Unbekanntes Wien. Isabella Ackerl
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Der Name Griechengasse geht auf die griechischen Kaufleute zurück, die vor allem nach dem Frieden von Passarowitz (1718) mit den Türken in diesem Viertel sesshaft wurden. Zuvor hatte das Viertel „Unter den Hafnern“ geheißen, was sicher auf eine Gewerbebezeichnung zurückgeht. Das heute als „Griechenbeisel“ bezeichnete Gasthaus hieß früher „Zum roten Dachel“. Der Sage nach hat in diesem Lokal 1679, im Jahr der großen Pest, der Volkssänger Augustin sein berühmtes Lied „Oh, du lieber Augustin, alles ist hin …“ kreiert.
Das Haus Griechengassse 4 – 6, der so genannte Steyerhof, geht in seiner Bausubstanz auf gotische Zeit zurück. Seine Fassade ist heute ein wesentliches Dokument der Stadtentwicklung, denn was von den alten Bauteilen noch übrig war, wurde freigelegt und restauriert. So kann man an diesem Haus einen Querschnitt durch die Geschichte betrachten, von schmalen Rundbogenfenstern bis zu fast quadratischen Renaissancefenstern, umrahmt von Fassadenschmuck. Gotische Säulchen und altes Steinmauerwerk, Aufstockungen und Bauerweiterungen, Veränderungen am Verlauf der Fassade – alles ist an diesem „Sprechenden Haus“ abzulesen. Bemerkenswert ist auch das schräg zur Baulinie verlaufende Tor.
In der Griechengasse 5 erbaute 1803 der Architekt Franz Wipplinger ein Gotteshaus für die griechisch-nichtuniierte Glaubensgemeinschaft, welches von einem klassischen Giebel mit einem Relief, das den hl. Georg darstellt, überragt wird.
Das Haus in der Griechengasse 7 stammt aus dem 17. Jahrhundert und wird von einer Marienstatue mit einer schmiedeeisernen Rokokolaterne geschmückt. Im Hof des Hauses hat sich noch ein gotischer Wohnturm erhalten.
4. Antisemitismus
im mittelalterlichen Wien:
„ ZUM GROSSEN JORDAN“
AM JUDENPLATZ
Das gotische Bürgerhaus „Zum großen Jordan“ aus dem 14. Jahrhundert gehörte bis 1421 dem Wiener Juden Hocz. Im Zuge der Wiener Geserah, der ersten großen Judenverfolgung in der Geschichte Wiens, wurde das Haus durch Herzog Albrecht V. konfisziert und wechselte darauf mehrmals den Besitzer. Seit Ende des 15. Jahrhunderts befand es sich im Eigentum von Georg Jordan, der das noch erhaltene Relief von der Taufe Christi im Jordan – eine Anspielung auf seinen Namen – anbringen ließ, aber auch die antisemitische Inschrift in lateinischer Sprache, die sich auf die Wiener Geserah bezieht. Das Wort Geserah ist ein hebräischer Begriff (wörtlich: eine böse Verordnung), der die Verfolgung von Juden durch nichtjüdische Machthaber bezeichnet.
Am 23. Mai 1420 wurden alle Wiener Juden verhaftet und vor die Entscheidung gestellt, sich entweder zwangstaufen zu lassen oder der Folter unterzogen zu werden. Auslösendes Moment für diese grausame Verfolgung war die Vermutung, dass die Juden Kontakte zu den Hussiten hätten, mit denen Herzog Albrecht V. sich im Streit befand. Außerdem wurde berichtet, dass sie angeblich ein luxuriöses Leben führten, d. h. über viel Geld verfügten. Das war Wasser auf die Mühlen des Herzogs, der stets Geld brauchte – in erster Linie zur Bekämpfung der Hussiten. Doch das von den Juden abgepresste Geld brachte dem Herzog keinen Sieg, sondern nur einen Waffenstillstand.
Manche der jüdischen Familien ließen sich taufen, kehrten aber später wieder zur Religion ihrer Väter zurück. Um der Taufe zu entgehen, entschieden sich viele Juden zu einem Massenselbstmord in der Synagoge. Schließlich blieben 210 standfeste Juden über, die weder die Geldverstecke preisgaben noch sich taufen ließen. Sie wurden der Hostienschändung beschuldigt – eine in dieser Zeit häufig erhobene fälschliche Anschuldigung – und schließlich zum Tode verurteilt. Am 12. März 1421 wurden sie in Erdberg auf der Gänseweide verbrannt, ihr Vermögen wurde vom Herzog eingezogen. Die Synagoge ließ Albrecht abbrechen und die Steine für den Bau der Universität verwenden. Der wirtschaftliche Schaden für die Stadt durch die Vertreibung der Juden war verheerend.
