Bekenntnis zum freien, deutschen, christlichen Österreich“ werden, offenbaren jedoch noch einmal das tragische Dilemma, in das dieser Mann verstrickt ist: Noch immer ist er verfangen in der Vorstellung, Österreich habe eine „deutsche Mission“ zu erfüllen, noch immer spricht er vom „deutschen Volk in Österreich“, das ein „wertvoller Teil“ des „gesamten deutschen Volkes“ sei, und vom „deutschen Österreicher“, obwohl er genau damit den Nazis in die Hände arbeitet. Noch immer beharrt Schuschnigg auf einem Idealbild österreichischer Kultur, das sich aus dem „vollendeten Zusammenklang klassischhumanistischer, nationaldeutscher und christlich-abendländischer Elemente“ ergäbe, und bemerkt nicht, dass er im Vergleich mit den handfesten Blut-und-Boden-Parolen der Nazis längst auf verlorenem Posten steht. Und auch jetzt noch rückt er keinen Millimeter von der Maiverfassung 1934 ab – die neue Regierung mit dem Nazi Arthur Seyß-Inquart als Innen- und Sicherheitsminister „verkauft“ er als „Konzentration aller positiven Kräfte“, noch immer will er keine Parteien dulden, sondern beschwört die „einige, geschlossene Front unseres Volkes in allen seinen sozialen Schichten und Ständen“. Berchtesgaden, so Schuschnigg in seltsamer Verkennung der Realität, sei daher, wie er „in Übereinstimmung mit dem Reichskanzler und Führer des Deutschen Reiches“ hoffe, „ein Markstein des Friedens“. Schuschnigg gelingt es, die Abgeordneten in seinen Bann zu ziehen: Als er seine Rede mit dem pathetischen Ruf: „Rotweiß-rot bis in den Tod!“, schließt, entlädt sich, so die Reichspost, ein „Orkan unbeschreiblicher Begeisterung und genzenloser Freude“, die „kraftvollen Führerworte“ würden neue Hoffnun geben. Kampfstimmung, von der zwei Wochen später kaum mehr etwas zu spüren sein wird (siehe 11. März).

       Die Ermordung Wallensteins

      Anno Domini 1634. In Mitteleuropa herrscht Krieg, es sind jene furchtbaren und endlosen Kämpfe, die später unter dem Begriff „Dreißigjähriger Krieg“ zusammengefasst werden. Die Sache des Kaisers in Wien steht nicht schlecht, doch nun ist im Lager Habsburgs ein erbitterter Machtkampf ausgebrochen: Ferdinand II. misstraut seinem mächtigen Generalissimus Herzog Albrecht von Wallenstein, bestärkt durch die Einflüsterungen seiner Berater kommt er zur Überzeugung, dass sein Feldherr ungehorsam sei, ja: ein „Hochverräter“ – und das könne unter keinen Umständen geduldet werden. Wallenstein müsse abgesetzt werden.

      Das Fass zum Überlaufen bringt ein Bericht des kaiserlichen Generals Octavio Piccolomini, des Vertrauten Wallensteins, der „Sensationelles“ enthüllt: Wallenstein wolle seine Armee mit den Feinden vereinigen, die Erblande erobern und sich des Kaisers bemächtigen. Ja, so die blühende Fantasie Piccolominis, Wallenstein wolle zur Neuordnung Europas schreiten, und zwar ohne die Habsburger, er selbst möchte König von Böhmen werden. Daraufhin erlässt Ferdinand ein streng geheimes Patent, mit dem Wallensteins Unterführer Gallas, Piccolomini, Rudolf Graf Colloredo und Johann von Aldringen als „Exekutoren“ ermächtigt werden, mit Gewalt gegen ihn vorzugehen – wenn nötig auch, ihn zu ermorden.

      Piccolomini übernimmt es, jene Männer zu finden, die bereit sind, Wallenstein, der krank ist und sich in Eger (Cheb) aufhält, zu töten. Unter den Obristen, die er für die Verschwörung gegen ihren Feldherren gewinnen kann, scheint ihm der irische Katholik Walter Butler der richtige „Regisseur“ für die Extinguierung Wallensteins und seiner Getreuen zu sein, dazu kommen John Gordon, der Festungskommandant von Eger, und dessen Stellvertreter, der Oberstwachtmeister Walter Leslie. Dieser ist es auch, der die Initiative ergreift: „Töten wir die Verräter!“, lautet die Devise, die Leslie ausgibt und mit der er sich auch durchsetzt. Zur Unterstützung werden zwei Kompanien der Butler’schen Dragoner herangezogen, dreißig zuverlässige Leute unter dem Befehl von Oberstwachtmeister Robert Geraldin; dessen Stellvertreter ist ein Hauptmann Walter Deveroux. Zunächst, so beschließt man, müsse man die Getreuen Wallensteins ausschalten und hat dafür bald auch einen heimtückischen Plan: Gordon lädt Feldmarschall Ilow, die Grafen Trčka und Kinsky sowie Rittmeister Niemann für den Abend des 25. Februar 1634 zu einem Fastnachtsschmaus zu sich auf der Burg ein. Nachdem sich die vier Männer an der reich gedeckten Tafel niedergelassen und ihre Waffen abgelegt haben, fällt man über sie her – die vier Männer haben keine Chance und werden ermordet.

       Der kranke Generalissimus ist seinen Mördern hilflos ausgeliefert: Hauptmann Deveroux führt den tödlichen Stoß. Gemälde von unbekanntem Künstler. Heeresgeschichtliches Museum, Wien.

      Gordon, Butler und Leslie, noch im Blutrausch, beschließen, keine weitere Zeit zu verlieren und auch Wallenstein sofort zu töten. Walter Butler stellt ein Mordkommando aus sechs Dragonern zusammen; er selbst wird sie begleiten. Es ist zwischen 20 und 21 Uhr, als die sechs Dragoner, angeführt von Hauptmann Deveroux, in das Haus, in dem sich Wallenstein einquartiert hat, eindringen. Oberst Butler bleibt vor dem Gebäude und beobachtet das Fenster von Wallensteins Schlafzimmer. Brennende Kienspäne in den Händen, stürzen die Soldaten die Treppe hinauf in den ersten Stock, verletzen

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