Unbekanntes Wien. Isabella Ackerl
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Im Vorgängerbau des Hauses Nr. 12 schließlich logierte Feldmarschall Charles Joseph Fürst de Ligne, der „rosarote Prinz“, von dem das Bonmot über den „tanzenden“ Wiener Kongress stammt. Das Haus Mölkerbastei Nr. 1 bzw. Schreyvogelgasse Nr. 10, ein Bürgerhaus des josephinischen Klassizismus, wird zwar Dreimäderlhaus genannt, eine Beziehung zu Franz Schubert und der gleichnamigen Operette von Heinrich Berté ist allerdings nicht belegt.
1010 Wien, Mölkerbastei (Straßenbahn 1 und 2, Autobus 1, U2)
Die Bastei selbst, der größte kompakt erhaltene Teil der nach 1857 geschleiften Stadtmauer, auf der die Häuser errichtet wurden, bedarf dringend einer Restaurierung. Doch derzeit besteht ein Zuständigkeitskonflikt zwischen der Stadt Wien, die für das Ziegelmauerwerk und dessen Erhaltung verantwortlich ist, und dem Bundesministerium für Inneres, zu dem der seinerzeitige Stadterweiterungsfonds ressortiert und der seit damals die Rampen verwaltet. Die Stadt Wien, die den gesamten Komplex erwerben möchte, steht in Verkaufsverhandlungen.
6. Nobelabsteige
für den Ungarnkönig
Matthias Corvinus:
DER REGENSBURGER HOF
Der Vorgängerbau des Hauses Am Lugeck – Regensburger Hof genannt, weil er als Lagerplatz der Regensburger Kaufleute diente – gehörte im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts dem Wiener Bürger und Bankier Niklas Tischler. Als für den Februar 1470 ein Zusammentreffen des ungarischen Königs Matthias Corvinus mit dem Habsburger Kaiser Friedrich III. zur Verhandlung der komplizierten Erbfrage in Ungarn und Böhmen und überhaupt zur Streitbeilegung vereinbart wurde, stellte Tischler dem Ungarnkönig sein Haus zur Verfügung. Dieser traf am 11. Februar dieses Jahres mit 1.500 Berittenen in Wien ein, eine machtvolle Demonstration von Stärke und Reichtum, die den immer an Geldmangel leidenden Friedrich, der wegen seiner bedächtigen Art den nicht sehr schmeichelhaften Beinamen „des Reiches Erzschlafmütze“ trug, sicherlich nicht erfreute. Trotzdem fanden zahlreiche gesellschaftliche Ereignisse statt, wie ein Turnier am Neuen Markt, an dem der König persönlich teilnahm, oder Bälle im Hause Tischler.
Die Verhandlungen selbst gingen äußerst zäh voran, kaum wurden Übereinstimmungen erzielt. Die drohende Türkengefahr hätte die beiden auf eine Einigung einschwören sollen, doch verletzte Eitelkeiten wurden wie so oft in der Geschichte Ursache des Verhandlungsabbruchs. König Matthias, der verwitwet war und sich auf Brautschau begab, da er keinen legitimen Nachfolger hatte, warb bei Kaiser Friedrich III. um dessen Tochter Kunigunde. Doch er erhielt eine brüske Abfuhr, weil er vom Habsburger als nicht ebenbürtig angesehen wurde. Daraufhin verließ Matthias wütend und verletzt am 13. März Wien. In der Folge gab es zwischen den beiden einen jahrelangen Kleinkrieg und größere Feldzüge, die in der Eroberung Wiens durch den ungarischen König im Jahre 1485 gipfelten. Fünf Jahre regierte der Corvine in Wien und vermochte die Wiener Bürger auf seine Seite zu ziehen. Der Bankier Tischler spielte bei den Kapitulationsverhandlungen 1485 und in den nächsten fünf Jahren als Parteigänger des Corvinen eine wichtige Rolle in der Stadt. Wäre Matthias nicht tragischerweise und völlig überraschend 1490 in Wien ohne legitimen Nachfolger gestorben, so wäre Wien heute möglicherweise eine ungarische Stadt. Ein abgewiesener Bräutigam und sein verletzter Stolz können Geschichte schreiben!