Zu Ende des 20. Jahrhunderts, sensibilisiert durch die grauenvollen Geschehnisse des Holocaust, fiel die Entscheidung, die antisemitische Gedenktafel des Jordanhauses nicht zu entfernen, sondern durch eine zweite, kommentierende Tafel zu ergänzen. Die am 29. Oktober 1998 angebrachte Inschrift, deren Text von Christoph Kardinal Schönborn, dem Wiener Erzbischof stammt, nimmt ausdrücklich von der Untat der Wiener Geserah ausgehend Stellung zum Holocaust und betont die Mitschuld der Christenheit an der Verfolgung der Juden.
Die Fundamente der Synagoge wurden erst im 20. Jahrhundert unter dem Judenplatz wieder entdeckt und in einer beeindruckenden musealen Gestaltung zugänglich gemacht.
Die britische Künstlerin Rachel Whiteread errichtete 2000 auf dem Judenplatz ein Mahnmal an den Holocaust in Form einer nach außen gekehrten Bibliothek. Dieses Denkmal kann als Assoziation auf das Judentum als eine Religion des Buches verstanden werden, weist aber auch auf die kulturelle Ausdünnung durch die Vertreibung und Ermordung tausender Wiener Juden hin.
Die Gedenktafel am Haus zum Großen Jordan
„Kiddusch HaSchem“ heißt „Heiligung Gottes“. Mit diesem Bewusstsein wählten Juden Wiens in der Synagoge hier am Judenplatz – dem Zentrum einer bedeutenden jüdischen Gemeinde – zur Zeit der Verfolgung 1420/21 den beschriebenen Freitod, um einer von ihnen befürchteten Zwangstaufe zu entgehen. Christliche Prediger dieser Zeit verbreiteten abergläubische judenfeindliche Vorstellungen und hetzten gegen die Juden und ihren Glauben. So beeinflusst nahmen die Christen in Wien dies widerstandslos hin, billigten es und wurden zu Tätern. Somit war die Auflösung der Wiener Judenstadt 1421 schon ein drohendes Vorzeichen für das, was europaweit in unserem Jahrhundert während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft geschah. Mittelalterliche Päpste wandten sich erfolglos gegen den judenfeindlichen Aberglauben, und einzelne Gläubige kämpften erfolglos gegen den Rassenhass der Nationalsozialisten. Aber es waren deren viel zu wenige. Heute bereut die Christenheit ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen und erkennt ihr Versagen. „Heiligung Gottes“ kann heute für die Christen nur heißen: Bitte um Vergebung und Hoffnung auf Gottes Heil.
1010 Wien, Judenplatz 2 (Autobus 1 und 3)
5. Heimstätte des
Wiener Biedermeier:
DIE MÖLKERBASTEI
Die Häusergruppe auf der Mölkerbastei – die Bezeichnung Mölker leitet sich vom nahe gelegenen Melkerhof ab – bildet eines der wenigen erhaltenen Biedermeierensembles der Wiener Innenstadt. Es sind typische Bürgerhäuser, erbaut nach der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, die beispielhaft für das bescheidene Wohnbedürfnis dieser Epoche stehen. Die Häuser schmiegen sich auf der Bastei eng aneinander, unauffällig und zurückhaltend.
Doch hat in diesem Viertel stets viel Prominenz gewohnt: Im Haus Mölkerbastei Nr. 5 lebte zwischen 1881 und 1906 Generaloberst Friedrich Graf Beck-Rzikowsky, Chef des k. u. k. Generalstabes. Von 1903 bis 1936 hatte Anton von Eiselsberg, der berühmte Chirurg und Schüler von Theodor Billroth, hier seine Wohnung.
Das Haus Mölkerbastei Nr. 8, von Peter Mollner für Johann Baron von Pasqualati als Zinshaus erbaut, diente dem unsteten Ludwig van Beethoven in den Jahren 1804 bis 1815 mehrfach als Heimstatt. Der Hausherr war mit dem Komponisten eng befreundet – noch heute erinnert ein Gedenkraum an das