1010 Wien, Am Lugeck 4, Bäckerstraße 1, Sonnenfelsgasse 2 (U1, U3)
Seit 1990 befindet sich am Regensburger Hof eine Gedenktafel für Matthias Corvinus. Damit findet der ungarische Herrscher, der 1485 Wien nicht nur militärisch bezwungen hatte, sondern auch während seiner fünfjährigen Residenz viele positive, vor allem kulturelle Akzente für die Stadt setzte, eine späte Würdigung.
7. Einst hochragende
Mauern:
RESTE DER STADTBEFESTIGUNG
An drei Plätzen der Stadt haben sich Teile der Stadtmauern erhalten, die die einstige Wucht dieser Befestigungsanlagen erahnen lassen. Die Reste der Coburgbastei, der Dominikanerbastei und der Mölkerbastei sind die letzten Zeugen dafür, dass sich seit dem Hochmittelalter eine Mauer rund um die Stadt zog.
Die erste durchgehende Stadtmauer wurde um das Jahr 1200 errichtet, nachdem man für die Freilassung des in Wien gefangen genommenen Königs Richard Löwenherz eine stattliche Summe Geldes von England erpresst hatte. In den folgenden Jahrhunderten wurde an den Mauern nicht viel geändert. Und als Wien 1485 von den Ungarn erobert wurde, hatten nicht die Mauern versagt, sondern die Stadt wurde vor allem wegen des herrschenden Nahrungsmangels übergeben.
Die nächste große Bedrohung entstand für Wien durch das offensive Osmanische Reich, das seine Eroberungszüge bis unter die Mauern des „Goldenen Apfels“, wie Wien in der osmanischen Geschichtsschreibung bezeichnet wird, ausdehnte. 1529 standen die Türken erstmals vor den Toren der Stadt. Eilig waren damals die bestehenden Befestigungen verstärkt und ausgebaut worden. Nachdem das Heer von Süleyman dem Prächtigen, nach einer vergeblichen Belagerung und von Seuchen geschwächt, wieder abgezogen war, erfolgten bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts noch weitere Neubauten an den Mauern. So wurde etwa die Dominikanerbastei erst 1544 errichtet.
Grundsätzlich wurden die Stadtmauern, soweit man das rekonstruieren kann, zuerst aus Erde angehäuft und dann mit Mauerwerk ummantelt. Im Bereich des Mauerzugs gab es immer wieder vorspringende Basteien, von denen aus der Feind von zwei Seiten unter Feuer genommen werden konnte. Zwischen den Basteien wurden – den Mauern vorgelagert – so genannte Ravelins errichtet, einzeln stehende Befestigungswerke, deren Kanonen das Vorfeld nach vielen Seiten bestreichen konnten. Die Höhe der Mauern lässt sich in etwa mit acht bis zehn Metern schätzen, zum Teil mögen sie höher gewesen sein, je nachdem, wie tief der Graben jeweils freigelegt wurde. Denn in Friedenszeiten war der rund 20 Meter breite Stadtgraben nichts anderes als eine große Mülldeponie. Bei den Restaurierungsarbeiten für das Palais Coburg wurden Reste der Dominikanerbastei gefunden, die bis zwölf Meter unter das heutige Straßenniveau reichen.
Den nächsten großen Schrecken erlebten die Wiener mit der Zweiten Türkenbelagerung 1683, als die Stadt tatsächlich beinahe erobert worden wäre. Denn den osmanischen Minen und Sprengsätzen waren die Stadtmauern nicht gewachsen. Lediglich das herannahende Entsatzheer konnte die Katastrophe im letzten Moment verhindern. Als Wien 1805 und 1809 von den Franzosen eingenommen wurde, spielten die Festungsmauern schon längst keine Rolle mehr, denn sie hätten den Kanonen ohnehin nicht standhalten können. 1809 ließ Napoleon eher zur Demonstration seiner Macht, denn zur Beseitigung einer gefürchteten Verteidigungsanlage die Burgbastei sprengen – die Befestigungen hatten endgültig ausgedient. Nun war es nur mehr eine Frage der Zeit bis zu ihrer totalen Schleifung, die mit kaiserlicher Order von 1857 eingeleitet wurde. Anstelle der Stadtmauern entstand der Prachtboulevard der Wiener Ringstraße.
1010 Wien, Coburgbastei, Dominikanerbastei, Mölkerbastei (Straßenbahn1, 2 und D) Stubenbastei (U3)